salto.music | Bahnhofbar Eppan

Neue deutsche Bumtschak Welle

Dass Arno Dejaco zum „Tag der Bibliotheken“ ein Auftrittsangebot kriegen würde, verwundert nicht. Verwundert hat hingegen, wie gut sich das Projekt Bumtschak Welle in diesen Kontext eingefügt hat.
Bumtschack Welle live Bahnhofsbar Eppan (25.10.2024) (3)
Foto: rhd
  • Freitag, 25. Oktober 2024. Bahnhofbar, Eppan. Es ist in etwa 20 Minuten nach 20 Uhr. Es werden noch letzte Bestellungen aufgenommen, der für dieses Konzert eingerichtete aus zeitweilig ausgeräumte „Spieleraum“ ist gefüllt. Während auf der Terrasse Smalltalk praktiziert wird und im gegenüberliegenden Billard-Saal konzentriert gespielt wird, geht Sigrid Klotz, Bibliothekarin in Frangart, auf die Bühne und erzählt, warum Arno Dejaco und Magdalena Schwärzer mit ihrem gemeinsamen Projekt Bumtschak Welle hier sind. Kurz: Sie war begeistert gewesen, als sie sie live gesehen hatte, begeistert unter anderem davon, wie Wort und Musik auf unterschiedlichen Ebenen zusammenspielen würden. Was das Publikum an diesem Punkt nicht wusste: Klotz hat gespoilert, oder besser gesagt, sie hatte die Essenz des Abends perfekt eingefangen. 

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  • Bumtschak Welle ist ein Projekt, das Arno Dejaco und Magdalena Schwärzer – seit langem verheiratet übrigens – vor etwa zwei Jahren gestartet haben. Mitte August 2024 ist mit „Tuitata“ ihr Debüt-Album erschienen, und es waren Songs aus diesem Album – und einige neue, unveröffentlichte Songs – die einen Großteil des Programms ausgemacht haben.

    Wichtiger Teil des Sets waren aber natürlich auch die Texte von Dejaco selbst, die zwischen Poesie und Poetry-Slam durch das hiesige Sprachverständnis wilderten ... ohne Bosheit, aber mit sehr viel Sprachwitz und ständigem Augenzwinkern.

    So begann Dejaco beispielsweise einen Text mit „längst vergessenen Begriffen“ und triggerte damit den sentimentalen Hang zu versunkenen Vergangenheit des Südtiroler Alltags. Im Verlauf sollte sich aber herausstellen, dass sie Begriffe von Dejaco selbst stammten und letztlich ein poetisches, ultra-romantisches Naturbild ergaben. Es wurde eine falsche Spur gelegt, die wiederum in einer falschen Spur endete.

    Oder: Dejaco erzählt von drei Verkehrsschildern in der Nähe von Sterzing, die in die Weiler Thuins, Telfes und Tschöfs wiesen. Aus diesen drei Worten bauten Bumtschak Welle einen kurzen Après Ski-Techno-Track.

    Und auch einer der besten Songs des Abends kam aus dieser Richtung: „Zenzi“ enthält nicht nur den Titel des Albums, sondern unterstrich die verblüffende Fertigkeit von Dejaco und Schwärzer, aus den rhythmischen, klanglichen Bausteinen die der Dialekt bietet Songs zu stricken, die sich tief einprägen. „Zenzi beiß' die Zenn zomm“ wird uns genauso für eine Weile „verfolgen“, wie das Pustertaler „Tui tata tui tata...“.

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  • Die Band selbst findet für ihre Musik die geschmeidige treffende Umschreibung: „Elektro-Pop in zarter Trip-Hop Tradition“. Diese Umschreibung mag zutreffend sein, ist aber – subjektiv gesehen – unvollständig.

    Das Schöne an diesem Abend war die – relative – Undefinierbarkeit der Musik von Schwärzer und Dejaco. Etwas Chanson, etwas unterkühlter, deutscher Alternative-Pop, die elektronischen Elemente waren manchmal mehr, manchmal weniger prägend, und wenn Bumtschak Welle auch einmal fast so klingen wie The Doors bei „Riders On The Storm“, so bleibt doch ein bleibender Eindruck zurück: Bumtschak Welle sind – wegen der Texte, wegen der Arrangements, aber auch wegen Schwärzers Stimme – eine Brücke zur Neuen Deutschen Welle (entspannte Ideal oder eine ungiftige Nina Hagen) bzw. zum erwähnten deutschen Alternative-Pop von vor 20, 25 Jahren, 2raumwohnung etwa, Wir sind Helden oder so...

    Eine inspirierende, schöne Mischung, der man sehr gerne folgt.

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  • Dejaco griff hin und wieder zur akustischen/klassischen Gitarre, kümmerte sich ansonsten um die elektronischen Geräte vor sich oder nutze das Mikro für die Texte oder zum Singen.

    Magdalena Schwärzer hingegen spielte auf einem Synthesizer, der mit einem Loop-Pedal verbunden war. Auch sie nutzte ihr Mikro für's Singen.

    Die elektronischen Klänge waren gut gewählt, abwechslungsreich und angenehm und aufeinander abgestimmt. Zwar unterstrich Schwärzer mehrfach, dass die Vorbereitungen auf dieses Projekt intensiv waren, aber alles schien schön organisch zusammengefügt. Wie ein Koch/eine Köchin, die vor dem offenen Eisschrank steht und daraus etwas Leckeres zaubert.

    Gitarrensoli gab es keine, aber Schwärzer's Finger flogen immer wieder improvisierend über die Tastatur, wodurch die Kabarett-/Chanson-Atmosphäre  hin und wieder ins Pop-/Rock-Konzert kippte.

    Der gesamte Abend war gut ausbalanciert, niemand hatte Überhand, auch gesprochener Text und Musik hielten sich gut die Waage, aber am stärksten waren Bumtschak Welle dann, wenn Dejaco und Schwärzer gleichzeitig am Mikro waren, was an der zusätzlichen Energie liegen mag, die dadurch freigesetzt wurde.

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  • Es wäre geplant gewesen, an diesem Abend das Album von Bumtschak Welle als Vinyl unter die Leute zu bringen. Das hat nicht geklappt, weil das niederländische Presswerk in Insolvenz geraten ist und Dejaco's und Schwärzer's gemeinsame Platte nicht mehr gepresst hatte. Mitte April 2025, beim voraussichtlichen Konzert in der Carambolage in Bozen, sollte es dann soweit seit.

    Dejaco und Schwärzer vermittelten einen gelassene Eindruck, sie waren weder wütend noch zerknirscht, im Gegenteil. Online ist das Album ja abrufbar und im Liveset nimmt es sowieso einen zentralen Platz ein, auch wenn die beiden nur ein, zwei Mal darauf verweisen.

    Bumtschak Welle hat an diesem Abend geliefert: Satte 90 Minuten Musik, Poesie und flapsig-ironische Slampoetry … ohne die Zugabe, die noch folgen sollte.

    Wer ohne große Erwartungen zu diesem Abend gekommen war, konnte hier nicht nur den intellektuellen Tank etwas auffüllen, sondern kam auch in Sachen Humor und überraschender Musik auf seine/ihre Kosten. Ein Abend mit angenehmen Nachwirkungen.

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