Bühne | Tanz

Bewegte Berge

Die 19. Alps Move Auflage widmet sich ab 4. Oktober dem Thema der Pflege. Bei der Eröffnung „My friend“ wird Christian Martinelli von Martina Marini ein Fest bereitet. Neue Workshop-Angebote werfen hingegen auf den eigenen Körper zurück.
Alps Move, Centro Trevi PK
Foto: SALTO
  • 16 Produktionen von mehr als 30 Südtiroler Künstler:innen aus den Bereichen Choreographie, Regie, Tanz und Performance werden von 4. bis 27. Oktober im Land zu sehen sein, in Lana, Bozen, Meran, Bruneck und Brixen. Drei Workshops (Bozen, Meran und Lana) und eine Contact Jam Session (Bozen) sollen das Angebot abrunden und dazu bewegen, selbst den eigenen Körper ins Spiel zu bringen, gemeinsam mit den ihre Tätigkeit aus dem Ausland zurückbringenden Südtiroler Künstlerinnen und Künstlern. Bei der heutigen Pressekonferenz im Centro Trevi gaben die Tänzerin Giulia Tornarolli und der Frauenchor Corodoro schon mal einen Vorgeschmack auf die erste Alps Move Aufführung ebendort, am 11. Oktober. Der kurze Auszug aus Lorena La Roccas Arbeit mit der Tänzerin und dem aus der Sozialgenossenschaft Officine Vispa hervorgegangenen Chor ist ein kurzes Aufschaukeln im Gesang und im vom Boden ausgehenden Tanz, das an der Seite der Sängerinnen im Einstimmen in die Melodie endet. Ebenso Teil des Abends mit Beginn um 18 Uhr werden die (Video-)Performance „Homo Donans“ der  lettisch-italienischen Performerin Margherita Dello Sbarba, sowie einer dritten Performance, „Di Sasso“ von Paola Zadra, sein.

  • Präsentation: Es dürfe Tanz in Südtirol nicht nur eingekauft werden. Für den Austausch von Innen und Außen sei auch unerlässlich, dass im Land produziert wird. Foto: SALTO
  • Ein Blickfang dürfte die Performance zum Auftakt auch werden. Im Raiffeisen-Haus in Lana soll  zum Auftakt am 4. Oktober, ab 20.30 Uhr einmal mehr dem Fotographen Christian Martinelli gedacht werden, mit einem Fest - „Es wird gegessen und getrunken werden“ - und einer Tanzaufführung in einem. Das Konzept für die ungewöhnliche Auftaktveranstaltung kommt von Raffael Virgadaula und Co-Koordinatorin Martina Marini, die auch für die Choreographie verantwortlich zeichnet.

    Die zweite Koordinatorin des Festivals, Doris Plankl, betont auf eindrückliche Weise ihren Glauben an die Institution Tanz, die sich auf einzigartige Weise der Annäherung an die Pflege des Nächsten, der Umwelt und auch der Spiritualität eigne. In die letzten beiden Kerben schlägt auch die Tanz- beziehungsweise Theaterperformance „Tschafon - Ein Übergang“, ebendort. Claudia Tomasi und IDEA machen den Berg zur Bühne einer Performance, die am Parkplatz Ums, ab 11 Uhr Ausgang nimmt und sich bis zur Schutzhütte (800 Meter höher, auf 1750 Metern) fortsetzt, wo  auch Übernachtungen möglich sind.

    Mit Doris Plankl haben wir das Thema der Pflege kurz vertieft, um zu sehen in welche Richtung die Bewegung geht. Hauptsache, es gibt keinen Stillstand im Land.

  • Carefully: Im Tanz kann man sich im nächsten Moment, der auf einen Sturz folgt, aufrichten – auch um erneut zu fallen. Foto: SALTO
  • Frau Plankl, Thema ist die Pflege. Sie haben angesprochen, dass es Pflege für einen selber, Pflege für das Umfeld, Pflege auch der Spiritualität braucht. Vergisst man da nicht auf sich selbst, die Selbstpflege?

     

    Doris Plankl: Das ist implizit. In den Workshops, die wir anbieten, geht es darum, sich selber zu spüren. Sich selber wahrzunehmen, gleich wie in den Workshops, das betrifft aber auch die Performance am Berg. Das wird ein Spaziergang in Stille, wo es um die Wahrnehmung geht. Es werden Texte vorgelesen, die uns zuhören, aber wir werden auch ins Innere spüren. Um die Verbindung, die wir ja im Prinzip alle in uns tragen, mit dem gesamten Universum, der Natur und dem anderen, dass wir das wieder neu beleben beziehungsweise auf Italienisch „nutrire". Das ist das treffendste Wort. Es geht darum sich von etwas zu ernähren, oder etwas zu nähren. Wir brauchen das sehr, als Menschheit.

     

    Sie meinten auch, es brauche einen „Bewusstseinssprung“, damit wir als Menschheit weiterkommen. Wie verändert Bewegung das Bewusstsein und auf welche Weise eignet sich Tanz  hier besonders?

     

    Ich begegne mir selber, ich begegne meiner Anatomie und meinem Körper, der Erinnerungen der ganzen Evolutionsgeschichte in sich trägt. Wir werden auch ein spezifisches Stückchen zum Thema in Meran sehen, in dem es um einen ganz neuen Blick auf den Körper geht. Wir kommen auch von dieser Entwicklung her und teilen uns mit einigen Tierarten bis zu einem gewissen Zeitpunkt dieselbeEmbryologie. Ich glaube, die Verbindung, die experimenteller Tanz schafft, erlaubt uns vor allem diese Spannungen aufzuspüren und sie loszulassen. Spannungen im Körper bedeuten, dass ich etwas abspalte. Wenn ich das wieder loslasse, dann werde ich wieder durchlässiger zum anderen, zum äußeren.

     

    Wenn wir nochmal zurück in den Mutterleib gehen, zur Embryologie, da ist es ja auch so, dass wir uns alle die ersten Monate weiblich entwickeln und dass sich das männliche Geschlechter später ausdifferenziert. Jetzt hat Tanz lange die Konnotation gehabt, dass es ein unmännliches Hobby sein sollte. Ist die Entwicklung hier weitergegangen?

     

    Das ist nicht so einfach zu sagen. Es ist wirklich eine Frauenkunst, das kann man sagen. Und ich hoffe auch, dass es die Frauen sein werden, die die Welt ein bisschen auf andere Schienen lenken. Aber natürlich gibt es Männer, jede Menge Männer. Es sind vielleicht die sensiblen Männer, die sich für den Tanz interessieren. Oder auch die, die einfach die Dynamik ihres Körpers direkt erleben wollen.

     

    Direkter als im Fitnessstudio?

     

    Dort geht es mehr um die Muskeln und nicht so sehr um das, was darunter ist. Als Tänzer muss man genauso mit seinen Organen und Faszien tanzen können. Das muss alles sehr geschmeidig sein, sehr durchlässig, sehr weich, damit man bestimmte Bewegungen machen kann. Im Fitnessstudio macht man die Bewegungen, die einem vorgegeben werden. Tanz ist freier.

     

    Also ist es eine andere Männlichkeit?

     

    Es ist eine andere Männlichkeit, ja. Es ist mehr ein Präsentieren, die eigene Kraft anders darzustellen, was nicht schlecht ist.

  • Das vollständige Programm von Alps Move finden Sie nun online.