Kultur | Salto Afternoon

Gedichte, Zeichnungen und der Iran

Teseo La Marca bringt am Freitag Kultur aus dem Iran in das Bozner Batzenhäusl. Wer ist dieser junge Autor? Was schreibt er? Was zeichnet er?
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Foto: Foto: Privat

Salto.bz: Du hast letztens für ein Ausstellungsprojekt vier Zeichnungen als Schlüsselwerke ausgestellt. Für einen jungen Autor, der sich mit Buchstaben herumschlägt, auf den ersten Blick nicht eindeutig? Was steckt dahinter?
Teseo La Marca:
Es kommt ja nicht selten vor, dass Autoren sich auch in anderen Kunstformen als der Literatur versuchen oder sogar ursprünglich aus solchen kommen und danach erst mit Literatur angefangen haben. Insbesondere Zeichnen und Malen – etwa bei Peter Weiss, Günter Grass oder Hesse. Ich glaube, das hängt damit zusammen, dass jede Ausdrucksform ihre Grenzen hat, so auch das Schreiben. Gewisse Dinge sind durch Worte unaussprechbar oder auf jeden Fall in Worten nicht so gut vermittelbar, wie sie es stattdessen durch Linien, Formen und Farben wären. Daher der Unwille, sich auf nur eine Ausdrucksform festzulegen. Außerdem kann eine Zeichnung dem Künstler eine Befriedigung schenken, die ein Text nicht gibt: man sieht das gesamte Werk vor sich. Ein Bild ist ein unwiderlegbares Resultat, das man mit einem Blick als gelungen oder nicht gelungen erkennen kann. Der Text ist abstrakter, ungreifbar, den muss man erst durchlesen, oft mehrmals. Ein Text ist nichts, was sich in den Händen halten und mit Genugtuung betrachten lässt. Trotzdem sehe ich mich eher als Schreiber.

Du hast mit deiner Lyrik einen der literarischen Sparkasse-Preise 2017 erhalten. Was bedeutet dir das Gedicht?
Lyrik ist ja die verdichtetste literarische Gattung. Die Herausforderung und auch der Reiz bestehen darin, möglichst viel mit möglichst wenig zu sagen. Und gleichzeitig hat das Gedicht auch klanglich und formal einen ästhetischen Anspruch, der es wieder sehr in die Nähe der bildnerischen Kunst rückt.

Der Hauptgrund, warum Lyrik mir bisher eher als Prosa lag, ist aber bodenständiger. Bei langen Prosatexten fehlen mir schlicht die Ausdauer und Selbstdisziplin, auch nach 3 Seiten noch weiterzuschreiben…
Insofern ist das Gedicht nicht nur eine ästhetische, sondern auch sehr praktische Sache.

Der Filmregisseur Stanley Kubrick sagte: "If you can talk brilliantly about a problem, it can create the consoling illlusion, that it has been mastered." Man ersetze "talk" beliebig mit "write" oder "draw" oder "compose".

Siehst du einen Zusammenhang zwischen deinen Zeichnungen und Gedichten?
Bei der Ausstellung sagte mir jemand, er habe gleich erkannt, dass das ausgestellte Gedicht und die vier Zeichnungen vom selben Autor stammten. Es muss also eine Verbindung geben. Der Grund, warum ich zeichne oder schreibe, ist auf jeden Fall derselbe: Es geht um die Notwendigkeit, für gewisse Dinge einen Ausdruck zu finden, wobei nur die Kunst die angemessene Komplexität aufbringen kann, um ihrem Gegenstand gerecht zu werden. Gleichzeitig bricht aber Kunst das hochgradig Komplexe herunter auf die Einfachheit weniger Formen oder Farben, einiger Sätze oder einer einzigen Metapher. Das finde ich faszinierend.

Ein solcher Zugang zur Kunst ist eigentlich sehr unmodern. Ich gebe auch zu, mit experimentellen Dingen und art pour l'art kann ich wenig anfangen. Für mich ist Kunst erst wirklich wertvoll, wenn man erkennt, dass ihr Gegenstand in irgendeiner Weise das Leben ist, wenn man ihr unverkennbar ansehen kann, dass der Schaffende gelitten, erlebt, gehadert hat. 
Übrigens könnte man natürlich auch leben, ohne sich irgendwie auszudrücken. Warum das aber schwer wäre, hat einen ziemlich banalen Grund. Der Filmregisseur Stanley Kubrick sagte: "If you can talk brilliantly about a problem, it can create the consoling illlusion, that it has been mastered." Man ersetze "talk" beliebig mit "write" oder "draw" oder "compose".

Du veranstaltest einen Südtirol-Iran-Abend. Es wird „Musik, Lyrik und Anekdoten aus einem Land geben, von dem man wenig weiß“? Meinst du Südtirol oder Iran?
Gemeint ist der Iran. Mir gefällt aber die umgekehrte Interpretation auch gut. Eine Freundin, der ich erzählt habe, dass ich in einem hochentwickelten, aber eher anonymen Land wie Kanada oder Schweden nie leben könnte, eher noch in einem Land mit Geschichte und markantem Charakter wie Iran, meinte sie: Du brauchst Konflikte, sonst wird dir langweilig. Und Konflikte haben Südtirol und der Iran auf jeden Fall beide, wenn auch in sehr unterschiedlicher Art und Weise.

Was ist an diesem Abend zu erwarten?
Es soll an dem Abend weniger um Politik gehen, sondern um die Kultur des Landes. Wie leben die Menschen dort? Was beschäftigt sie? Darüber wissen wir anhand dessen, was unsere Medien berichten, überhaupt nichts. Aber gerade da wird es interessant. Die Menschen müssen jeden Tag lügen, um trotz Gottesstaat ihr Leben leben zu können. Wer sich nicht unterwerfen will, wird automatisch zum halsbrecherischen Lebenskünstler. Dieser gewaltige Unterschied zwischen Privatleben und Gesellschaft hat eine völlig schizophrene Gesellschaft hervorgebracht. Den verrückten Alltag der Menschen, die in dieser Gesellschaft leben müssen, wollen der Musiker Hossein Mohammadzadeh und ich durch Anekdoten, Musik und ein paar Gedichten dem Publikum etwas näherbringen.

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Profil für Benutzer Julian Nikolaus Rensi
Julian Nikolau… Fr., 27.10.2017 - 00:34

Eine wirklich wertvolle Initiative, dieser Austauschabend! Bedauernswert ist bloß, dass bei solchen Veranstaltungen regelmäßig die Leute fehlen, die das Wissen über die "fremde islamische Welt" und ihre Menschen scheinbar gepachtet haben und damit ihre Vorurteile festigen. Dabei wäre es wünschenswert, dass nicht nur BürgerInnen, die ohnehin eine gewisse Offenheit aufweisen, solche Angebote annehmen.

Fr., 27.10.2017 - 00:34 Permalink