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Gadertaler Selektion

Die Direktorin des Schulsprengels Abtei hat sich die Namen der nicht-getesteten Kinder geben lassen und hat sie jetzt vom Unterricht ausgeschlossen. Ein Skandal.
Scuola Covid
Foto: Pixabay
Annegret Vescoli ist mehr als nur erschüttert. Die Rechtsanwältin und Vertreterin des Schulsprengels Hochabtei im Landeselternbeirat will den Vorfall keinesfalls auf sich beruhen lassen. „Ich prüfe derzeit eine Strafanzeige gegen die Verantwortlichen“, sagt die Mutter von drei schulpflichtigen Kindern zu Salto.bz.
Der Anlass ist ein Vorfall, den Vescoli detailliert in einem Schreiben schildert, das noch am Montagabend an den Landesrat für deutsche Schule und Kultur Philipp Achammer, seinen ladinischen Kollegen Daniel Alfreider, die Leiterin des ladinischen Schulamts Edith Ploner und an die Jugend- und Kinderanwältin Daniela Höller gegangen ist. „Mit gegenständlichem Schreiben möchte ich Sie über einen Vorfall groben Machtmissbrauchs und grober Diskriminierung von Seiten einer Schulführungskraft in Kenntnis setzen“, heißt es in der E-Mail. Was danach folgt ist die Schilderung eines Skandals, bei dem die Schule genauso mitmischt wie der Südtiroler Sanitätsbetrieb.
 
 
Es ist eine Geschichte, die deutlich macht, wie fahrlässig man in diesem Land mit elementarsten Bürger- und Kinderrechten umgeht. Und wie dilettantisch und unkoordiniert die verschiedenen Behörden vorgehen.
 

Die SMS der Schulleiterin

 
Wie überall in Südtirol hat auch in der Gemeinde Abtei am vergangenen Wochenende die Covid 19-Testreihe stattgefunden. Die Beteiligung der Bevölkerung war hoch, die festgestellte Infektionsrate niedrig (0,8 %). Wie bekannt, war die südtirolweite Testreihe freiwillig und anonym. Die Testergebnisse unterliegen einem strengen Datenschutz.
Am späten Samstagnachmittag erhalten die Eltern in St. Kassian dann aber eine SMS der Schulleiterin mit der Aufforderung, die Namen der Kinder mitzuteilen, die am Test teilgenommen haben bzw. nicht.
Das Schreiben im Wortlaut:
 
„Geehrte Eltern, der Sanitätsbetrieb hat mich kontaktiert und mich gebeten, die Namen aller Kinder und Lehrer weiterzuleiten, mit Ausnahme derer, die am Covid-Test teilgenommen haben. Bitte teilt mir …[…|… die Namen jener mit, die sich dem Test unterzogen haben. Die anderen werden vom Sanitätsbetrieb über SMS eine separate Einladung zum Test erhalten. Dieser ist nicht verpflichtend, aber empfohlen.“
 
Umgehend antwortet Annegret Vescoli:
 
Sehr geehrte …[…]…ich danke für Deine Sms-Nachricht und ersuche höflich, mir die Nachricht des Sanitätsbetriebes mit der Aufforderung, die Liste der nicht getesteten SchülerInnen zu erstellen, weiterzuleiten.
Diese Aufforderung verletzt die elementarsten Rechte zum Schutz der Privatsphäre und ich verbitte mir, die Namen meiner Kinder an irgendjemanden weiterzuleiten. Die Teilnahme am Covid 19-Test ist freiwillig und anonym und niemand ist verpflichtet, irgendjemandem darüber Auskunft zu geben. Folglich darf es für jemanden, der den Test nicht macht, keinerlei Art von Konsequenzen geben – schon gar nicht für Minderjährige. Bitte leite mir also die Mitteilung des Sanitätsbetriebes weiter, damit ich entsprechende Schritte einleiten kann.“
 
 
Die Antwort der Schulleiterin:
 
„Guten Abend Annegret, ich wurde heute Abend telefonisch von Doktor Matteo Spadini vom Sanitätsbetrieb kontaktiert. Da es einen bestätigten Covid-19 Fall an unserer Schule gibt, werden die Schüler vom Sanitätsbetrieb zu einem Covid-19 Test/Abstrich eingeladen (nicht verpflichtend!). Jene Schüler, die dieses Wochenende bereits getestet wurden, werden nicht zu einem weiteren Test eingeladen. Dr. Spadini hat mich gebeten, die Namen der Kinder und Lehrpersonen, die an diesem Wochenende nicht an der Testung teilgenommen haben, an den Sanitätsbetrieb weiterzuleiten, um eine mögliche Doppeltestung zu vermeiden. Bei weiteren Fragen und Unklarheiten bitte ich dich das Gesundheitsamt zu kontaktieren.“
 
Dass diese Vorgangsweise des Sanitätsbetriebes und der Schulführung gleich gegen mehrere gesetzliche Bestimmungen verstößt, scheint niemandem aufgefallen zu sein.
 

Den Ausschluss


Doch damit nicht genug.
Am Montag haben die Schulkinder von St. Kassian per Videokonferenz von ihren Lehrern die Bestätigung erhalten, dass, wie angekündigt, am heutigen Dienstag nach 10 Tagen homeschooling wieder der Präsenzunterricht in der Schule startet. „Die Freude war riesengroß“, beschreibt Annegret Vescoli die Reaktion bei ihren Kindern, „sie haben ihre Schultaschen gepackt und waren in heller Aufregung.
Am Abend folgte dann aber die Ernüchterung. Denn gegen 18.30 Uhr kommt eine weitere E- mail der Schulstelle St. Kassian, die „im Namen des Schulsprengels Abtei“ mitteilt, dass am Präsenzunterricht nur jene Kinder zugelassen sind, die einen negativen Covid 19-Test vorweisen können. Alle anderen bleiben weiterhin zuhause.
Woher aber nimmt sich eine Schuldirektion die Befugnisse, eine öffentliche Schule nach eigenem Belieben für jene Kinder zu öffnen, die sich einem anonymen und freiwilligen Test unterzogen haben, und allen anderen Kindern den Zugang zu derselben Schule zu verwehren? 
 
 
Dieser Vorfall ist nicht nur grob diskriminierend ist, sondern auch völlig gesetzeswidrig“, sagt die Rechtsanwältin Annegret Vescoli. Im Schreiben an die Landesräte und die ladinische Schulamtsleiterin wird die Mutter noch deutlicher:
 
„Ich erwarte mir von Ihnen als Vorgesetzte der betreffenden Schulführungskraft, unverzüglich (disziplinar)rechtliche Konsequenzen einzuleiten. Für meinen Teil werde ich auch reagieren – eine Eingabe bei der Datenschutzbehörde ist schon hinterlegt.“
 
Man darf gespannt sein, wie sich die Schule aber auch der Sanitätsbetrieb aus diesem Schlamassel herausreden werden.
Sicher ist: Der Vorfall macht deutlich, wie freiwillig und anonym der Massentest vom Wochenende war.