Kultur | Jugendprojekte

Innovation in der Jugendkultur

Wissenschaft, Digitalisierung, Technik und die Nerd-Welt sind Herz der 'Projektkette der Innovation'. Wie wird dem Zeitgeist der aktuellen Jugendkultur Rechnung getragen?
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
le_mille_e_una_scienza_3.jpeg
Foto: © Le mille e una scienza.

Während Juvenes die Interessen und das Gemeinschaftsgefühl junger Menschen fördert, ermöglicht ihnen TesLab sich beim Forschen, Basteln, Gestalten, Programmieren, Malen, Kochen und Sporteln kreativ auszutoben. Le mille e una Scienza bringt Jung und Alt die Leidenschaft und den Spaß an der Wissenschaft näher, bei Eureka kann diese Leidenschaft direkt in ein eigenes Projekt umgesetzt werden und das Festival Game Ground eröffnet die Welt der Videospiele als Kunst- und Kulturform unserer Zeit. Der einende Leitgedanke all‘ jener Unternehmungen ist die Förderung der Interessen und Leidenschaften junger Menschen, und zwar so spannend, spielerisch, zwanglos, aktuell und innovativ wie möglich. Als Teil eines größeren Ökosystems von Jugendprojekten, fallen die oben benannten in die ‚Filiera dell’innovazione‘ oder zu Deutsch die ‚Projektkette der Innovation‘, welche vom Landesamt für Jugendarbeit der italienischen Kulturabteilung – Ufficio delle Politiche Giovanili entwickelt wird und eine gezielte Projektentwicklung ermöglichen soll, die dem Zeitgeist der aktuellen Jugendkultur gerecht werden soll. Die thematischen Schwerpunkte dabei sind die Wissenschaft, Technologie, Digitalisierung und die "Nerd"-Welt.

Fabio Raffaelli, Ansprechpartner für Digital- und Stammkultur beim Landesamt für Jugendarbeit, erklärt, wie die Projektkette der Innovation entwickelt werden sowie funktionieren soll und an wen sie sich richtet; untermauert vom 17-jährigen Mathias Bravo Veliz, der das Potenzial der Projektkette für die Entfaltung seiner Leidenschaften außerhalb der Schulzeit betont.

 

fabio_raffaelli.jpg
Fabio Raffaelli erklärt die Philosophie der Projektkette der Innovation: Jungen Menschen durch ihre Leidenschaften und Interessen eine Perspektive zu geben, © Fabio Raffaelli.

 

Zunächst besteht die Herausforderung darin, dass junge Menschen, die eine Leidenschaft für Wissenschaft, Technologie, in modernen Kunst- und Kulturformen oder Digitalität haben, sowohl im schulischen als auch im außerschulischen Kontext oftmals nicht ausreichend aufgefangen werden. Musikliebhabende können aus einer Vielzahl von Kursangeboten wählen, während Begeisterte von Computersprachen, Gamedesign oder Livestreaming eher auf der Strecke bleiben. Dies steht aber nicht wirklich im Gleichgewicht zu aktuellen Entwicklungen am Arbeitsmarkt, wie auch in der Kulturindustrie. Im Unternehmens- und Universitätsumfeld muten die Angebote in der Region bereits reichhaltiger an, so Raffaelli, aber alles vor dem Hochschulalter, scheint begrenzt. Das Jugendzentrum Juvenes bemüht sich stets Thematiken aktueller Jugendkultur und somit Anliegen und Bedürfnisse der neuen Generationen abzudecken, konfrontiert mit enormer Nachfrage, kämpft es aber unter mit seiner begrenzten Kapazität. Alle Kurse sind in Sekunden ausgebucht.

 

Die Welt verändert sich rasant, die Jugendarbeit muss hier Schritt halten 

 

Hier sieht das Landesamt für Jugendarbeit den Aufruf zur Unterstützung. „Wir müssen up to date bleiben, den Bedürfnissen der Jugend entgegenkommen und vor allem die Perspektive bieten: wenn ihr etwas interessant findet, wisset, dass es die Möglichkeit gibt, aus diesem Interesse, dieser Leidenschaft, diesem Talent oder dieser Neugierde einen Beruf zu machen“, so Raffaelli. Die Philosophie des Amtes ist dabei, die Kultur als etwas zu verstehen, dass sich nicht nur auf die Freizeit beschränkt. Es sollen Pfade und Plattformen geschaffen werden, auf denen tiefgründig über aktuelle Jugendkultur, Transformationen am Kultur- und Arbeitsmarkt nachgedacht, Neugierde geweckt und ein Blick hinter die Kulissen geworfen wird. Raffaelli nennt als Beispiel das heurige Game Ground – Videospielfestival: „Hier geht es nicht nur um das spielen, sondern es sollen Momente geschaffen werden, in denen Interessierte, die sich für die Welt der Videospiele interessieren, entdecken, dass sie zur nötigen Technologie Zugang erhalten, und wenn sie die Sache mit Leidenschaft angehen, sich engagieren, Zeit investieren und sich vielleicht auch von Menschen mit dem gleichen Ziel umgeben, selbst ein Videospiel kreieren oder etwa eine StreamerInnen-Präsenz aufbauen können“.

 

Wir wollen Neugier wecken und mit der Projektkette der Innovation auch ein Netzwerk schaffen für die spätere Vernetzung und Integration am Arbeitsmarkt oder in der Weiterbildung.

 

Vor zehn Jahren wurde die Projektkette der Innovation bereits als Begriff entwickelt, jedoch eher als Projekt-Inkubator für kulturelle und kreative Start-Ups. Man sieht, die Grundidee blieb in abstrakter Form erhalten, jedoch wird der kulturelle Rahmen heute anders interpretiert, so Raffaelli: „Unsere Aufgabe soll es vor allem sein, der Jugend ein Umfeld zu schaffen, in dem sie ihre Leidenschaften gefördert sehen und ihre Interessen, aber auch ihre Identität wiederfinden. Wir wollen Neugier wecken und mit der Projektkette der Innovation auch ein Netzwerk schaffen für die spätere Vernetzung und Integration am Arbeitsmarkt oder in der Weiterbildung. So fördern und unterhalten wir etwa Projekte im NOI-Techpark, nicht nur aufgrund der attraktiven Lage, sondern vor allem, um Kontakt zwischen den jungen Leuten und den Institutionen herzustellen, die den NOI-Techpark beleben. Wenn ein junger Mensch dann 22-23 Jahre alt ist und vielleicht sein eigenes Startup gründen möchte, hat er bereits Kontakt zu den Einrichtungen, an die er sich wenden könnte und damit sei nur ein kleiner Teil unseres angestrebten Netzwerks genannt“.

 

eureka.jpg
Beim Wissenschaftswettbewerb Eureka können junge Menschen von 8 bis 18 Jahren mit ihren eigenen Ideen und Projekten zur Gestaltung der Zukunft antreten, © Le mille e una scienza.

 

Die Projektkette der Innovation ist jedoch, abgesehen vom Begriffsentwurf, das jüngste Glied der drei strategischen Entwicklungsrichtungen, die vom Landesamt für Jugendarbeit für das Territorium Trentino-Südtirol konzipiert und unterhalten werden. Die Jugendthematiken werden grob in drei Schwerpunkte: ‚Wir sind Leidenschaft‘, ‚Wir sind Partizipation‘ und ‚Wir sind Innovation‘ eingeteilt. Die Kategorie ‚Wir sind Leidenschaft‘ fokussiert sich auf traditionellere Projekte in Bezug auf Musik, Theater und Kino, wohingegen ‚Wir sind Partizipation‘ hauptsächlich Projekte fördert die mit bürgerschaftlichem Engagement, einer Verbesserung der Gesellschaft sowie Nachhaltigkeit in Verbindung stehen. Die Dimension ‚Wir sind Innovation‘ letztlich umfasst im Wesentlichen den bereits erwähnten Bereich der Neuerungen, die in den letzten Jahren in Bezug auf Wissenschaft, Technologie, Digitalisierung und die "Nerd"-Welt in der aktuellen Jugendkultur stattgefunden haben und hier entsteht auch die Projektkette der Innovation, die sozusagen den Projektrahmen und das Netzwerk für Jugendprojekte dieser thematischen Richtung fungiert.

 

le_mille_e_una_scienza_robo.jpeg
Das Wissenschaftsfestival 'Le mille e una scienza' verbreitet die Leidenschaft für die Welt der Forschung und Wissenschaft,  © Le mille e una scienza.

 

Die neue Richtung, die der Themenbereich der Innovation im Landesamt für Jugendarbeit nun fährt, entstand in dieser Form vor drei Jahren, gleichzeitig mit der Covid-Pandemie. „Es ist immer eine spannende Herausforderung, etwas Neues aufbauen zu können, vor allem in unserer Grenzregion. Diesen Sommer haben wir dazu das Projekt ‚Electric Ship‘ als Teil der Projektkette ins Leben gerufen, bei welchem wir eine Gruppe aus Fachleuten für unsere Schwerpunkte zusammenstellen, um zu diskutieren und gemeinsam zu erarbeiten, wie wir das Territorium im Bereich Innovation entwickeln können." Ähnlich, wie bei den anderen thematischen Strängen des Landesamtes, soll die daraus entspringende Projektkette der Innovation als Rahmen für Jugendprojekte, Schnittstelle jener jugendkulturellen Themenbereiche, non-formales Bildungsangebot und Förderprogramm für die Interessen junger Menschen auf ihrem Weg zum Erwachsenen-Dasein fungieren, so Raffaelli. Was das in der konkreten Umsetzung bedeutet, eröffnet ein Blick auf die Finanzierungsgrundlage der Projektkette der Innovation sowie der weiteren Stränge des Landesamtes für Jugendarbeit: der Bando LED (aktuell: Bando LED 2 2023). Jene Ausschreibung legt nämlich die Kriterien fest, welche Vereine oder AkteurInnen, wie etwa Arci Ragazzi Bolzano oder BeYoung, in ihren Jugendprojekten erfüllen müssen, um vom Landesamt gefördert zu werden. Hier entsteht das Netzwerk der Vereinigungen und Institutionen, die durch ihre Projekte also mit dem Amt in Dialog kommen. Es werden bestimmte Vorstellungen vorgebracht, die dann mit der territorial-entwicklungsorientierten Vision beraten, weiterentwickelt, finanziert und realisiert werden. Dies bildet sozusagen den Nährboden der Projektkette.

 

mathias_bravo_veliz.jpeg
Es ein Angebot in den Schulen, aber dennoch müssen sie ihre Konzepte erneuern, meint der 17-jährige Oberschüler Mathias Bravo Veliz, © Fotografo Zeno Corrà.

 

Ein sehr interessanter Ansatz", so unser junger Diskussionsgenosse Mathias. Der Oberschüler schildert, er sei praktisch veranlagt und hege schon von klein auf eine rege Faszination für Astronomie, Biotechnologie und Informatik. Später möchte er einmal in einem dieser Bereiche ein Studium aufnehmen, aber zurzeit kann er seine Leidenschaften nicht wirklich weiterentwickeln, was vor allem auch in seiner Freizeit auch spielerisch möglich wäre. „Gäbe es hier ein breiteres Angebot außerhalb der Schule, wie etwa schon im Rahmen von Eureka oder Le mille e una scienza, würde mich das sehr interessieren, da würde ich auch teilnehmen wollen. Ehrlich gesagt finde ich, dass es sehr wohl ein Angebot an den Schulen für verschiedene Interessen junger Leute gibt, aber dennoch müssen sie sich beträchtlich erneuern und Innovation, Zukunft und Fortschritt vermehrt annehmen, denn zurzeit geschieht das noch etwas zu langsam“, so Mathias. Das Game Ground Festival sowie das Festival Studentesco beschreiten hier seines Erachtens schon eher richtige Wege, indem Nischen für die Videospiel-Welt eingebaut werden: „im letzten Jahr habe ich mit Freunden aus meiner Schulklasse an den Mario-Kart-Turnieren teilgenommen, da hatten wir großen Spaß, haben Leute kennengelernt und konnten uns in einem tollen Umfeld miteinander messen“.

 

game_ground_fifa.jpeg
Klar beim Game Ground Festival wird gezockt, aber es geht auch darum, die Welt des Videospiels als Kunst- und Kulturform zu erkunden, © BeYoung.

 

Ein Blick in die Zukunft

 

Wenngleich die Richtung der Projektkette der Innovation noch nicht abschließend definiert ist, der rote Faden und die Vision scheinen es sehr wohl zu sein. Die derzeit aktiven Projekte erzählen bereits beträchtliche Erfolgsgeschichten und die Nachfrage übertrifft, wie sich zeigt, das Angebot. Beste Voraussetzungen für das Thema der Innovation in der Jugendkultur unserer Region, die Raffaelli noch mit seiner Vision für die Zukunft untermauert: „In der Praxis lernen wir täglich über neue spezifische Interessen, die letztlich auch immer wieder mit diversen anderen Belangen verbunden sind. Zum Beispiel gibt es einen Bereich, den wir noch nie behandelt haben, den ich aber gerne vertiefen würde, und das ist das Thema Blockchain. Die ganze Revolution auf der Softwareebene, wie sich das Web entwickelt und wie es mit Themen wie Kryptowährungen, NFTs und dem Metaverse steht. Dabei kann man von Technologie sprechen, dann kommt vielleicht ein Informatiker hinzu, der sich fragt, wie das Ganze technisch funktioniert, wohingegen jemand mit Wirtschaftsinteresse sich dafür interessiert, wie man das Ganze strukturieren kann, um damit Geld verdienen zu können. Ebenso wie die Thematik der künstlichen Intelligenz, die neben ihrer technischen Dimension, auf pädagogischer, ethischer sowie vielen weiteren Ebenen behandelbar ist. Nur ein Beispiel für die zahlreichen Thematiken, die Realität der heutigen Jugendkultur sind und auf ähnlich vielfältige Art und Weise aufgegriffen werden können“.

 

Ein Beitrag von David Orrú.