Attilio Fontana
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Gesellschaft | Virus-Hysterie

Der Corona-Lunapark

Wie der Virus das Leben verändert und den Alltag beeinflusst.
Seit ein noch vor wenigen Wochen unbekannter Erreger aus China urplötzlich die Weltbühne erobert hat, ist nichts mehr wie es war. Kunden mit Gesichtsmasken schieben übervolle Einkaufswagen zur Kasse des Supermarkts. Stolz berichtet ein Mann, dass er 50 Flaschen Mineralwasser gekauft habe. Der Corriere della Sera widmete dem Virus am Mittwoch die ersten 16, am Donnerstag die ersten 15 Seiten.
 
Der lombardische Präsident Attilio Fontana streifte sich am Donnerstag morgen mit etwas Mühe vor den Kameras eine grüne Gesichtsmaske über: "Non spaventatevi se nei prossimi giorni mi vedrete così." Eine seiner Mitarbeiterinnen sei positiv getestet worden. Bisher unbekannte Virologen wie Roberto Burioni sind zu populären Volkshelden aufgestiegen und verbringen ganze Tage vor den TV-Kameras, wo sich der Lazio-Fan zur Entspannung auch scheinbar harmlose Witze leisten kann: "Se mi danno i pieni poteri, come prima cosa sciolgo l'AS Roma." Die Wut der romanisti liess nicht lange auf sich warten.  
 
Der bisher weitgehend unbekannte Gesundheitsminister Roberto Speranza (nomen est omen), der scienze politiche studiert hat und der ultralinken Kleinpartei articolo uno angehört, beschwört die coesione nazionale: "Grazie. Questa sfida si può vincere solo insieme." Natürlich öffnet der unheimliche Erreger schuldlos auch die Tür zu politischen Spekulationen: "Ci sarà un governo di unità nazionale?"  Matteo Salvini hält wie immer ein Patenrezept bereit, das alle Probleme löst: "Bisogna andare subito al voto."
 
Für die Kameraleute ist der Corona-Erreger die unerschöpfliche Gelegenheit: spielende Kinder mit Gesichtsmasken, leergeräumte Supermarkt-Regale, Strassenarbeiter mit verschwitzten Masken, erfindungsreiche Bar-Besitzer mit reduzierten Preisen für Corona-Bier, vermummte Passagiere in den Wartesälen der Flughafen. Verärgerte tifosi dürfen vor der Kamera ihrer Wut über abgesetzte Meisterschafts-Spiele freien Lauf lassen. Die Sopranistin Carmela Remigio stellt vor der Kamera eine durchaus berechtigte Frage: "Non capisco perchè i teatri chiudano e le metro siano aperte, i luoghi di cultura sì e i ristoranti no." Dass in Mailand die Premiere der Scala ausfällt, ist für viele schlimmer als der heimtückische Virus. Und dass italienweit vier Millionen Schüler zuhause bleiben müssen, bereitet vielen Eltern grössere Sorgen als der Virus selbst.
 
Wo liegt eigentlich die Grenze zur Hysterie? Vielleicht am Brenner, wo die österreichische Bahn den Zug Venedig-München vier Stunden lang anhält – wegen zweier vermeintlich fiebriger Passagiere, die in Verona ausgestiegen waren? Dagegen übt sich die nüchterne Neue Zürcher Zeitung in Schweizer Vernunft:  "Alle starren wie gebannt auf die Zahl der Corona-FälleJ. Dabei sterben allein in der Schweiz in einer schweren Grippe-Saison etwa 2500 Personen".
 
Moment – der oder das Virus? Dazu äussert sich – damit keine Frage offen bleibt – die Duden-Redaktion: "Da Substantive auf -us meist männlich sind, wurde das Virus allmählich zu der Virus. Heute existieren in der Alltagssprache beide Formen nebeneinander und beide gelten als korrekt. In der Fachsprache dagegen blieb es bei der ursprünglichen sächlichen Form: das Virus."
Zumindest eine Gewissheit. Denn auf die Frage, wie lange der Ausnahmezustand anhält, kann der müde wirkende Virologe Giovanni Maga im Fernsehen mit einer nur teilweise beruhigenden Antwort dienen: "Non siamo in guerra." Fürwahr erleichternd.
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Frei Erfunden Do., 27.02.2020 - 14:35

Falls der zu erwartende nächste Wirtschaftscrash im dritten Quartal 2020 eintreten wird, kann im Anschluss Covid19 die Schuld dafür in die Schuhe geschoben werden. Folglich wird das kranke Finanzwesen / Bankwesen mit Steuergeldern wieder künstlich am Leben gehalten werden können und vielleicht noch ein paar Jährchen weiterwuchern können.
Ohne grossen Widerstand der Zivilbevölkerung.
Grüsse aus dem Lager der Verschwörungstheoretiker.

Do., 27.02.2020 - 14:35 Permalink
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Christian Mair Di., 03.03.2020 - 19:48

Antwort auf von Frei Erfunden

Dieses Mal gibt es die lockere Geldpolitik/wuanzitative easying/Helikoptergeld für KLMU ( kleine und mittlere Unternehmen) und vor allem den Bürger als allerletztes Mittel das kapitalistische Spekulations-Schneeball-System am laufen zu halten. Allerdings mit demselben Ergebnis.

Politische und wirtschaftliche Herausforderungen werden versucht auszusitzen (=Marke Merkel) anstatt angegangen zu werden.
- europäische Fiskal-und Finanzpolitik, europäische Aussen-und Verteidigungspolik, Transaktionssteuer, Bankenkonkursrecht, schutz Whistleblower. #FreeAssange

Di., 03.03.2020 - 19:48 Permalink
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Karl Trojer Fr., 28.02.2020 - 17:37

Es ist ermutigend, dass es trotz der vielen fack-news noch hervorragende Journalisten gibt, die sachlich und angemessen über Ereignisse berichten. Für niveaulose, reißerische Journalisten ist dieses Virus wiedereinmal ein gefundenes Fressen für ihre populistische Piraterie.

Fr., 28.02.2020 - 17:37 Permalink