Kultur | Geschichte

Trotz alledem

Das neue Gaismair-Jahrbuch diskutiert Antisemitismus und Islamfeindlichkeit und bringt weitere spannende Beiträge. Der Band kommt passend zur Wahl des Bundespräsidenten.
Trotz alledem
Foto: Gaimair-Gesellschaft

Horst Schreiber, Monika Jarosch, Elisabeth Hussl und Martin Haselwanter sind die Herausgeber des Gaismair-Jahrbuch 2017. Meinungsfeiheit, Menschenrechte Relgionskritik nennt sich der erste Teil des Bandes. Er umfasst Aufsätze über Warum wir fremde Kulturen nicht respektieren sollten – und die eigene nicht (Sama Maani), oder Antisemitimus und Islamfeindlichkeit im 21. Jahrhundert (Helga Embacher). Heiko Heinisch, Nina Scholz und Martin Haselwanter setzen sich in ihren Beiträgen mit islamischen Angriffen, Menschenrechtsverletzungen im Namen von Religion und Tradition und der politischen Linken und ihr Verhältnis zum Islam auseinander.

Der zweite Teil widmet sich dem Antiziganismus – einer spezifischen Form des Rassismus. Es geht um Vorurteile, Antiziganismuskritik, die Bedeutung und Sinnhaftigkeit der Zigeuner-Maskerade am Beispiel der Tiroler Fasnacht um 1900, über Angst und Liebe, „Roma RauSS“, Antiziganismus heute in Vorarlberg und um Roma-Aktivisten 2.0. Die Experten und Expertinnen zu diesem Thema sind: Sieglinde Schauer-Glatz, Markus End, Tobias Neuburger, Gilda-Nancy Horwath, Ferdinand Koller, Andrea Härle und Samuel Mago. Der nächste Themenblock ist der Psychiatrie gewidmet und stellt den Satz: Missachtung und Anerkennung auf Einzigartigkeit in den Raum. Oliver Seifert schreibt über das Schicksal der Patientinnen der Heil- und Pflegeanstalt Hall, Andrea Sommerauer über den Umgang mit Verbrechen der NS-Euthanasie in Tirol, Waltraud Kannonier-Finster und Meinrad Ziegler über die Anerkennung eigensinniger Weltansichten.

Zudem werden Vergangenen Zeiten? thematisiert, etwa im Beitrag zum Tod eines unangepassten Hausmädels im KZ Auschwitz (Elisabeth Gabner-Niel), im Aufsatz zum Suevia-Denkmal in Innsbruck (Sophia Reisecker und Helmuth Muigg), oder zur Geschichte einer Gedenknische im Kaufhaus Tyrol. Horst Schreiber beschreibt eine kapitalistisch gereinigte Erinnerungskultur, an der auch ein in Südtirol bestens bekannter René Benko nicht unbeteiligt ist. Seit Juli 2010 erinnert eine Gedenktafel im Erdgeschoß des Kaufhauses in Innsbruck, an die Geschichte der jüdischen Familien Bauer und Schwarz. Nach der Machtübernahme der Nazis boykottierten die Nationalsozialisten das Warenhaus und trieben es in den Konkurs. Die Familien Bauer und Schwarz wollten so schnell als möglich aus Tirol fortkommen. Viele Familienmitglieder konnten ihr Leben nicht retten. René Benko enthüllte 2010 gemeinsam mit der Präsidentin der Isrealitischen Kultusgemeinde für Tirol und Vorarlberg die Gedenktafel an die einstigen Besitzer. Nur sechs Jahre später präsentiert sich die Erinnerungstafel „zweckentfremdet“, daneben ein Bancomat zum Geldabheben. 

Mit dem Tod der Tabaktrafiken und literarischen Beiträgen, die der Autor Christoph W. Bauer zusammengestellt hat, schließt das Jahrbuch. Unter anderem mit den folgenden lyrischen Zeilen von Christian Futscher:

Während sie sich
einen Krimi anschaut,
bevor sie dann im Bett
an einem Krimi weiter liest,
sage ich im Nebenzimmer
leise vor mich hin:
           Gedichte
           Gedichte

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