Umwelt | Akuter Wassermangel

Italien im Trockenen

Italien leidet unter dramatischer Trockenheit. In Rom wird die Wasserversorgung täglich für acht Stunden stillgelegt
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Foto: upi

Erst brennt das Land. Dann wird es von Trockenheit heimgesucht. Durchaus keine Seltenheit auf der Halbinsel, aber in diesem Jahr in dramatischen Dimensionen. Symbolhaft trifft sie die heruntergewirtschaftete und ineffiziente Hauptstadt besonders schwer. Bereits in wenigen Tagen soll die Wasserversorgung in Rom täglich für acht Stunden unterbrochen werden. Für die Hoteliers ein Albtraum, für viele Einwohner aber  bereits trister Alltag. Denn in etlichen höher gelegenen Stadtvierteln wie dem Pinciano rinnt bereits seit Wochen nur ein dünner Wasserfaden aus der Dusche. Latiums Präsident Zingaretti appelliert an Roms Wasserversorger Acea, die Massnahme zurückzunehmen und die Versorgung mit Trinkwasser mehrmals täglich für zwei Stunden abzuschalten.

Mit über 7000 Bediensteten ist Acea neben dem Verkehrsverbund Atac und der Müllgesellschaft AMA der dritte kommunale Koloss, in dem sich Ineffizienz und Klientelwirtschaft seit Jahrzehnten paaren. Es handelt sich um ein börsennotiertes Unternehmen, in dem die Gemeinde über eine deutliche Mehrheit verfügt, aber die privaten Partner Suez und Caltagirone das Sagen haben. Im maroden Verteilernetz der Hauptstadt belaufen sich die Verluste auf rekordverdächtige 45 Prozent. 60 Prozent der 5400 Kilometer Leitungen sind über 30 Jahre alt, ein Viertel der Rohre wurde vor über einem halben Jahrhundert verlegt. Dagegen speist die altrömische Wasserleitung aus dem Bracciano-See noch heute reibungslos den berühmten Brunnen am Gianicolo.  Der weitgehend ausgetrocknete See, der seit Jahrhunderten Rom einen Grossteil des Trinkwassers liefert, ist zu einer braunen Brühe verkommen, die Zahl der Urlauber um 70 Prozent gesunken. Seit Jahren vernachlässigt die Gesellschaft Acea, die satte Gewinne einstreicht, die Wartung und Erneuerung des Verteilernetzes und der  Zubringerleitung aus Bracciano. Roms überforderte Bürgermeisterin Virginia Raggi, die ein ganzes Jahr vordringlich mit Pesonalquerelen beschäftigt war, will jetzt plötzlich mit "eiserner Faust" durchgreifen:  "Le sacche di inefficienza in alcune societá partecipate sono inacettabili. E'arrivata l'ora di invertire la rotta."

Einfacher klappt das freilich im Vatikan. Dort hat der Papst die Stillegung der meisten Brunnen angeordnet, um Wasservergeudung zu vermeiden. In der Stadt funktiert das nur schleppend. Erst vor wenigen Wochen hat die Gemeinde damit begonnen, die unzähligen fontanelle stillzulegen, aus denen Tag und Nacht ein fingerdicker Wasserstrahl fliesst - eine Vergeudung, die Umweltverbände seit Jahren anprangern. Den  Forderungen, die Brunnen mit Wasserhähnen zu versehen, die man per Knopfdruck betätigen kann, ist die Stadtverwaltung nie nachgekommen. In 20 Gemeinden der Region Latium wie Rocca di Papa und Grottaferrata ist das Wasser bereits rationiert. In zahlreichen Städten Italiens sorgen marode Leitungsnetze dafür, dass  mehr als die Hälfte im Boden versickert. In Cagliari fast 60 Prozent, in Palermo 54, in den Provinzhauptstädten Potenza und Campobasso gar 68 Prozent.

Von der Trockenheit sind viele Regionen betroffen - von Sardinien und der Toskana über Emilien bis ins Veneto. Viele Seen und Speicherbecken weisen einen extrem niedrigen Wasserstand auf. Die Wassermenge des Gardasees ist auf ein Drittel gesunken. 155 Staubecken bedürfen zudem dringender Wartungsarbeiten. Der sardische  Stausee von Cuga bei Sassari ist völlig ausgetrocknet. Der Spiegel des Iseosees ist um zehn Meter gesunken, der Po führt so wenig Wasser, dass im Mündungsgebiet das Salzwasser der Adria tief in die Felder eindringt und sie unbrauchbar macht. Zehn Regionen haben bereits Notstandsmassnahmen gefordert. Der Bauernverband Coldiretti schätzt die Schäden durch die anhaltende Trockenheit auf zwei Milliarden Euro. Die Milchproduktion ist gleichzeitig um 15 Prozent gesunken. In dem ansonsten wasserreichen Piemont haben die Niederschläge im ersten Halbjahr um 26 Prozent abgenommen - ein Negativrekord.

In Rom verweist Acea-Präsident Paolo Saccani darauf, dass er die Gemeinde bereits am 4. Juli zu Notstandsmassnahmen aufgefordert habe:  "Ma non mi hanno mai risposto".  Der durchschnittliche Wasserverbrauch liegt in Italien bei 245 Liter pro Person, in Rom bei 300.  Schon in wenigen Tagen könnte er sich auf 30 reduzieren. Denn der niederschlagsärmste Monat August steht noch aus. Keine rosige Perspektive für eine Stadt, in der bereits  vor 2000 Jahren meisterhafte Aquädukte riesige Thermenanlagen speisten wie jene des Diokletian, deren beeindruckende Dimensionen Touristen noch heute unweit des Bahnhofs Termini bewundern können.