Kultur | Offener Brief

Über den Tod der Architektur

67 Architekten und Künstler zeigen sich mit Architekt Mayr Fingerle solidarisch. Sie wenden sich an die Landespolitik: Bibliothekzentrum nach ursprünglichen Plänen bauen!

Offener Brief zum neuen Bibliothekenzentrum in Bozen

An den Landeshauptmann von Südtirol Dr. Arno Kompatscher
An die Landesräte der Südtiroler Landesregierung
An die Abgeordneten zum Südtiroler Landtag

Sehr geehrter Landeshauptmann, sehr geehrte Landesräte,
sehr geehrte Landtagsabgeordnete

in den Jahren 2004-06 wurde für das Südtiroler Bibliothekenzentrum ein internationaler Wettbewerb mit dem finanziellen und intellektuellen Einsatz von 200 Architektenteams aus ganz Europa ausgeschrieben. Als Sieger ging das Planungsteam unter der Leitung von Arch. Mayr Fingerle aus Bozen hervor. Nach vielen Jahren Planungsarbeit, politischer Auseinandersetzung und der 2014 erfolgten Finanzierungszusage durch die neue Landesregierung löst die Landesverwaltung jetzt mitten in der Ausführungsplanung den Auftrag auf. Durch einen neuen Planungs- und Firmenwettbewerb („appalto integrato“) soll angeblich die Umsetzung „schneller und billiger“ erfolgen, eine Hypothese mit zahlreichen Risikofaktoren. Im Klartext heißt das, die Firmen müssen neue Planungsteams zusammenstellen, sich das erforderliche Know-how aneignen und erhebliche Investitionen tätigen, um überhaupt teilnehmen zu können. Volkswirtschaftlich ein sehr fragwürdiges Unterfangen, das wahrscheinlich nur sehr großen Unternehmen, die europaweit agieren, eine Chance bieten wird. Das Bibliothekszentrum, ein Kulturbau von landesweiter Bedeutung, seit Jahren in Planung und Entwicklung, soll nun mit einem Firmenwettbewerb unter Missachtung der bisher geleisteten Arbeit im Eilverfahren erledigt werden?

Die kulturelle Relevanz und der damit verbundene Qualitätsanspruch des Bibliothekenzentrums als Knotenpunkt, als Schnittstelle für zeitgenössisches Denken und soziales Miteinander, disziplinenübergreifend und internationalen Standards genügend, verlangt Engagement und Kompetenz in der Realisierung, das über einen Firmenwettbewerb nicht bewältigt werden kann. Die Konsequenzen wären erkennbare Einbußen oder gravierende Defizite in der Gebäudequalität und seiner Funktionen. Soll die ganze Vorarbeit für so ein komplexes Projekt, bei denen Erfahrungen nationaler und internationaler Fachleute von Amsterdam über Seattle und Bologna einbezogen wurden, einfach über Bord geworfen werden? Jede Firma und die besten Fachleute brauchen ihre Zeit, um etwas Anspruchsvolles zu erstellen. Es muss die Frage gestellt werden, ob sich die Südtiroler Landesregierung bewusst ist, welche Werte – kulturelle und ökonomische – für die Bevölkerung und vor allem für die Jugend auf dem Spiel stehen und welchen Verlust ein drittklassiges Ergebnis, ein Haus ohne Seele, für das Land wäre. Gute Architektur hat immer bedeutet, dass der Architekt vom Anfang bis zum Ende ein Bauwerk begleitet, vom ersten Konzept über die Ausführungs- und Detailplanung bis zur Einrichtung. Wenn man sich davon verabschiedet, bedeutet das den Tod der Architektur.

Was für ein Gewinn könnte es doch sein, wenn bei der Errichtung dieser Struktur jene Aufmerksamkeit und Erfahrung dem Projekt zuteil kommen könnte, die der Architekt, das Planungsteam und die Bibliothekare in dieser Zeit gesammelt haben, damit eine Landesbibliothek, die mehreren Aufgaben gerecht werden soll, diese Anforderungen optimal erfüllen kann. Es ist uns ein großes Anliegen, dass dieses Projekt nicht in einer Billigversion versenkt wird, sondern der Kultur ein nachhaltiges, vorbildliches und einladendes Gebäude gewidmet wird, das wir in Südtirol notwendigst und unbedingt brauchen. Solch eine Bauaufgabe ist auf Nachhaltigkeit und einer langfristigen Funktionstüchtigkeit aufgebaut. Daher sollte man hier nicht vorrangig „schnell und billig“ bauen. Als beste Investition in die Zukunft hat sich immer Behutsamkeit in der Planung und Qualität in der Ausführung erwiesen.

Wir ersuchen die Landesregierung, für die Ausführungsplanung dieses Projektes in einer Phase, in der ganz grundlegende Weichenstellungen justiert werden, um folgende Schritte:
1_die verantwortlichen Ämter, den Generalplaner Arch. Mayr Fingerle und die Bibliothekare zu einer klärenden Aussprache zusammenzuführen;
2_die wesentlichen Schritte zu fixieren, die zur Ausführungsplanung noch erforderlich sind;
3_die ausständigen Kostenstellen, die in der Planung bereits vordefiniert sind, verbindlich festzulegen;
4_eine Analyse der bisher errechneten Kosten und der möglichen Reduktionen anzustellen, ohne einen hochwertigen Qualitätsstandard zu unterschreiten.

Nur unter diesen Voraussetzungen ist eine professionelle Projekt- und Bauabwicklung möglich, um mit Bedacht und Ehrgeiz den wichtigsten Kulturbau in Südtirol entstehen zu lassen.

Bozen, 23.06.15

Unterstützt und unterzeichnet von:

Walter Niedermayr, Künstler, Bozen (I)
Friedrich Achleitner, Architekturkritiker und -publizist, bis 1998 Professor an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien, Wien (A)
Bruno Reichlin, Architekt und Professor für Architekturgeschichte und -theorie in Nancy, Universität Genf Institut d’Architecture und Mendrisio Università della Svizzera italiana bis 2011, Paris (F)
Alberto Ponis, Architekt, Palau/Genova (I)
Hermann Czech, Architekt, Wien (A)
Peter Zumthor, Architekt, Pritzker Preisträger 2009, Haldenstein (CH)
Marco Tomasi, Architekt, Bergamo (I)
Elmar Locher, Präsident der Bücherwürmer, Lana (I)
Hanno Vogl-Fernheim, Architekt , Präsident Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten für Tirol und Vorarlberg, Innsbruck (A)
Marcel Meili, Architekt, Professor ETH Studio Basel, Institut Stadt der Gegenwart, Zürich (CH)
Armando Ruinelli, Architekt, Soglio (CH)
Lilly Licka, Professorin für Landschaftsarchitektur, Wien (A)
Arno Ritter, Geschäftsführer/Leiter aut. architektur und tirol, Innsbruck (A)
Wolfgang Thaler, Architekt, Präsident der Kammer der Architekten, R.L.D. der Provinz Bozen, Bozen (I)
Bernd Kuchenbeiser, Gestalter, München (D)
Antonio Macconi, Architekt, Bozen (I)
Günther Vogt, Geschäftsinhaber VOGT Landschaftsarchitekten, Professor Institut für Landschaftsarchitektur ETH Zürich, Zürich/Berlin/London (CH, D, GB)
Valentin Bearth, Bearth & Deplazes Architekten, Professor Università della Svizzera italiana Mendrisio und Professor Institut für Architektur + Konstruktion ETH Zürich, Chur/Zürich (CH)
Georg Klotzner, Höller&Klotzner-Architekten und Präsident von kunst Meran (I)
Quintus Miller, Professor Università della Svizzera italiana, Mendrisio/Basel (CH)
Andreas Gottlieb Hempel, Prof. Dr.arch. Publizist, ehem. Präsident des Bundes Deutscher Architekten BDA, Brixen (I)
Hanno Schlögl, Schlögl & Süß Architekten, Innsbruck (A)
Daniel Süß, Schlögl & Süß Architekten, Innsbruck (A)
Roland Baldi, Architekt, Bozen (I)
Federico Tranfa, Architekt, Milano (I)
Walter Angonese, Architekt  Professor Università della Svizzera italiana Mendrisio, Kaltern (I)
Conradin Clavuot, dipl. Architekt ETH/SWB, Hochschuldozent an der Universität Liechtenstein, Chur (CH)
Köbi Gantenbein, Chefredaktor und Verleger von Hochparterre, der Zeitschrift für Architektur, Zürich (CH)
Dr. Holger Pump-Uhlmann, Architekt, Braunschweig (D)
Dorothea Aichner, Architektin , Bruneck (I)
Daniel A. Walser, Professor für Architekturgeschichte und -theorie Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW, Chur (CH)
Marcel Just, Architekturexperte, Zürich (CH)
Giuseppe Gambirasio, Architekt, Bergamo (I)
Alberto Winterle, Präsident der Kammer der Architekten, R.L.D. der Provinz Trient, Trient (I)
Christian Wagner, Prof. Dipl. Architekt ETH/SIA, Hochschule Chur (CH)
Cristina Vignocchi, Künstlerin und Publizistin, Bozen (I)
Erich Kofler-Fuchsberg, Künstler, Bozen/Berlin (I)
Theodor Gallmetzer, Architekt, Bozen (I)
Roman Delugan, Architekt, Mitglied der Wettbewerbsjury des Bibliothekenzentrums, Wien (A)
H.P. Ritz Ritzer, Architekt & Stadtplaner BDA DWB, München (D)
Jos Gritsch, Architekt und Ingenieur, Freiberufler in Meran (I)
Patrik Pedó, Architekt, Bozen (I)
Ludwig Thalheimer, Architekt, Gestalter und Fotograf, Bozen (I)
Rudolf Perktold, Architekt, Bozen (I)
Siegfried Delueg, Architekt, Brixen (I)
Johannes Watschinger, Architekt, Sexten (I)
Gustav-Mahler-Musikwochen, Toblach (I)
Lorenz Pobitzer, Architekt, Bozen (I)
Konstantin Tengler, Architekt, Bozen (I)
Gerd Bergmeister, bergmeisterwolf architekten, Architekt, Brixen (I)
André Bideau, Architekturtheoretiker/Dozent und Kritiker, Zürich (CH)
Andrea Marastoni, Architekt, Bozen (I)
Jochen Schultz, Architekt, Neumarkt (I)
Uli Weger, Architekt, Bozen (I)
Wolfgang Prader, Architekt, Bozen (I)
Andreas Flora, Ass. Prof., Fakultät für Architektur, Universität Innsbruck (A)
Wolfgang Jean Stock, Architekturhistoriker, Journalist und Publizist, München (D)
Jörg Stabenow, apl. Prof. Dr. phil. habil., Universität Augsburg, Lehrstuhl Kunstgeschichte (D)
Robert M. Veneri, Architekt und Hochschuldozent, Bozen (I)
Marco Pogacnik, Professor für Architekturgeschichte an der Universität Venedig, Venedig (I)
Norbert Dalsass, Architekt, Brixen (I)
Magdalene Schmidt, Architektin, Meran (I)
Walter Gadner, Architekt, Meran (I)
Heimo Prünster, Architekt, Girlan/Wien (I / A)
Vera Leitner, Architektin, Klausen (I)
Paolo Bonatti, Architekt, Bozen (I)
Luca Da Tos, Architekt, Bozen (I)

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Profil für Benutzer Massimo Mollica
Massimo Mollica So., 28.06.2015 - 15:21

Non mi stancherò mai di urlare come Bolzano Bozen abbia bisogno estremo di un luogo come questo per riportare cultura in questa città. Il fatto che a nessuno non interessi di questa vicenda sottolinea come la città sia indietro culturalmente, piena di soldi ma povera di idee.
La morale comunque da questa vicenda è che tu puoi studiare quanto vuoi, qualificarti, diventare bravo nel tuo campo, farer un lavoro egregio,ma questo non servirà poi molto perché tanto ci sarà sempre un politico (spesso una persona che ha lavorato poco nella sua vita) a rovinare tutto, che giudica in base a suoi convincimenti, fregandosi di tutto e tutti, ma solo in base a logiche che convengono a lui. Che schifo!

So., 28.06.2015 - 15:21 Permalink