Kultur | Kuriose Debatte

Victor und Victoria Trimondi über Religionen

Die Beiden haben ein online-Magazin und betreiben kreative Kulturdebatte. Interessant eine Rezension von 2006 über ihr Buch "Krieg der Religionen" .
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Süddeutsche Zeitung

Beilage zur Leipziger Buchmesse

14. März 2006

 

Der Friede hängt an einem weißen Haar

 

Drei Gotteshäuser nebeneinander – das klingt wie ein Rezept für Mord und Totschlag – Victor und Victoria Trimondi spüren die apokalyptische Matrix der drei monotheistischen Religionen auf

 

Von Burkhard Müller

 

Wer meint, dass die drei großen monotheistischen Religionen zum Frieden raten, der träumt. Was ist Gott? Gott ist ein Hammer, lesen wir beim Propheten Jeremias. „Und ich zerschmettere mit dir Mann und Weib, und ich zerschmettere mit dir Greis und Knabe, und ich zerschmettere mit dir Jüngling und Jungfrau. Und ich zerschmettere mit dir Hirt und Herde, und ich zerschmettere mit dir Pflüger und Gespann und ich zerschmettere mit dir Statthalter und Landpfleger.“

 

Das ist jüdischen Ursprungs; aber auch das Christentum lässt sich nicht lumpen. „Dann sah ich einen Engel, der in der Sonne stand. Er rief mit lauter Stimme allen Vögeln zu, die hoch am Himmel flogen: kommt her! Versammelt euch zum großen Mahl Gottes. Fresst Fleisch von Königen, von Heerführern und von Helden, Fleisch von Pferden und ihren Reitern, Fleisch von allen, von Freien und Sklaven, von Großen und Kleinen!“ So steht es in der Geheimen Offenbarung des Johannes.

 

Und der Prophet Mohammed spricht: „Die leichteste der Höllenstrafen trifft den, der Schuhe aus Feuer tragen muss, so dass ihm das Hirn im Schädel kocht wie das Wasser in einem Kupferkessel auf dem Herd. Er wird glauben, dass es keine schlimmere Tortur gibt, aber in Wirklichkeit ist das die leichteste der Strafen.“

 

Das Buch Krieg der Religionen. Politik, Glaube und Terror im Zeichen der Apokalypse von

Victor und Victoria Trimondi präsentiert sich als ein unerschöpfliches Schatzhaus der Zitate. Man mag es kaum glauben, welche Orgien aus Feuer und Blut in den drei Heiligen Schriften erscheinen und mit welcher Wut und Genugtuung sie von ihren modernen Verkündern gefeiert und eingefordert werden.

 

Solch unüberwindlichem Gefühl, im Recht zu sein, solch dummböser Wucht hat ein liberaler Theologe oder ein aufgeklärter Mensch schlechterdings nichts entgegenzusetzen. Wie schon Thomas Mann vor 70 Jahren mit Bezug auf den Faschismus gesagt hat: wer etwas will, wird immer dem, der bloß etwas nicht will, an Kräften überlegen sein. Diese Prediger und Politiker, wie sehr sie sich gegenseitig hassen, wollen dasselbe, sie wollen den totalen Krieg, und einer betrachtet den anderen als unentbehrliches Mittel, das Weltende herbeizuführen.

 

Das Buch hat gewisse Schwächen. Es ist teilweise schlampig lektoriert, englische Zitate werden nachlässig übersetzt („heiliger Platz“ für, mutmaßlich, holy place), der arabische Name für Jerusalem al-Quds ist durchgehend zu al-Ouds verschrieben, und ähnliche Dinge mehr. Das ist schade, denn es beeinträchtig den Eindruck sorgfältiger Recherche, den man sonst gewinnt. Der größte Nachteil besteht im Umfang: nahezu 600 dicht beschriebene Seiten – zuviel für den interessierten Laien, so viel fast, das es zur Quelle herabsinkt, aus der ein handliches Buch erst herauszuziehen wäre. Hier wird es zur Aufgabe des Rezensenten, die zentralen Aspekte eines voluminösen, aber wichtigen Werkes in knapper Weise zu referieren.

 

  1. Der gegenwärtige Weltkonflikt ist als ein „clash of cultures“, ein  Krieg der Kulturen, unzulänglich beschrieben; es sind die Religionen, die übereinander herfallen. Das ist die Hauptthese.
  2. Es hilft nichts, davor die Augen zu verschließen und so zu tun, als wären die Extremisten überall nur eine Randgruppe; sie bilden zunehmend den harten, energiegeladenen Kern ihrer jeweiligen Religionen.
  3. Deren gemäßigten Vertreter, zum Beispiel in Deutschland die zwei großen Kirchen, täten, wenn sie Herr im eigenen Haus bleiben wollen, gut daran, sich auch und gerade mit den Abschnitten ihrer Heiligen Texte auseinander zusetzen, die von Hass und Mord sprechen, statt Stellen, die ihnen nicht passen, zu beschweigen oder wegzuinterpretieren.
  4. Die „apokalyptische Matrix“ hat unwiderstehliche Definitionsmacht über ihre Gegner; der aufgeklärte Westen ist hilflos dagegen, dass er in die Rolle des „Antichrist“ oder des „großen Satan“ hineingedrängt wird: das herrscht ihm der Aggressor auf, darauf muss er reagieren.
  5. Die apokalyptischen Vorstellungen der drei Religionen haben sich, sosehr sie sich auch auf uraltes Schriftgut berufen, in einem dynamischen und überaus rasch verlaufenden Prozess ineinander zu genauer Entsprechung verzahnt, und zwar erst vor relativ kurzer Zeit.
  6. Das betrifft besonders die Geografie: alle drei sind sich einig, dass der apokalyptische Endkampf im Nahen Osten, speziell im Heiligen Land stattfinden wird. Darum kann keiner dort einen Fußbreit Boden aufgeben.
  7. Es sind wirklich drei und nicht zwei Parteien, die dort aufeinanderprallen werden; denn die machtvolle Unterstützung, die der Staat Israel durch die christlichen Fundamentalisten erfährt, ist am Horizont des Weltendes als ein rein taktischer Zug einzuschätzen: Alle Juden werden zum Schluss zu Christus konvertieren oder aber umkommen, was wohl heißt: ermordet werden. Das wissen Israelis und Fundamentalisten, halten es beide aber für klug, dies nicht an die große Glocke zu hängen.
  8. Das Endspiel hat schon begonnen! Und zwar spätestens mit der amerikanischen Besetzung des Irak, der ganz unmittelbar mit dem alten Babylon gleichgesetzt wird, welches sich in der Tat nur wenige Kilometer von Bagdad entfernt befindet. Seither beben die drei Bekenntnisse vor Erwartung.
  9. Der Antagonismus gipfelt im Jerusalemer Tempelberg; hier ist der Knopf, auf den man drücken muss, wenn man die Welt in die Luft sprengen will.
  10. Aber diese Gefahr enthält auch eine Chance: Sollte es gelingen, diesen Zünder zu entschärfen, dann könnte, so aussichtslos es heute auch scheint, die Explosion der Bombe vielleicht doch unterbleiben.
  11. Wie kann das geschehen, wenn alle drei Religionen unversöhnlich exklusiven Anspruch auf diese knapp zwanzig Hektar erheben? Drei Gotteshäuser nebeneinander, das klingt wie ein Rezept für Mord und Totschlag. In ein einziges werden sie sich nicht zusammenziehen wollen. Der Lösungsvorschlag der Autoren lautet: Legen wir dort oben einen Garten an! Alle drei Religionen sind sich einig, dass der unschuldige Anfang wie das erlöste Ende die Züge eines Gartens tragen. Warum ihn nicht hier, an der symbolisch bedeutsamsten Stelle der Erde, errichten? Dieser Vorschlag ist der originellste Beitrag des Buches.
  12. Dies würde bedeuten, dass die beiden muslimischen Heiligtümer, der Felsendom und die al-Aksa-Moschee, zu weichen hätten; man könnte sie abtragen und ein paar hundert Meter weiter weg neu aufbauen. Wie wahrscheinlich ist es, dass die Muslime da mitspielen?  Sie befinden sich im Heiligen Land in einer schwachen Position und haben eigentlich nicht in der Hand als diese beiden Gotteshäuser. Aber, geben die Autoren zu bedenken, wenn die zwei Moscheen bleiben, wo sie sind, werden sie früher oder später garantiert von jüdischen, christlichen oder selbst muslimischen Terroristen in die Luft gejagt.

 

Einstweilen hängt das Schicksal des Nahen Ostens an einem Haar. Das ist nicht nur metaphorisch zu verstehen: Sobald es gelingt, eine in jeder Hinsicht vollkommene rote Kuh zu züchten, diese zu schlachten, zu verbrennen und aus der Asche durch Verdünnung mit Wasser eine Flüssigkeit gewinnen, die der Reinigung der gläubigen Juden dient, darf mit der Konstruktion des dritten jüdischen Tempels begonnen werden. Die Grundsteine sind schon geschnitten und warten im Depot. Vor einigen Jahren schien es, als wäre es soweit. Rabbi Yehuda Etzion jubelte: „2000 Jahre haben wir auf das Zeichen Gottes gewartet, und jetzt hat er uns mit einer roten Kuh beschenkt!“ Da fand sich, kurz bevor es so weit gewesen wäre, ein weißes Härlein in der Schwanzquaste. Essig war es mit dem dritten Tempel – für jetzt.

 

Solche lehrreichen Geschichten enthält das Buch. Ihre Lehre ist der Schreck: Diese Geistesart existiert, sie steht Europa fern, daher neigen wir zu ihrer Unterschätzung, aber sie kommt uns näher; sie lässt mit sich nicht reden, und das Furchtbare an ihr ist, dass die Todfeinde zusammenpassen wie Schlüssel und Schloss an der Tür zum Abgrund. Diese Gefahr, die in den Nachrichten mal hier und mal da eine Schnuppe aufblitzen lässt, in ihrer Gesamtgestalt des Drachen mit den drei Leibern vorgeführt zu haben, ist das beträchtliche Verdienst dieses Buches.

 

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