Wirtschaft | Banken

„Das Klima hat sich geändert“

Rechtsanwalt Massimo Cerniglia über die Sammelklagen gegen die Sparkasse, die Verantwortung der Bank und die Notwendigkeit, sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen.

Salto.bz: Herr Professor Cerniglia, wollen Sie und die Verbraucherzentrale die Südtiroler Sparkasse zu Grunde richten?

Massimo Cerniglia: Nein, wir wollen die Sparkasse nicht ruinieren. Wir wollen, wie es die Römer ausgedrückt haben, ein „amicus curiae“ sein. Wir wollen – immer unter Einhaltung der gegenseitigen Rollen – den Banken helfen, dass sie ihre Arbeit als Bank besser machen. Wir wollen, dass die Banken aus den ganzen Finanzskandalen endlich etwas lernen. Jedesmal sagt man: „Wir machen das jetzt anders“. Dann aber fällt man immer wieder in denselben Trott zurück und macht dieselben Fehler. Wir sind nicht gegen die Sparkasse. Ganz im Gegenteil: Wir befürworten ganz besonders Regionalbanken, weil sie im Gegensatz zu den großen Multis viel näher an den Menschen und Sparern sind. Wir verlangen aber auch von der Sparkasse, dass sie ihre Hausaufgaben macht und sich im Umgang mit den Kunden korrekt verhält.

„Wir sind nicht gegen die Sparkasse. Wir verlangen aber auch von der Sparkasse, dass sie ihre Hausaufgaben macht und sich im Umgang mit den Kunden korrekt verhält.“

Sie haben vor wenigen Tagen eine Sammelklage von 120 Dolomit-Anlegern beim Bozner Landesgericht eingereicht. Es geht dabei um über drei Millionen Euro. Eine realistische Forderung?

Wir haben diese Sammelklage eingereicht, in der wir gleichartige Positionen von 120 Anlegern zusammengefasst haben. Vorausgegangen ist eine lange und kapitale Vorarbeit. Denn wir haben 14 Monate lang insgesamt über 400 Dolomit-Anleger interviewt, die in der Verbraucherzentrale vorstellig wurden und davon 120 Anleger ausgewählt, die unserer Meinung nach die Voraussetzungen haben, eine Klage einzureichen. Das heißt, wir haben eine strenge Vorauswahl getroffen. Alle jene, die keine Chance haben vor Gericht Recht zu bekommen, haben wir aussortiert. Deshalb sind wird umso mehr davon überzeugt, dass dieser Gang vor Gericht für die Kläger positiv ausgehen wird.

Es gibt von Ihrer Seite zum Dolomitfonds bereits eine Art Pilotklage?

Ja. Ich habe für vier Dolomit-Anleger vor zwei Jahren beim Landesgericht eine Klage eingereicht. Dieses Verfahren ist voll im Gang. Erst im November 2015 haben wir die ersten Zeugen angehört. Eine weitere Verhandlung gibt es Mitte Februar. Der Richter hat sich bereits vorbehalten, einen Gerichtsgutachter zu ernennen, der abklären soll, welches Risikoprofil die Dolomit-Anteile hatten. Denn eines unserer Hauptargumente ist die falsche Klassifizierung des Fonds. Die Dolomit-Anteile hatten von Anfang an ein hohes Risiko, während die Bank die Anteile weit niedriger eingestuft hat.

Sie sind nach dem extremen Kursfall der Sparkassen-Aktien auch dabei, eine Sammelklage von Sparkassen-Aktionären einzubringen?

Seit Monaten hören wir hunderte Personen an, die Geld in die Sparkassen-Aktien investiert haben. Auch hier wählen wir die Fälle ganz bewusst aus, damit die Sammelklage auch wirklich Aussicht auf Erfolg hat. Dabei kommt dieselbe Problematik zu Tage. Noch mehr als beim Dolomit-Fonds, ist es hier – nach unserer Auffassung – zu schwerwiegenden Nachlässigkeiten gekommen. Etwa die Tatsache, dass die meisten Anleger ihre gesamten Ersparnisse in Sparkassen-Aktien angelegt haben und sich somit ihr Risiko deutlich erhöht hat.

„Noch mehr als beim Dolomit-Fonds, ist es beim Aktienverlauf zu schwerwiegenden Nachlässigkeiten gekommen. Etwa die Tatsache, dass die meisten Anleger ihre gesamten Ersparnisse in Sparkassen-Aktien angelegt haben und sich somit ihr Risiko deutlich erhöht hat.“

Auch die Börsenaufsicht CONSOB kommt in ihrem Inspektionsbericht zum Schluss, dass die Sparkasse bei der Bewertung und dem Verkauf der eigenen Aktien gegen bestehende Bestimmungen und Gesetze verstoßen hat. Für die Kläger eine Art Elfmeter?

Ja. Denn die Vorhaltungen der CONSOB bestätigen genau das, was wir in unseren Schriftsätzen behaupten.

Hat es bisher keine Signale von Seiten der Sparkasse gegeben?

Wir hatten im Mai/Juni 2015 mehrere Treffen mit der Führungsspitze der Bank. Es waren durchaus angenehme und freundliche Gespräche. Es ging darum eine außergerichtliche Einigung zu erzielen. Doch am Ende kam nichts heraus. Alle Vorschläge, die wir gemacht haben, wurden von der Bank abgelehnt.

Welche Vorschläge waren das?

Einer unserer Kernvorschläge ist die Einrichtung einer paritätischen Kommission. Eine Kommission, in der Vertreter der Bank und der Verbraucherschützer sitzen und die kritische Streitfälle beim Verkauf oder der Klassifizierung von Finanzanlagen durch die Bank analysiert und bestenfalls die Streitfälle löst. Wir sind diesen Weg bereits mit großen nationalen Banken sehr erfolgreich gegangen. Deshalb würde wir uns wünschen, dass auch die Sparkasse diesen Vorschlag ernst nimmt.

„Alle Vorschläge, die wir gemacht haben, wurden von der Bank abgelehnt.“

Die Verbraucherzentrale fordert auch mehr unabhängige Vertreter in den Verwaltungsräten der Banken?

Ja. Die Situation ist recht klar: In den Verwaltungsräten vieler Banken sitzen Personen, die kaum eine Legitimation für ihre Amt haben. Sie werden zwar von der Politik oder von gewissen Lobbys gestützt, aber sie sind kaum wirklich repräsentativ. Die Sparer, die Kunden der Banken und die Konsumenten, also die wichtigsten Komponenten, sind aber kaum vertreten. Deshalb haben wir jetzt einen konkreten Vorschlag lanciert: In die Verwaltungsräte der Lokalbanken sollen auch Vertreter der Verbraucherschutzorganisationen aufgenommen werden. Diese Personen sollen neben dem Wohl der Bank auch ein Auge auf die Bedürfnisse der Sparer und Anleger werfen. Und auch auf die Transparenz.

„In den Verwaltungsräten vieler Banken sitzen Personen, die kaum eine Legitimation für ihre Amt haben.“

Glauben Sie, dass die Führung der Sparkasse das Risiko dieser Sammelklagen unterschätzt?

Nein, das glaube ich nicht. Eher ist es so, dass man nicht geglaubt hat, dass die Verbraucherzentrale ernst macht. Jahrelang hat man zwar gewisse Situationen aufgezeigt, doch es hat kaum rechtliche Folgen gegeben. Während es in anderen Regionen in Italien Tausende Urteile zugunsten von Sparern gab, war auch hier Südtirol lange Zeit ein weißer Fleck. Vor zweieinhalb Jahren haben wir nach dem Lehmann-Crash dann am Bozner Landesgericht das erste Urteil gegen eine Bank erwirkt. Damit wurde klar, dass Sparer auch in Südtirol vor Gericht Recht bekommen, wenn sie ihre Anliegen seriös und dokumentiert vorbringen. Diesen Klimawandel vor Gericht dürfte die Sparkasse etwas unterschätzen.

Für die Sparkasse stehen viele Millionen Euro auf dem Spiel?

Die Klagen, die bis jetzt eingereicht wurden, sind von den finanziellen Forderungen nicht vernichtend. Die Bank könnte durch eine Einigung das Risiko deutlich vermindern. Denn wenn die Klagelawine bei den Aktionären losgeht, dann steht weit mehr auf dem Spiel. Es gibt immerhin 24.000 Kleinaktionäre. Dann könnte es wirklich ernst werden.

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alfred frei Do., 28.01.2016 - 09:01

Es wäre an der Zeit, daß die "politische Verwaltung" der Sparkasse in der Agenda der kommenden Beziehungen SVP - PD (Kompatscher - Achammer - Costa - Tommasini) im Sinne eines neuen Autonomieverständnisses Platz findet. Oder nicht ?

Do., 28.01.2016 - 09:01 Permalink