Gesellschaft | Diskussion

Benko auf dem Prüfstand

Was sagen die Schüler der Bozner WFO "Heinrich Kunter" zum Benko-Projekt? Jene, die sich vor den Osterferien zu Wort melden, sehen das Kaufhaus mehr als skeptisch.

Die Unruhe in der Aula Magna der Bozner Wirtschaftsfachoberschule (besser bekannt als Ex-HOB) “Heinrich Kunter” ist am späten Mittwoch Vormittag deutlich spürbar: Die Osterferien stehen bevor. Doch die letzten zwei Schulstunden vor den schulfreien Tagen verbringen die Schüler der 4. und 5. Klassen im Festsaal der Schule, um über ein Thema zu sprechen, an dem die Bozner derzeit kaum mehr vorbeikommen: das Kaufhausprojekt  am Busbahnhofareal in Bozen. Am Podium des Festsaals warten Michael Schlauch, Thomas Huck, Heinz Peter Hager und Ingenieur Bernhard Pöll auf ihren Auftritt: Zwei Projekt-Befürworter, zwei -Gegner und jeweils 25 Minuten Zeit.


Zwei Mal das erste Mal

“Unser Ziel ist es, euch mit möglichst objektiven Informationen zu versorgen, damit ihr überzeugt euer Kreuzchen macht”, eröffnet Hanno Barth, an die Schüler gewandt, die Veranstaltung. Er, der Volkswirtschaftsprofessor, hat das Treffen organisiert. Für viele der anwesenden Schüler – alle zwischen 17 und 19 Jahre alt – wird es das erste Mal sein, dass sie ein Kreuzchen setzen, wenn sie zwischen 29. März und 4. April auf den Bögen zur Kaufhaus-Bürgerbefraung “zustimmend” oder “ablehnend” markieren. Es ist zwar keine Wahl und auch kein rechtlich bindendes Referendum, aber immerhin dürfen alle über 16-Jährigen ihre Meinung zum “Benko-Projekt” abgeben. Was danach passiert, hängt allerdings nicht unmittelbar vom Ausgang der Befragung ab. Überwiegt die Zustimmung, hat Kommissär Michele Penta angekündigt, die überarbeitete Programmatische Vereinbarung unterzeichnen zu wollen. Bei mehrheitlicher Ablehnung will er die heiße Kartoffel an den künftigen Gemeinderat weiterreichen. Bleibt die Unbekannte der Rekurse, über die am Verwaltungsgericht Ende April befunden wird.


v.l.: Thomas Huck, Michael Schlauch, Heinz Peter Hager, Bernhard Pöll. Foto: Facebook/WFO H. Kunter

Doch zurück in die Gegenwart: In der Aula der “Heinrich-Kunter”-Schule verkündet Heinz Peter Hager, dass er es “super gut” findet, “dass wir hier sind”. Es sei das erste Mal, dass die Verantwortlichen des Kaufhaus-Projekts an eine Schule geladen worden seien. Und gerne habe er die Einladung angenommen: “Es ist wichtig, sich auch den Gegnern und der Kritik zu stellen.” “Froh, dass darüber gesprochen wird”, ist auch Thomas Huck, Architekturstudent und Aktivist von #jung_in_bozen. “Ja, aber es muss nicht nur geredet, sondern auch etwas getan werden”, kontert Hager umgehend. Beide Seiten, Befürworter wie Gegner, haben 25 Minuten Zeit, um das Projekt beziehungsweise die Argumente dafür und dagegen zu präsentieren. “Das Projekt ist nicht schlecht”, stellt Huck eingangs klar, “doch müssen wir uns fragen: Brauchen wir, braucht Bozen es?” Die Mehrheit der im Festsaal sitzenden Schüler scheint diese Frage für sich bereits beantwortet zu haben. Zumindest fallen die Wortmeldungen, die nach den Stellungnahmen der Pro- und Contra-Seite kommen, ziemlich eindeutig aus. Und zwar negativ. Daher ist es auch Heinz Peter Hager, der auf den Großteil der Eiwände und Kritiken der jungen Menschen antwortet.


Warum noch eines? Warum Benko?

“In Bozen gibt es bereits genügend Einkaufszentren”, wirft eine Schülerin ein. “Und wenn es schon noch eines sein muss, warum muss es dann von einem Österreicher gebaut werden?” Weil es für ein solches Projekt sehr viel Geld und Kompetenz benötige, “die wir in Südtirol schlicht und einfach nicht haben”, die Antwort von Hager, der sich als rühriger Wirtschaftsberater dazu ermächtigt sieht, diese Aussage zu treffen. Die Wichtigkeit von Investoren – auch aus dem Ausland – für eine Stadt wie Bozen sprechen auch die Kaufhausgegner nicht ab. “Allerdings soll die Gemeinde ein Mitspracherecht haben und sagen können, was sie braucht. Es geht nicht an, dass ein Privater herkommt und uns sagt, was wir brauchen”, meint Thomas Huck. Die Tatsache, dass das Angebot an Einkaufszentren in Bozen, nicht zuletzt durch das jüngst ausgebaute Twenty, bereits gesättigt sei, wird aus den Zuhörerreihen immer wieder aufgeworfen. “Auch die Touristen, die zu uns kommen, kommen sicher nicht wegen noch einem Kaufhaus, sondern wegen der Landschaft. Ein Einkaufszentrum zerstört die Atmosphäre und schadet der Wirtschaft”, so die Bedenken eines Schülers. Man wolle mit dem Projekt kein einfaches Kaufhaus, sondern “viel viel mehr” schaffen, die Antwort Hagers: “Wir haben den Anspruch, qualitativ gute Handelsflächen zu bieten, wodurch auch das Zentrum gestärkt wird.”


Bernhard Pöll, Heinz Peter Hager, Thomas Huck und Michael Schlauch (v.l.)

Den Vergleich mit dem Twenty lässt der Präsident  der Kaufhaus Bozen GmbH nicht gelten, für ihn ist die Signa bei der Planung des eigenen Projekts “viel professioneller” vorgegangen. “Das Kaufhaus ist noch gar nicht genehmigt”, erinnert Thomas Huck. Und daran, dass auch im Arbo-Projekt für die Neugestaltung des Bozner Bahnhofs samt umliegenden Stadtviertel ein Einkaufszentrum vorgesehen ist. Als die Frage gestellt wird, wie es um die Umsetzung des Arbo-Projekts bestellt ist, muss Huck eingestehen, dass es wohl “noch dauern wird”: “Aber gut Ding braucht eben Weile.” “Wenn es gut geht, wird in 10 bis 15 Jahren die erste Phase abgeschlossen sein”, meint ein ungeduldiger Heinz Peter Hager. Allein die Verlegung der Bahn-Infrastrukturen benötige acht Jahre. Und so lange will er nicht warten, um “für Bozen etwas zu machen”.


Was passiert sonst?

Warum muss es unbedingt Bozen sein, “wäre es nicht besser, in die Dörfer zu investieren, damit sie nicht aussterben?”, fragt eine Schülerin. “Zu 100 Prozent” damit einverstanden, dass die Dörfer rund um Bozen sowie die Stadtviertel aufgewertet gehörten, ist Heinz Peter Hager. Doch habe sich der Handel unabhängig von den Kaufhäusern gewandelt: “In den Dörfern muss er sich spezialisieren, um den dortigen Bedürfnissen gerecht zu werden”, ist er überzeugt. Nach ihrer Alternative zum KHB-Projekt gefragt, unterstreichen die beiden Gegner, dass die Gemeinde Bozen Gelder habe, um etwa den Park aufzuwerten. “Wenn das Areal heute so aussieht wie es aussieht, dann, weil vonseiten der Politik nichts getan wird”, meint Huck. Und wer sich erwarte, dass ein Einkaufszentrum und dessen Security-Personal soziale Probleme löse, der irre. “Sie werden nur verlagert”, wirft Wirtschaftsingenieur und Jugendarbeiter Michael Schlauch ein.

Recht direkt kommt schließlich die Frage eines Schülers, der sich an Hager wendet: “Der Gemeinderat hat bereits eine Entscheidung getroffen, und vergangenen Sommer ‘Nein’ gesagt. Wie oft müssen wir noch abstimmen, damit auch Sie mitbekommen, dass die Stadt dieses Projekt nicht braucht?” Entschieden hält Hager dagegen: “In Bozen herrscht ein großes Bewusstsein darüber, dass das betroffene Viertel heruntergekommen ist und angepackt werden muss. Ich persönlich bin der Meinung, dass sich die Stadt, auch wenn das Umfrageergebnis negativ ausfällt, mit der Zone beschäftigen muss. Mit oder ohne uns.” Um viele, nicht durchgehend objektive Informationen reicher, und ohne die Frage beantwortet bekommen zu haben, was das Kaufhausprojekt für sie selbst bringt, verlassen die jungen Menschen nach Ende der Veranstaltung die Aula. Sie haben nun die gesamten Osterferien Zeit, sich eine Meinung zu bilden und eine Entscheidung zum Projekt treffen. Ob diese im Sinne der Wortmeldungen am Mittwoch Vormittag ausfällt, wird man wohl nie erfahren.