Gesellschaft | Statistik

Schwere Zeiten für Justitia

Zwei von drei Südtirolern misstrauen dem italienischen Rechtssystem. Dabei ist das Vertrauen unter ausländischen Staatsbürgern und Italienischsprachigen höher.
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Foto: Südtirolfoto/Othmar Seehauser

Am heutigen 25. Oktober wird der Europäische Tag der Ziviljustiz begangen. Zu diesem Anlass hat das Landesstatistikinstitut ASTAT einige Daten veröffentlicht, die nachdenklich stimmen. Denn aus den Unterlagen, die die Statistiker zusammen gestellt haben, geht hervor, dass nur einer von drei Südtirolern dem italienischen Rechtssystem vertraut. Unsere Provinz reiht sich damit im internationalen Vergleich hinter Staaten wie Russland, Mexiko, Brasilien und der Türkei ein.

“Der Wert von 33 Prozent der Südtirolerinnen und Südtiroler, die 2015 angegeben haben, dem italienischen Rechtssystem zu vertrauen, liegt auch deutlich unter jenem in den meisten europäischen Ländern, und ist nur leicht höher als jener, der 2014 auf gesamtstaatlicher Ebene erhoben wurde (29 Prozent)”, heißt es in den Unterlagen des ASTAT. So zeigt sich etwa in Deutschland und Österreich ein exakt umgekehrtes Bild: Das Misstrauen in das Rechtssystem verteilt sich ziemlich gleichmäßig über die gesamte Südtiroler Bevölkerung, es gibt also keine Alters- oder sonstige Gruppe, die misstrauischer als andere ist. “Die größten Unterschiede”, teilt das ASTAT mit, “bestehen hinsichtlich der Staatsbürgerschaft und der Sprache, in der der Fragebogen beantwortet wurde”.


Besonderes Misstrauen unter Inländern und auf deutschen Fragebögen

So ist der Anteil der Personen, die dem italienischen Rechtssystem vertrauen, unter den Ausländern höher als unter den Inländern (50,9 zu 31,5 Prozent). Außerdem bewerten 39,7 Prozent derjenigen, die den Fragebogen in italienischer Sprache beantwortet haben, ihr Vertrauen in das italienische Rechtssystem mit mindestens “genügend”. Unter den Personen, die den deutschen Fragebogen beantwortet haben, sind es 29,8 Prozent.


Wenig Vertrauen, aber durchaus gute Erfahrung

Gleichzeitig mit den Daten zum Vertrauen präsentiert das ASTAT auch Zahlen zu den Erfahrungen mit der Zivilgerichtsbarkeit, die die Südtiroler gemacht haben. 12,3 Prozent der Südtiroler Bevölkerung im Alter von mindestens 18 Jahren waren im Laufe ihres Lebens entweder als Kläger oder Beklagter in mindestens ein Zivilverfahren verwickelt. Das entspricht einer Gesamtzahln von ungefähr 47.500 Personen. Dabei sind Männer häufiger an Zivilverfahren beteiligt als Frauen. Bei der Art der Zivilverfahren, in die die Befragten verwickelt waren, spielen Trennungen und Scheidungen mit 40,4 Prozent die Hauptrolle. Gefolgt von Verfahren in den Bereichen Arbeit (14,2 Prozent), Kinder, Familienstreitigkeiten oder Erbschaft (12,4 Prozent), Probleme im Kondominium oder mit den Nachbarn (9,4 Prozent) und Verkehrsunfälle oder Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung (6,8 Prozent).

Angesichts des eingangs aufgezeigten niedrigen Vertrauens in das Rechtssystem ist bemerkenswert, dass 55,8 Prozent derjenigen, die in einem Zivilverfahren beteiligt waren, ihre Erfahrungen mit der Zivilgerichtsbarkeit positiv bewerten. 23,8 Prozent sind wenig zufrieden und nur 20,4 Prozent überhaupt nicht zufrieden.

Als verbesserungswürdige Aspekte des Rechtssystems wurden von den 47.500 Personen, die im Laufe ihres Lebens Erfahrung mit der Zivilgerichtsbarkeit gemacht haben, vor allem die bürokratischen Aspete und die Gesamtdauer des Verfahrens genannt. Es folgen die Transparenz der Anwälte in Bezug auf die Honorarkosten, die Pünktlichkeit der Anhörungen und die Transparenz der Anwälte über die Gesamtkosten des Verfahrens.