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Sein und Schein

Für die kommende Folge der Krimi-Reihe "Tatort" ermitteln die Wiener Kommissare unter der Regie von Evi Romen. Steht auch ein "Piefke" unter Verdacht?
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Foto: ORF

Wer in die Google-Suchmaschine das Wortpaar Neapolitanischer Nachmittag eintippt und auf Enter drückt, bekommt ein paar Bildvorschläge serviert: mehrere rosafarbene Waffelprodukte (die den Wiener Stephansdom im Logo führen), ein Gemälde mit dem Titel Neapolitanisches Städtchen an einem sonnigen Nachmittag des tschechischen Malers Leonhard Paulus und ein Foto der Regisseurin Evi Romen. Der Link zu ihrem Bild führt direkt zu einem „kleinen Film“, der in Südtirol aufgewachsenen und mittlerweile international erfolgreichen Filmemacherin. "Neapolitanischer Nachmittag" ist im Jahr 1989 „im Rahmen einer Studioübung der Filmakademie Wien“ entstanden, dreht sich um ein Wohnzimmer irgendwo in Neapel, einen Toten, mehrere Betweiber und ein merkwürdiges Kind. Die Jahre vor dem Debüt hat sich Evi Romen in Klavier und Violoncello am Bozner Konservatorium zur Musikerin ausbilden lassen, studierte dann in Wien Schnitt und Kamera und war ab Anfang der 1990er immerzu erfolgreicher für eine Vielzahl an hochkarätigen Filmproduktionen als Editorin tätig.
 


Vor einigen Jahren begann Evi Romen auch mit dem Schreiben von Drehbüchern, seit 2019 intensiv auch mit der Arbeit als Regisseurin. Der Stadt mit dem Stephansdom ist sie bis heute treu geblieben und krönt ihre Karrierelaufbahn nun mit ihrem TV-Regiedebüt für den aktuellen "Wiener Tatort". Bereits im Jahr 2007 kümmerte sie sich um den Schnitt eines Wiener Tatort-Krimis. Damals ermittelte Kommissar Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) noch alleine. Das Drehbuch zu diesem Tatort schrieben Piefke-Saga-Erfinder Felix Mitterer und Luis Trenker-Verfilmer Wolfgang Murnberger.
 

Der Fall wird jedenfalls zunehmend undurchsichtiger und bedrückender, der Kreis der Verdächtigen verkleinert sich, und dann passiert sogar eine weitere Tat… 


Erst im Jahr 2011 kam Kommissarin Bibi Fellner (Adele Neuhauser) zum Wiener Tatort. Gemeinsam mit Eisner ermittelt sie bei der TV-Ausstrahlung am 26.2. zum 30. Mal. Auch diese Folge wird wohl wieder Millionen von Fernsehzuschauer*innen an die TV-Geräte und in die Online-Mediatheken locken. 
 


Im neuesten Fall bekommt es das Erfolgsduo mit dem Mord an einem jungen, beliebten und erfolgreichen IT-Mitarbeiter zu tun. Im Zuge der Ermittlungen kommen aber Hinweise und Erkenntnisse ans Tageslicht, die nicht nur Moritz Eisner und Bibi Fellner, sondern vor allem deren Kollegin Meret Schande (Christina Scherrer) vor eine große Bewährungsprobe stellen. „Es wird ein Bild unserer heutigen Welt gezeichnet“, erzählt Evi Romen vorab, denn es geht um eine Welt, „die durch ständige Optimierungen geprägt wird. Das Ermittlerteam wandert auf der Suche nach dem Mörder durch verschiedene Arbeits- und Lebenswelten: Zum einen durch die eines jungen, dynamischen Start-ups, zum anderen durch die einer untergehenden Arbeiterklassewelt, die unter einem fast schon manischen Optimierungszwang zu leiden scheint und deren Ängste durch eine der Figuren dargestellt werden.“ Die unter Romens Regie erzählte Geschichte streift diesen Zwang auf allen Ebenen. Bei den verschiedenen Lebensentwürfen und Schicksalen sei ihr aufgefallen, „dass alle letztlich nach der Optimierung des Scheins oder Seins streben.“ 
 


„Nachdem ich mein Debüt als Regisseurin mit über 50 gegeben habe, und mir diesen Beruf erst erobern muss, kann ich jetzt nicht gerade sagen, dass ich viele Jahre vom Regieführen beim Tatort geträumt hätte“, entgegnet die für den Spielfilm Hochwald mehrfach ausgezeichnete Regisseurin auf Nachfrage, ob sie die Regie für die bekannte Krimi-Reihe schon lange gereizt habe. Das Angebot sei „überraschend“ gekommen und sie habe sich „erst nach der Anfrage damit auseinandergesetzt“, ob es sie überhaupt „reizt, so etwas zu machen.“ Angesprochen auf ihre Antwort aus einem Gespräch mit dem Wiener Print- und Onlinemedium Der Standard, dass der Tatort „vielleicht eine der letzten Bastionen“ sei, in der man noch „eine gewisse Freiheit hat, sich nicht einem Gesamtsystem fügen zu müssen“, unterstreicht die Regisseurin, dass die „Tatortredaktionen immer wieder ungewöhnliche Regisseur*innen“ engagieren würden, und dies bereits „von einer gewissen Freiheit“ zeuge. In ihrem persönlichen Fall, sei sie überrascht gewesen „wie wenig meinen Vorschlägen entgegengesetzt wurde.“
 

War er nun beliebt? Oder nicht? Ein skrupelloser Typ, oder doch jemand mit Gewissen? Einer, dem die Herzen zufliegen, oder einer, dem es zutiefst egal war, wenn er sich Feinde machte? 


Geändert wurde jedenfalls der Titel des aktuellen Wiener Tatorts von Kreisky ist tot auf Was ist das für eine Welt. „Der Titel spielte atmosphärisch mit der Assoziation zum roten Kanzler, war aber auf eine gleichnamige Band bezogen, die im Film einen Auftritt hat“, erzählt Evi Romen und erklärt: „Nachdem aber eine Band eigentlich ein Produkt ist, und man Produkte nicht einfach so bewerben, bzw. einsetzen darf, ist man schlussendlich von dem Titel abgekommen.“
Die vierköpfige, 2005 gegründete Wiener Indie-Rock-Band Kreisky hat im Tatort nicht nur einen Gastauftritt, sondern liefert auch – mit einem achtminütigen titelgebenden Stück und weiteren Instrumental-Nummern – die Filmmusik.
 


Mit Katja Lechthaler spielt im aktuellen Tatort auch eine in Südtirol sehr bekannte Schauspielerin mit; wie auch Kabarettist und Autor Dirk Stermann, der noch vor wenigen Wochen in der Satire-TV-Sendung Willkommen Österreich der Südtiroler Bergsteigerlegende Reinhold Messner die flapsige Frage gestellt hatte, ob dieser im Zuge der Klimadebatte sich nicht an einen Berg festzukleben gedenke.
War der von seinem Kollegen Christoph Grissemann gern als "Schneemann" oder "Piefke" bezeichnete Stermann – er spielt im Tatort den Chef des Mordopfers – für den Tatort-Cast Fluch oder Segen? „Für unsere Freundschaft vielleicht ein Fluch“, meint Evi Romen. Dies könne sie aber erst beantworten, wenn Stermann „den Tatort gesehen hat“; für den ORF hingegen „bestimmt ein Segen“.
 


Apropos Piefke. Auf die Frage, ob sie sich vorstellen könne, wie der vor wenigen Wochen verstorbene Meraner Tatort-Regisseur Werner Masten, bei einer möglichen Weiterführung der legendären Piefke-Saga, auch Regie führen zu wollen, kontert sie: „Ich glaube nicht, dass die Piefke-Saga eine Fortsetzung findet“. Sie sei aber „grundsätzlich Serienangeboten über offen.“
Wie es beim unbefriedigend gelösten Fall Piefke-Saga beim "Tat-ORF" weitergeht und welches Ende der Wiener Tatort unter der Regie von Evi Romen nehmen wird? Spannung ist in beiden Fällen das wesentliche Element.