Nichts Neues unter der Sonne. Hatte die Fünf-Sterne-Bewegung durch Jahre die Verteilung der politischen Pfründe durch die Parteien empört abgelehnt, so praktiziert sie diese mittlerweile selbst. Um die Verteilung der fast 40 Posten an die Staatssekretäre wurde über Wochen gefeilscht. Mit dem bewährten System der veti incrociati wurden unliebsame Kandidaten der gegnerischen Fronten blockiert.
Die Fünf-Sterne-Bewegung sicherte sich mit neun Posten den fettesten Anteil. Mit von der Partie ist auch der ehemalige Fraktionssprecher Carlo Sibilia – ein hartnäckiger Leugner der Mondlandung: "Lo sbarco sulla luna? Ancora oggi nessuno si sente di dire che era una farsa."
Noch peinlicher waren seine Entgleisungen gegen Mario Draghi als Präsident der EU-Notenbank, den er in den vergangenen Jahren als "Bankster" beschimpft hatte: "Andrebbe arrestato."
Warum im endlosen Postengerangel die Lega-Vertreterin Lucia Borgonzoni das Amt als Staatssekretärin im Kulturministerium ergatterte, bleibt rätselhaft. Vielleicht, weil sie letzthin in einem Interview erklärt hatte: "Non leggo un libro da tre anni."
Die Fünf-Sterne-Bewegung stemmte sich zwei Wochen lang gegen die Reduzierung von 13 auf 11 M5S-Staatssekretäre. Dabei hat sie in den vergangenen Monaten mit dem Verlust von 54 Abgeordneten und 31 Senatoren einen politischen Erdrutsch erlitten. Keine Woche ohne Austritte – ganz nach Grillos Motto "Apriremo il parlamento come una scatola di tonno."
Nun versucht sie, Giuseppe Conte zur Rückkehr zu bewegen. Der Ex-Premier soll denVorsitz der Bewegung übernehmen. Denn das in den Turbulenzen der vergangenen Wochen beschlossene 5-köpfige Führungsgremium hat sich als Totgeburt erwiesen. Niemand will Mitglied werden – aus Furcht, im Dauerstreit verheizt zu werden. Conte zeigt sich nicht abgeneigt, ist aber nicht Mitglied des M5S und will es dem Vernehmen nach auch nicht werden. In Grillos Ferienhaus in Bibbona an der toskanischen Küste soll in den nächsten Tagen ein Treffen stattfinden, an dem Beppe Grillo, Luigi Di Maio, Roberto Fico, Davide Casaleggio und Conte teilnehmen.
Auch im Partito Democratico knistert es gefährlich. Alle fünf neuen Staatssekretäre sind Frauen – als Wiedergutmachung für die verweigerten Ministerposten. In der Partei gärt es freilich schon seit seit vielen Wochen. Nicola Zingaretti hat die Absicht dementiert, bei der Assemblea Nazionale am 13. März als Parteichef zurückzutreten. Dort wird die grosse resa dei conti erwartet. Als möglicher Kandidat für die Nachfolge gilt der emilianische Präsident Stefano Bonaccini. Ein weiterer Anwärter ist Bergamos Bürgermeister Giorgo Gori: "Credo che si debba partire dai nostri valori, dalla nostra visione della società, dalle istanze che vogliamo rappresentare. E crescere: nessun partito che si barcamena tra il 18 e il 20 per cento può pensare di guidare il paese." Zingaretti fordert eine Wiederbelebung der Partei – ohne tägliche Polemiken: "Se per sbaglio provassimo a non polemizzare su tutto..."
Fazit: Sowohl PD als auch 5 Sterne-Bewegung können derzeit nur hoffen, dass die für Mai vorgesehenen Wahlen in Grosstädten wie Rom, Mailand, Neapel, Turin und zahlreichen anderen Gemeinden verschoben werden. Dank Covid.
