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Was machen die mit unserem Internet?

Derzeit verhandeln EU-Politiker über die Zukunft des Internets. Viele interessiert das gar nicht. Außer die Jungen. Youtube bringt die Debatte in die Kinderzimmer.
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Foto: CC0

Ein junger Mann mit dunklen Locken spricht ernsthaft in die Kamera: „Internet potrebbe cambiare... Sarebbe come vivere in Corea del Nord.“ Im Hintergrund Klaviermusik. „Solamente che in questo caso la censura verebbe mascherata come protezione del Copyright“. Es ist der italienische YouTuber mit dem Künstlernamen Willwoosh, der plötzlich so ernst zu seinem Publikum spricht. Nicht sein Genre, normalerweise unterhält er mit „video sciocchi“, so nennt er es selbst. Aber es sind eben ernste Zeiten.

 

Was ist passiert?

Seit 2016 arbeitet man in der EU an einer Reform des Urheberrechts – gerade geht die Gesetzgebungsschleife in die Endrunde. Die Grundidee dabei ist, die Rechte der Eigentümer von Bildern, Fotos und Videos zu stärken, die online verbreitet werden, und mit denen viel Geld verdient wird. Die EU-Richtlinie, die das Urheberrecht regelt, stammt aus 2001, einer Zeit, in der es weder Facebook noch Youtube gab. Es braucht neue Regeln, sagen die Verfechter der Veränderungen. Die Gegner sehen das ein. Aber sie sagen auch: Der Vorschlag, der jetzt gute Erfolgschancen hat, macht mehr Probleme, als er löst.

 

Im September hat das EU-Parlament überraschend einem Entwurf für die neue Richtlinie zugestimmt (Salto berichtete). Jetzt haben sich Kommission, Rat und Parlament auf eine nur leicht geänderte Version des umstrittenen Textes geeinigt. Nur noch zwei Hürden muss er nehmen, um Richtlinie zu werden: Die Bestätigung durch die EU-Regierungen im Rat (dazu braucht es eine qualifizierte Mehrheit – 55% der Mitgliedsstaaten, die mindestens 65% der EU-Bevölkerung repräsentieren) und die Zustimmung des EU-Parlaments.

 

„Die haben das Internet nicht verstanden“

Warum die Aufregung? Ein zentraler Punkt der neuen Richtlinie ist, dass nicht mehr die einzelnen Nutzer für Urheberrechtsverletzungen haftbar sind, sondern die Plattformen selbst. Noch ist das anders. Nutzer können zum Beispiel Musik auf Youtube hochladen, an der sie keine Rechte haben. Je nachdem, wie bekannt das Stück ist und wie oft das Video geklickt wird, werden die Rechtsinhaber früher oder später darauf aufmerksam und melden es. Dann schaltet sich Youtube ein, kontrolliert die Inhalte und nimmt sie von der Seite, wenn Rechte verletzt werden – oder sorgt dafür, dass die Urheber auch Geld daran verdienen.

Jetzt sollen nicht mehr die Nutzer, sondern Youtube, Facebook und auch kleinere Plattformen selbst für die Inhalte verantwortlich sein, und zwar ab dem Moment, in dem ein Video hochgeladen wird. Das wird das Internet grundlegend verändern, meinen KritikerInnen.

 

Denn bei den Mengen Videomaterial, das jede Minute neu auf Youtube hochgeladen wird, geht das gar nicht anders als mit einer technischen Lösung: mit einem Filter, der das Material direkt mit einer Datenbank abgleicht, um Rechtsverstöße automatisch zu erkennen. Mit einem sogenannten Uploadfilter. Die funktionieren allerdings schlecht. Ein 5 Stunden Video mit statischem Rauschen sorgte bei der Kontrolle durch einen Algorithmus für gleich 5 Mahnungen wegen Urheberrechtsverletzung

KritikerInnnen zweifeln daran, dass Algorithmen sehr viel zuverlässiger werden könnten. Denn das Filtern ist komplex.

 

Freies Teilen in Gefahr

 

Besonders schwierig wird es bei Filmschnipseln, die Videomacher nutzen, um eigene Inhalte zu produzieren: Sie rezensieren beispielsweise Filme, oder parodieren sie, indem sie neue Texte über Dialoge sprechen. Das soll der neuen Richtlinie nach auch legal bleiben. Aber ein Algorithmus kann ein Zitat nicht von einer Raubkopie unterscheiden.

Und gerade für kleine Produzenten könnten die Filter bedeuten, dass ihre Inhalte nicht mehr verbreitet werden. Die Richtlinie, die ihre Rechte und Einnahmen sichern sollte, führt unter Umständen dazu, dass ihre Arbeit gar nicht mehr verbreitet wird.

 

Ähnlich vertrackt ist die Situation bei Memes und GIFs. Memes sind Bilder, die mit witzigen Zitaten versehen werden und GIFs sind sehr kurze Videos, oft Filmausschnitte. Sie werden von Privatpersonen für Privatpersonen gemacht, ohne kommerziellen Hintergrund und online millionenfach verbreitet. Das dürfte die Macher der zitierten Filme und Bilder, zum Beispiel von dem Waschbär unten) auch nicht stören, solang das Material nicht missbraucht oder kommerziell genutzt wird, zum Beispiel für Werbezwecke. Aber um Letzteres zu vermeiden, wäre wiederum kein Uploadfilter notwendig.

 

Prinzipiell wollen die Gesetzgeber auch kleine Anbieter und nicht-kommerzielle Plattformen ausnehmen, zum Beispiel Wikipedia. Das haben sie in den Entwurf geschrieben. Aber was, wenn auf kleinen Seiten wie Salto.bz Screenshots hochgeladen werden – wird das ein Problem sein? Und wer ist verantwortlich für die Kontrolle?

 

Widersprüchlicher Entwurf

 

Die Verfechter der Reform wollen sie noch in dieser Legislaturperiode beschließen. Vielleicht ist es der Eile geschuldet, dass der Entwurf der Richtlinie in vielen Teilen widersprüchlich und unklar ist. JuristInnen beklagen, er würde der Materie nicht gerecht und sorgte für Chaos (diese Kanzlei hat die Frage aufwändig aufbereitet und erklärt Details).

Unter dem Hashtag #saveyourinternet haben deutsche Youtube-Promis der deutschen Justizministerin Katharina Barley fast 5 Millionen Unterschriften überreicht. Leute, die sonst Videos online stellen, in denen sie sich schminken, Videospiele spielen, die Welt erklären und Filme parodieren, werden nun zu AktivistInnen und rufen ihr junges Millionenpublikum zu Demos auf. In Deutschland richtet sich der Zorn dabei gegen die CDU. Denn der EU-Parlamentarier Axel Voss hat die Reform maßgeblich vorangetrieben und verteidigt.

 

Während viele Erwachsene noch keine Ahnung von der Materie haben, politisieren sich ihre Kinder. Kurz vor den EU-Wahlen beschäftigen sie sich plötzlich damit, wie eine EU-Richtlinie zustande kommt, um zu verstehen, was sie noch tun können. Am besten auf die Straße gehen, damit das EU-Parlament diesem Entwurf nicht wie geplant zustimmt, sagen KritikerInnen. Ende März bis Mitte April wird es soweit sein – zur Enttäuschung oder Euphorie der jungen Fans der Internetkultur. Wie es rund um Arikel 13 weitergeht, wird bei vielen ErstwählerInnen den Blick auf die EU verändern, so oder so.