Gesellschaft | Reform

Harte Zeiten für die Autonomie

Die Südtiroler Autonomie im Zentrum der Diskussion: Was die deutschsprachige Opposition kritisiert und ein Mailänder Professor rät.

Auf gleich zwei Veranstaltungen wird am morgigen Freitag, 27. November, die Zukunft der Südtiroler Autonomie diskutiert. Dass Diskussionsbedarf besteht, ist wohl nicht von der Hand zu weisen. Hier die Attacken von der deutschsprachigen Opposition an dem Vorhaben, die Autonomie mittels Konvent zu überarbeiten. Und dort ein italienischer Verfassungsrechts-Experte, der die Südtiroler anmahnt, weise und vorausschauend mit ihrem Sonderstatus umzugehen, denn die anstehende Verfassungsreform habe die letzte Runde im Rennen der Autonomien eingeläutet.


Mailänder Rat

Für 9 Uhr ist die Tagung “Ripensare e rilanciare l’autonomia provinciale e regionale nella dimensione europea” an der Universität Bozen am Freitag angesetzt. Zu Gast wird unter anderem der Professor für Verfassungsrecht an der Mailänder Universität Cattolica, Enzo Balboni, sein. Er sagt den Provinzen mit Sonderautonomien harte Zeiten voraus: “Nichts wird mehr wie vorher sein, weil in Zeiten von fehlenden Ressourcen von allen und damit auch von euch Opfer gefordert werden”, meint Balboni im Gespräch mit dem Alto Adige. Durch die Verfassungsreform, die er als eindeutig zentralistisch definiert, verlören die Regional- und Lokalautonomien zusehends an Bedeutung. Dass die Provinzen Bozen und Trient derzeit noch gut dastünden, sei vor allem deren Abgeordneten im Parlament, allen voran den Senatoren zu verdanken. Doch dadurch habe man es nur geschafft, eine “Verlangsamung der staatlichen und römischen Zentralisierung” zu erwirken, die laut Balboni “zügigen Schrittes” voranschreitet. Die Herausforderung, der sich die Provinzen mit Sonderstatus nun stellen müssten, definiert der Verfassungsrechtler folgendermaßen: “Nur wenn ihr wirklich daran glaubt und allen zeigt, dass eure spezielle Autonomie kein Privileg ist, das ihr auf ewig geerbt habt, sondern eine Form demokratischer Verwaltung, die von allen begrüßt und geteilt wird, werdet ihr es schaffen, zu bestehen und voranzukommen.”

La campana dell’ultimo giro della corsa sta per cominciare a suonare.
(Enzo Balboni)

Eine in der Bevölkerung gefestigte Südtiroler Autonomie sei unabdingbar, auch für den Fortbestand der restlichen Autonomien in Italien, ist Balboni überzeugt. “Non possiamo permetterci che vengano meno ulteriori luoghi di elaborazione e di azione ove si praticano l’autogoverno e la mediazione sociale”, so sein Appell an die Südtiroler.


Irritierte Opposition

Balbonis Aufruf könnte ein passender Einleitungssatz für die zweite Veranstaltung am Freitag Abend sein. Um 18 Uhr wird Landtagspräsident Thomas Widmann und Elisabeth Alber vom Institut für Föderalismus- und Regionalismusforschung an der EURAC mit dem Publikum über die Frage “Südtirol mitdenken oder nicht?” diskutieren. Es geht um den viel zitierten und von manchen Seiten kritisierten Autonomiekonvent. Auf diesem soll bekanntlich das Südtiroler Autonomiestatut überarbeitet und an die heutigen Zeiten angepasst werden.

Zuletzt hatte der Wien-Besuch von Landeshauptmann Arno Kompatscher und SVP-Obmann Philipp Achammer in Wien die Wogen um dieses Thema ein weiteres Mal hochgehen lassen. Am Montag waren Kompatscher und Achammer beim österreichischen Bundespräsident Heinz Fischer zu Gast. Treffen gab es außerdem mit Vizekanzler Reinhold Mitterlehner und Außenminister Sebastian Kurz. Neben Themen wie die doppelte Staatsbürgerschaft und die aktuelle Flüchtlingskrise stand vor allem die anstehende Reform der italienischen Verfassung sowie die darin vorgesehene Revision des Südtiroler Autonomiestatus im Zentrum der Gespräche. Nur wenn auch das “Vaterland Österreich” zustimme, werde Südtirol sein Einvernehmen zur Überarbeitung des Autonomiestatuts geben, so das Ergebnis des Treffens, wie der Landeshauptmann im Anschluss erklärte:

Ich habe meinen Gesprächspartnern heute mitgeteilt, dass wir die geplante zentralistische Ausrichtung des italienischen Staatsgefüges für den falschen Weg halten. Gleichzeitig müssen wir aber feststellen, dass wir diese von einer breiten Mehrheit im Parlament getragenen Reform - zumindest in Bezug auf das restliche Staatsgebiet - nicht verhindern können. Nach intensiven Verhandlungen ist es unser aber gelungen, eine Schutzklausel einzubauen, die Südtirol von dieser Reform ausnimmt, bis das Südtiroler Autonomiestatut einvernehmlich überarbeitet wird. Einer solchen Überarbeitung wird Südtirol allerdings nur zustimmen, sofern unsere verbrieften Rechte einschließlich der internationalen Verankerung der Südtirol-Autonomie uneingeschränkt garantiert werden. Die Zustimmung zur Überarbeitung des Autonomiestatuts wird es also nur geben, sofern die Republik Österreich, als Signatarstaat des Pariser Vertrages mit entsprechender Schutzfunktion für Südtirol, ebenfalls einverstanden ist.

Dadurch wolle man garantieren, dass die durch die Verfassung angepeilte Zentralisierung “keine negativen Auswirkungen auf Südtirols Autonomie haben darf”, fügte SVP-Obmann Achammer hinzu.

“Es ist enttäuschend, wie der Landeshauptmann und SVP-Obmann in Österreich die Auswirkungen der italienischen Verfassungsreform beschwichtigen und um die Überarbeitung des Südtiroler Autonomiestatuts, deren Zielrichtung höchst fragwürdig ist, werben”, kritisieren die Freiheitlichen die Wien-Reise der beiden Landespolitiker. Die österreichische Regierung würde angesichts der “nie und nimmer tragbaren” autonomiepolitischen Positionen, die der SVP-Partner PD vertrete, besser daran tun, der Überarbeitung des Autonomiestatuts nicht zuzustimmen. Und überhaupt gehöre der Autonomiekonvent abgesagt, unterstreichen die Freiheitlichen ihre alte Forderung. Als “zutiefst widersprüchlich” bezeichnet indes Andreas Pöder die “unterschiedliche Vorgangsweise der SVP-Führung in Rom und Wien zur italienischen Verfassungsreform”: “In Rom stimmt die SVP ohne Not für die zentralistische Verfassungsreform und vergibt somit der Autonomiegruppe im Senat die Chance, die Reform zu kippen. In Wien jammern Landeshauptmann Kompatscher und SVP-Obmann Achammer dann über die Verfassungsreform, der sie in Rom zugestimmt haben”, zeigt sich Pöder irritiert. Der Diskussionbedarf in Sachen Autonomie ist offensichtlich. Vielleicht ergreifen ja die eine oder der andere Oppositionspolitiker und Kritiker die Chance, und lassen sich auf einen der beiden Veranstaltungen am Freitag blicken – und hören.