Renzis riskante Gratwanderung
Matteo Renzis Dauerlauf wird zum auszehrenden Marathon. Weil sie den 39-jährigen Dynamiker nicht stoppen können, greifen seine politischen Gegner zu altbewährten Mitteln und versuchen, ihm im Parlament ein Bein zu stellen. Forza Italia-Hardliner, die Fünfsterne-Bewegung und der linke Flügel von Renzis Partito Democratico wollen gemeinsam einen Grundpfeiler seiner Reform kippen: dass der Senat in Zukunft nicht mehr vom Volk gewählt und seine Mitglieder nicht mehr bezahlt werden. Das Anliegen könnte Renzis ehrgeiziges Reformprogramm entscheidend beeinträchtigen. Inhaltliches spielt dabei eine Nebenrolle.
Der politischen Minderheit im PD geht es darum, aus ihrem Schattendasein zu treten und ihr Unbehagen über den Kurs des Turboreformers zur Schau stellen. Ein riskantes Spiel - scheitert Renzi, hat auch die Parteilinke ausgedient. Die Fünfsterne-Bewegung wird von anderen Beweggründen angetrieben. Weil Renzi den von Beppe Grillo bereits angekündigten Sieg bei den bevorstehenden Europawahlen gefährdet, schlägt die Bewegung täglich auf den Premier ein, stellt ihn als "schamlosen Lügner" und "größenwahnsinnigen Provinzpolitiker" dar, prangert seine "Rückkehr ins Zeitalter der Sklaverei" an. Nach Umfragen liegt Renzis PD derzeit fast zehn Punkte vor dem M5S. Auch in Berlusconis von Implosion bedrohter Forza Italia versuchen Hardliner wie Renato Brunetta, den "Reformbluff" des ungeliebten Premiers durch Quertreibereien zu beeinträchtigen. Und Renzis Koalitionspartner Angelino Alfano versucht, im Wahlkampf aus dem Schatten des Premiers zu treten und will im Senat die Reform des Arbeitsmarkts zu korrigieren. Auch hier spielt Inhaltliches eine Nebenrolle. Ideologische Aspekte dominieren - wie immer, wenn das byzantinische Regelwerk des italienischen Arbeitsmarktes zur Diskussion steht.
In der Kammer hat Renzi den Angriff mit der vierten Vertrauensfrage pariert, im Senat könnte das Gesetz geändert werden und müsste damit in die Abgeordetenkammer zurückkehren. Ein Risiko, denn die Genehmigung muss vor dem 19. Mai erfolgen. Renzi droht die Zeit davonzulaufen. Die angepeilte Abschaffung des Senats noch vor der Europawahl wird nun zum schwierigen Drahtseilakt. Das hindert ihn freilich nicht daran, fast täglich neue Reformen anzukündigen - häufig mit verschwommenen Konturen. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit diesen Plänen scheint im aufgeheizten und teilweise hysterischen Wahlkampfklima unmöglich, in dem der unerquickliche Schlagabtausch zwischen Renzi und seinem Erzfeind Grillo in den nächsten Wochen an Vehemenz zunehmen wird.