Gesellschaft | Südtirol-Wien

GeBallte Gegenfront

Ein Bündnis aus Südtirol protestiert am Freitag gegen den heurigen Wiener Akademikerball und das Antanzen von Rechten aus ganz Europa: "Solche Leute brauchen wir nicht!"

Die Wetterprognosen sind vielversprechend: Nach morgendlichen Regenschauern soll es am Freitag Sonne und einige Wolken in Wien geben, dazu Temperaturen zwischen 6 und 10 Grad plus. Die ideale Temperatur, um in dieser Jahreszeit auf die Straße zu gehen. Genau das haben auch dieses Jahr wieder tausende Menschen in der österreichischen Hauptstadt vor, wenn die Freiheitliche Partei Österreichs, kurz FPÖ, am 29. Jänner zum vierten Wiener Akademikerball lädt. Mit dabei zum ersten Mal: ein Bündnis aus Südtirol. Vier Organisationen und Vereine haben offiziell zum Protest gegen den Ball aufgerufen, nachdem dessen heuriges Motto bekannt geworden war: “Südtirol, eine Herzensangelegenheit”. “Dazu wollen und können wir nicht schweigen”, schreiben die Vertreter der sh.asus Wien, der Kulturvereine Diverkstatt in Bruneck sowie DADA Rose aus Bozen und die Gruppe Meran Resiste, zusammen mit der Antifa Meran, in einem Positionspapier. Denn, so heißt es weiter, “all das, wofür der Akademikerball steht, widerstrebt unserem Grundverständnis eines demokratischen Gesellschaftskonsenses”.


Rechtes Schaulaufen

Seit 2013 findet der Wiener Akademikerball alljährlich in der Hofburg statt. Vorher wurde er 60 Jahre lang als “WKR-Ball” vom Wiener Korporationsring veranstaltet, einer Dachorganisation von Burschenschaften, die vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands als deutschnational bis rechtsextrem eingestuft werden. Anhaltende Kritik am Ball und dessen Veranstaltern hatte die Betreibergesellschaft der Hofburg 2011 dazu bewogen, diese nicht mehr als Ausrichtungsstätte für den WKR-Ball zur Verfügung zu stellen. Kurzerhand übernahm dann die Wiener Landesgruppe der FPÖ die Organisation der Tanzveranstaltung und benannte sie in “Akademikerball” um. Dadurch wollte man sich die Hofburg als Austragungsort weiterhin sichern. Bislang erfolgreich. Doch während die Anzahl der Besucher in der Hofburg seit 2013 stetig sinkt, versammeln sich auf den Straßen Wiens Jahr für Jahr mehr Menschen, um gegen den Ball der FPÖ zu protestieren. 9.000 Demonstranten waren es laut Angaben der Offensive gegen Rechts, die zu einer Kundgebung gegen das Schaulaufen von Vertretern des rechten Spektrums aus ganz Europa aufgerufen hatte, 2015.

Heinz-Christian Strache bei der Eröffnung des ersten Wiener Akademikerballs 2013. 2012 verglich der FPÖ-Chef die Demonstrationen um den Ball mit den Novemberpogromen von 1938 und bezeichnete sich und die Ballgäste dabei als “die neuen Juden”. 2015 verglich er im Vorfeld des Balls die Demonstranten mit der SA.

“Es ist bekannt, dass der Ball ein Vernetzungstreffen der rechtsradikalen Elite in Europa ist”, weiß man auch in Südtirol. Umso bedenklicher sei es daher, wenn Südtirol als Motto gewählt werde und es zu keiner öffentlichen Debatte komme. Zu den bisherigen Gästen zählt etwa Marine Le Pen vom französischen Front National, auch Filip Dewinter vom belgischen Vlaams Belang und Vertreter der deutschen NPD und ProNRW sollen bereits auf dem Wiener Akademikerball gewesen sein. Wie es dort mitunter zugeht, zeichnete die Süddeutsche Zeitung 2014 folgendermaßen nach: “‘Heil Hitler’-Rufe muss man in der Hofburg nicht erwarten, und auch der Ablauf des Balls ähnelt dem anderer Bälle. Ungewöhnlich ist das Auftreten der männlichen Ballgäste – fast alle kommen in ‘Couleur’, mit bunter Schärpe und ‘Deckel’ (Mütze), viele jüngere Männer tragen stolz ihre frischen Schnittwunden auf der Wange zur Schau. Auf der Gästeliste stehen jedes Jahr FPÖ-Granden wie Parteiobmann Strache und der EU-Abgeordnete Andreas Mölzer, aber auch prominente Rechtsextreme wie der Publizist Horst Jakob Rosenkranz oder der rechtskräftig wegen NS-Wiederbetätigung verurteilte ehemalige FPÖ-Abgeordnete John Gudenus. […] In den Ansprachen ist viel von Heimat und Vaterland die Rede, zu später Stunde kann man auch schon mal antisemitische Tiraden und Gewaltfantasien gegenüber Demonstranten vernehmen.”


“Brauchen wir alles nicht”

Umso heftiger fällt die Kritik hierzulande aus, als am 14. Jänner das heuer gewählte Motto, “Südtirol – eine Herzensangelegenheit”, über Facebook bekannt gegeben wird. Seit längerem zirkuliert dieser Slogan in gewissen Kreisen, 2009 erschien sogar ein Buch mit dem Titel “Südtirol – Eine freiheitliche Herzensangelegenheit”. Herausgeber: der österreichische FPÖ-Parlamentarier und -Südtirol-Sprecher Werner Neubauer. “Südtirol ist und bleibt eine freiheitliche Herzensangelegenheit”, unterstrich Neubauer noch Ende Oktober 2015 im Rahmen einer Pressekonferenz, auf der er die “Landeseinheit” als “anzustrebendes Ziel, das über die Umsetzung des Selbstbestimmungsrechts zu erreichen ist”, bezeichnete. Wenig verwunderlich also, dass auch ein Teil der Selbstbestimmungs-Befürworter aus Südtirol sich heuer für den Akademikerball angemeldet haben: Exponenten der Freiheitlichen – darunter Landtags-Fraktionssprecher Pius Leitner –, Süd-Tiroler Freiheit und Schützen haben bereits verkündet, am Freitag in der Wiener Hofburg (an-)tanzen zu wollen. Mit dabei auch die Musikkapelle Olang.

Spalier stehen beim Akademikerball: die Schützenkompanie Peter Siegmair aus Olang.

Empörung unter den Südtiroler Studierenden und einigen hiesigen jungen Kulturschaffenden: “Wir wollen nicht, dass unser Land für politische Zwecke instrumentalisiert wird”, sagt etwa Gianluca Da Col, Präsident des Brunecker Kulturvereins Diverkstatt angesichts des Südtirol-Mottos. Gemeinsam mit Meran Resiste und DADA Rose will Da Col vermeiden, dass der Akademikerball zu einem “politischen Laufsteg für die deutschsprachige Rechte” wird, “die wieder Mauern errichten will und gegen die Interethnizität in unserem Land ist”. Unterstützung kommt dabei von der Südtiroler HochschülerInnenschaft. Im sh-Außensitz in Wien hat man aktiv zur Teilnahme an den Protesten aufgerufen, “auch wenn das bedeutet, sich Kritik auszusetzen”, betont die sh-Vorsitzende in Wien, Katharina Kammerer. In einem offenen Brief verurteilt gleichzeitig die Gesamt-sh von ihrem Büro in Bozen aus die Veranstaltung, die in einem Trailer von FPÖ-TV als “Ball für Meinungs- und Versammlungsfreiheit” propagiert wird. “Das Recht der Versammlungsfreiheit ist ein wichtiges Grundrecht, doch sollten wir auch kritisch hinterfragen, wer sich am 29. Januar in der Hofburg versammelt, um unter anderem Südtirol zu thematisieren”, so die sh.

Die sh.asus ist weder geschlossen Links noch geschlossen Rechts, sondern es gibt verschiedenste Meinungen zu verschiedenen Themen. Doch wir stehen geeint hinter unseren demokratischen und antifaschistischen Grundansichten und warnen vor diesen äußerst bedenklichen Entwicklungen!
(sh.asus-Vorsitzender Fabian Frener)


Rückwärts kommt man nicht voran

“Unser Südtirol geht euch nichts an”, so der Slogan mit dem die drei Südtiroler Bündnispartner gemeinsam mit der sh Wien am Freitag gegen den Akademikerball und “die Vereinnahmung Südtirols vonseiten der extremen Rechten”, wie Michael Schwalt von Meran Resiste hinzufügt, auf die Wiener Straßen gehen werden. Die Zukunftsvorstellung, die diese jungen Menschen für Südtirol haben, unterscheidet sich grundlegend von jener, die “eine einzelne politisch rechte Gruppierung” versucht, anderen glaubhaft zu machen: “Wir arbeiten in Südtirol aktiv für ein gemeinsames Geschichtsbild aller SüdtirolerInnen, gegen die Grenzen, die uns heute noch trennen, und für eine moderne interethnische und solidarische Gesellschaft.” Mit einer in die Vergangenheit gerichteten Vision gewisser Ballgäste können sie nichts anfangen: “Wir schauen nach vorne und es ist diese Richtung, die Südtirol einschlagen soll”, ist Da Col überzeugt. Gerade in Zeiten, in denen die Überarbeitung des Autonomiestatuts anstehe brauche es “Antworten aus einer Zeit von vor hundert Jahren” nicht. Ebensowenig lässt man Argumente wie “Ich gehe zum Akademikerball, um Südtirols Interessen zu vertreten und beschützen” gelten. “Solche Beschützer brauchen wir nicht!”, lautet die klare Antwort der Protestierenden.

Die Facebook-Ankündigung, versehen mit einem Gruppenfoto – Schützen mit Heinz-Christian Strache (4. v.r.).

Den Südtiroler Ballbesuchern gibt man einen ganz eigenen Gedankenanstoß mit aufs Parkett: Es sei absolut verwerflich, dass sich gewisse Leute als Vertreter Südtirols mit solchen Persönlichkeiten zum Walzer verabreden – “Wir hoffen, ihr wisst, mit welchen Leuten ihr am Freitag Abend tanzen geht: Rechtsradikalen, Rechtspopulisten, Rechtsextremisten und Holocaustleugnern.” Genauso wie von der fragwürdigen Gästeliste distanzieren sich die Demonstrierenden, von denen viele eigens aus Südtirol anreisen wollen, von gewaltbereiten Gruppierungen, die immer wieder die Akademikerball-Proteste nützen, um Zerstörung und Chaos zu stiften. “Verwerflich” sei auch dieses Verhalten, “unser Protest wird friedlich und bunt sein”, so die vier Gruppierungen, die auch die in Wien lebenden Südtiroler zur Teilnahme an den Demonstrationen aufrufen.

Für offene Hetze, menschenverachtendes Gedankengut und diskriminierende Praxis darf im Südtirol des 21. Jahrhunderts kein Platz sein – genauso wenig in der Wiener Hofburg.
(Diverkstatt, Meran Resiste, sh.asus Wien, DADA Rose)

Aus welchem Grund Südtirol zum Motto des diesjährigen Akademikerballs gemacht wurde, ist übrigens nicht bekannt. Auf die entsprechende Frage der österreichischen Tageszeitung Der Standard wollte FPÖ-Gemeinderat in Wien und Veranstalter Udo Guggenbichler keine Auskunft geben. Er verriet nur so viel, dass es “im Rahmen der Eröffnung eine Südtirol-Komponente geben wird”. Eine solche wird man am Freitag Abend auch auf den Straßen um die Wiener Hofburg finden.