Gesellschaft | US-Denkmalstreit

Symbole des Rückschrittes

Der Streit um die Bürgerkriegsstatuen hat klar gemacht, dass nicht extremistische Berater das Problem der Präsidentschaft Trump sind. Sondern Donald Trump selbst.
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Foto: upi
 
Es gibt gute Argumente dafür, politisch umstrittene Denkmäler nicht zu schleifen, sondern zu erhalten und in einen geschichtlichen Kontext zu stellen. Sie erinnern an historische Ereignisse, aus denen man lernen kann. Die Weigerung des amerikanischen Präsidenten, sich von rechtsextremen Verteidigern solcher Denkmäler zu distanzieren, ist ein starkes Argument dagegen. In einem derartigen politischen Klima werden Statuen von Generälen, die gegen die Aufhebung der Sklaverei gekämpft haben, zu Kristallisationspunkten des wiederkehrenden Rassismus.
 
An manchen Orten ist die monumentale Geschichtsbewältigung durchaus gelungen. Faschistische Denkmäler in Südtirol, die die Italienisierung des Landes feiern, werden restauriert und durch erklärende Tafeln auf ihre historische Bedeutung relativiert. Ein Relief, das am Bozener Justizpalast die Heldentaten Mussolinis und seinen Wahlspruch „credere, obbedire, combattere“ (glauben, gehorchen, kämpfen) darstellt, wird durch das Zitat Hannah Arendts ergänzt: „Niemand hat das Recht zu gehorchen.“
 
Südafrika pflegt zwei entgegengesetzte nationale Gedenkstätten, die beide zur Geschichte des Landes gehören. Das martialische Voortrekker-Monument in Pretoria aus dem Jahr 1949 erinnert an den blutigen Eroberungszug der europäischen Buren gegen die afrikanischen Zulus im 19. Jahrhundert. Im modernen Apartheid-Museum in Johannesburg hingegen wird die Unterdrückung der afrikanischen Bevölkerung durch das weiße Regime dargestellt.
 
Möglich geworden ist die friedliche Koexistenz gegnerischer Narrative, weil die dahinter liegenden Ideologien politisch keine aktuelle Rolle mehr spielen. In den USA dagegen ist die Spaltung des Sezessionskriegs (1861 bis 1865, 600.000 Tote) bis heute lebendig. Noch immer werden Männer, die auf der Seite der Südstaaten die Sklaverei verteidigt haben, vielerorts als Helden verehrt. Der Bürgerrechtsorganisation Southern Poverty Law Center (SPLC) zufolge gibt es an die 1500 Denkmäler, Statuen, öffentliche Schulen, militärische Einrichtungen, Städte und Bezirke, die ihnen gewidmet oder nach ihnen benannt sind – nicht nur in den Südstaaten. In sechs Bundesstaaten gelten Feiertage zu ihren Ehren.
Es ist kein Zufall, dass die Denkmäler gerade nach der Präsidentschaft Barack Obamas jetzt wieder aktuelle politische Brisanz erlangen.
Eine vom SPLC erstellte Grafik zeigt mehrere Wellen von Denkmalgründungen: zwischen 1890 und 1920, als die Rassentrennung an die Stelle der Sklaverei trat und später in den 1950er und 1960er Jahren, als Antwort auf die erstarkende Bürgerrechtsbewegung. „Die Statuen schießen immer in Momenten rassenpolitischer Reaktion aus dem Boden“, erklärt Joseph Lowndes von der Universität Oregon, der die Rassenpolitik analysiert hat, „Sie werden als Teil des kulturellen Erbes dargestellt. Aber die Idee, dass diese Symbole irgendetwas anderes als eine rassistische Reaktion darstellen, ist falsch.“ Aufgabe der Monumente war es, die weiße Identität zu festigen, um eine Solidarisierung von ärmeren Weißen und Schwarzen gegen die reichen Plantagenbesitzer zu verhindern. Später bildeten sie ein Gegengewicht zur wachsenden Bürgerrechtsbewegung.
 
Es ist kein Zufall, dass die Denkmäler gerade nach der Präsidentschaft Barack Obamas jetzt wieder aktuelle politische Brisanz erlangen. Sie werden zum Symbol der gesellschaftspolitischen Rückschritte unter Präsident Trump und zu nationalen Kristallisationspunkten der rechtsradikalen rassistischen Bewegung. In der Verteidigung der Denkmäler, sagt der Politologe Lowndes, können sich die Rassisten als Opfer fühlen und zum letzten Kampf mobilisieren.
 
Ebenso wenig ist es Zufall, dass Donald Trump spontan die Rechtsextremen auf die gleiche Ebene stellt mit denen, die gegen Hass und Rassismus demonstrieren. Es ist klar geworden, wo seine Sympathien liegen. Man sollte nicht vergessen, dass er ein prominenter Vertreter der rassistischen These war, Barack Obama sei gar nicht in Amerika, sondern in Afrika geboren und deshalb kein legitimer Präsident der USA. Wie besessen versucht Trump, alle Errungenschaften rückgängig zu machen, die unter Obama durchgesetzt wurden.
 
Die offenbar gewordene innere Affinität Trumps mit der extremen Rechten hat zur bisher tiefsten Krise seiner turbulenten Präsidentschaft geführt. Wirtschaftsbosse, das konservative Establishment, Abgeordnete und Senatoren seiner eigenen Partei, sogar leitende Militärs gehen auf Distanz zu ihm. Der Streit um die Bürgerkriegsstatuen hat klar gemacht, dass nicht extremistische Berater, wie der jetzt entfernte Stephen Bannon, das Problem der Präsidentschaft Trump sind. Das Problem liegt in Donald Trump selbst.   
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pérvasion Do., 24.08.2017 - 19:50

»Möglich geworden ist die friedliche Koexistenz gegnerischer Narrative, weil die dahinter liegenden Ideologien politisch keine aktuelle Rolle mehr spielen.«

Genau das ist aber in Südtirol und speziell in Bozen mit dem (Neo-)Faschismus meiner Meinung nach nicht der Fall.

Do., 24.08.2017 - 19:50 Permalink
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gorgias Sa., 26.08.2017 - 14:47

Lincoln war ein Republikaner, weil es in den 1960zigern mit Lindon B. Johnson zu einem Rollentausch zwischen den beiden Parteien in Bezug auf Rassenthemen kam. Lindon B. Johnson der die Gunst der Stunde nach dem Tode John F. Kennedys nutzte (der im übrigen das Thema sehr Stiefmütterlich behandelt hatte, um demokratische Wähler in den Südstaaten zu vergraulen) setzte sich massiv ein um die Segragation und Rassendiskriminierung durch entsprechende Gesetztgebung abzuschaffen.

Was aber Lincoln angeht kann ich deine Aussagen bekräftigen. So war die Abschaffung der Sklaverei ABSOLUT zweitrangig gegenüber dem Erhalt der nationalen Einheit:

"My paramount object in this struggle is to save the Union, and is not either to save or to destroy slavery. If I could save the Union without freeing any slave I would do it, and if I could save it by freeing all the slaves I would do it; and if I could save it by freeing some and leaving others alone I would also do that. What I do about slavery, and the colored race, I do because I believe it helps to save the Union; and what I forbear, I forbear because I do not believe it would help to save the Union. "
http://www.abrahamlincolnonline.org/lincoln/speeches/greeley.htm

Besser und klarer hätte man es nicht formulieren können.

Sa., 26.08.2017 - 14:47 Permalink