Gesellschaft | Polemik

Wie viel Italienisch dürfen sich Eltern wünschen?

Der Landesbeirat der Eltern lässt die Schützenkritik zu seiner Elternbefragung nicht auf sich sitzen. "Unsere Umfrage ist repräsentativ", sagt Florian Peer.

Ich glaube nur den Statistiken, die ich selbst gefälscht habe: Das scheint das Motto des Südtiroler Schützenbundes zu sein, der die kürzlich präsentierte Online-Befragung des Landesbeirats der Eltern (LBE) als „Alles Humbug“ bezeichnet. 12.877 Eltern von Kindergarten- und Schulkindern von der Volks- bis zur Oberschule  nahmen daran laut den Auswertungen des Beirats teil. Nicht repräsentativ und fragwürdig, urteilen die Schützen. Ihre Hypothese: Die Zugangsdaten der Umfrage seien teilweise frei herumgelegen, im Grunde hätte jeder - und theoretisch auch nur die Mitglieder des LBE - an der Befragung teilnehmen können.

Unterstellungen, die Florian Peer nicht auf dem Beirat sitzen lässt. Zwar werde man dem Verdacht der Schützen nachgehen, dass die Zugangscodes zumindest in einem Kindergarten frei herumgelegen wären, sagt der Zuständige für die Umfrage, der auch im Vorstand des Elternbeirats sitzt. Prinzipiell seien sie aber über das Schulamt persönlich an die Eltern von insgesamt 58.000 deutschsprachigen SchülerInnen gegangen. Wie bei jeder Online-Umfrage sind laut Peer auch in diesem Fall Auffälligkeiten hinsichtlich IP-Adressen überprüft worden – und keinerlei Häufungen festgestellt worden. „Das heißt, selbst wenn jemand mehrere Zugangscodes mitgenommen hätte, hätte er dann von verschiedenen Computern aus die Umfrage ausfüllen müssen“, sagt Peer. In Sachen Repräsentativität erinnert er den Schützenbund daran, dass bei deutschen Bundestagswahlen Exit Polls zwischen 10.000 und 20.000 Teilnehmern als repräsentativ gelten.

Übers Ziel hinausgeschossen?

Warum also dann 13.000 Antworten bei 58.000 SchülerInnen in Frage stellen? Haben die Schützen hier eindeutig über das Ziel hinausgeschossen? Auf solche Polemiken will sich Elternvertreter Peer nicht einlassen. Auch ihm ist aber klar, woher der Wind bei diesem Angriff weht. Immerhin hat die Umfrage ergeben, dass sich 77,2 Prozent der Eltern eine Intensivierung des Italienischunterrichts wünschen. Bei Eltern von OberschülerInnen steigt dieser Wert gar auf 83 Prozent – wohl weil in dem Alter immer deutlicher wird, was der Sprachunterricht gebracht hat.

Für die Heimatschützer sind solche Werte vielmehr das Ergebnis einer verfälschten Darstellung. Nur die Hälfte der Befragten habe sich tatsächlich für Immersionsunterricht bzw. eine Minderheit für die Zusammenlegung von Schulen ausgesprochen. „Rund die Hälfte spricht sich aber nur für eine qualitative Veränderung des Unterrichts aus“, so die Schützen. „Wir haben ausschließlich Fragen zur Quantität gestellt“, widerspricht ihm Florian Peer. Eine Evaluierung des Unterrichts selbst sei vom Landesbeirat der Eltern nicht in Betracht gezogen worden, weil man eine solche als außerhalb des eigenen Kompetenzbereiches ansehe. Warum eine  Reduzierung des Italienisch-Unterrichts nicht als Antwortoption angeboten wurde, wie die Schützen ebenfalls kritisieren, ist laut Peer schnell erklärt: „Wir haben in dieser Umfrage Fragen aufgeworfen, die im Laufe der Jahre immer wieder von Eltern an uns herangetragen worden sind“, sagt er. „Doch den Wunsch nach einer Reduzierung hätten wir nie vernommen.“

„Deutsch und Italienisch. Mit beiden Sprachen sind die Südtiroler vertraut. Ja, man kann fast sagen, beide Sprachen machen den Südtiroler Menschen aus“, liest man auf der SMG-Seite „Was uns bewegt“ neben einem Porträt der passioniert mehrsprachigen Museions-Direktorin Letizia Ragaglia. Im politischen Alltag wird dies zumindest im rechten Lager immer noch ganz anders gesehen, hat sich nun einmal mehr gezeigt.

Für Florian Peer ist vor allem bedauerlich, dass aufgrund solcher Polemiken andere interessante Ergebnisse der Elternumfrage in den Hintergrund gedrängt werden. Ein weiterer dringlicher Wunsch der Eltern ist demnach beispielsweise eine zeitgemäße Überarbeitung der Unterrichtsinhalte. Ein klares Nein gab es mit 85% auch zu unterschiedlichen Sommerferien-Perioden zwischen Grund- bzw. Mittelschule und Oberschule. „Hier wünschen sich die Eltern ganz deutlich einheitliche Sommerferien“, sagt Peer. 

Was passiert nun mit den Ergebnissen der Umfrage? Sie sollen demnächst Schullandesrat Philipp Achammer persönlich vorgestellt werden. Konkrete Forderungen sind damit aber derzeit weder in Sachen Zweitsprache noch bei anderen Themen vorgesehen, sagt Florian Peer. Vielmehr gebe es viele Themen, bei denen seit Jahren oft sehr widersprüchliche Meldungen von Seiten der Eltern gekommen seien. „Die Ergebnisse der Umfrage helfen uns nun in einem ersten Schritt intern, die Position des Beirats zu klären." 

Bild
Profil für Benutzer Harald Knoflach
Harald Knoflach Sa., 28.03.2015 - 00:33

ich möchte vorausschicken, dass ich alles daran setzen werde, dass meine kinder perfekt italienisch lernen.

doch nun zum obigen artikel, der vor ideologischer verblendung, die man unterschwellig den schützen vorwirft, nur so strotzt.

begründung:
1. der artikel ist mit "polemik" übertitelt, aber nicht als kommentar gekennzeichnet. der eingangssatz (und nicht nur dieser) "Ich glaube nur den Statistiken, die ich selbst gefälscht habe: Das scheint das Motto des Südtiroler Schützenbundes zu sein" ist wertend um nicht zu sagen "polemisch".
2. auch wenn die umfrage nicht manipuliert ist (wovon ich ausgehe), ist sie dennoch keinesfalls repräsentativ. umfragestandards für repräsentativität hängen nicht (nur) von der zahl der befragten ab. so kann ein exit-poll mit 800 befragten in südtirol repräsentativ sein. eine umfrage mit 13.000 antworten vielleicht aber nicht. das ergebnis fußt auf freiwilliger rückmeldung und nicht auf zufallsstichproben. beispielsweise wurde bei der stf-umfrage, bei der eine ähnliche rücklaufquote zu verzeichnen war, richtigerweise immer betont, dass das ergebnis nicht repräsentativ sei. man ging stellenweise so weit zu sagen, dass die 31 % (über 60.000 stimmen) überhaupt nicht aussagekräftig seien. diese eltern-umfrage, die auch auf freiwilliger rückmeldung basiert und einen niedrigeren turnout als die stf-umfrage hat, soll jetzt aber auf einmal repräsentativ und aussagekräftig sein? sie ist maximal ein stimmungsbarometer.
4. das design der fragen ist schwach bis suggestiv. warum meinungen über den inhalt des italienischunterrichts nicht abgefragt wurden, ist nicht nachvollziehbar. gerade weil peer selbst bestätigt, dass inhaltlich-qualitative aspekte in der umfrage sehr wohl abgefragt wurden. zitat: Ein weiterer dringlicher Wunsch der Eltern ist demnach beispielsweise eine zeitgemäße Überarbeitung der Unterrichtsinhalte. (was immer das heißen mag).
5. grundsätzlich gibt es in südtirol keine belastbaren daten bezüglich der entwicklung von sprachkenntnissen. bildungspolitik dann anhand der wunschvorstellungen von eltern und nicht auf basis wissenschaftlicher erkenntnisse betreiben zu wollen, ist ausdruck einer provinzposse sondersgleichen. sollte festgestellt werden, dass der italienischunterricht so wie er sich derzeit präsentiert, nicht funktioniert, warum sollte man dann mehr davon wollen? mehr von etwas, das nicht funktioniert! qulitative wissenschaftliche analysen sind daher essentiell für zukünftige schritte in der bildungspolitik. (sind aber offensichtlich nicht gewollt).
6. was der "exkurs" zur smg mit dem artikelinhalt zu tun hat, ist mir schleierhaft. es sei denn es geht um eine art identitätsimperialismus. so wie die schützen endlich einsehen und eingestehen müssen, dass es in unserem land manigfaltige identitäten gibt und man kein "verräter" ist, wenn man sich "italienisch" oder "ein bisschen von beidem" fühlt, so sollte auch umgekehrt den menschen zugestanden werden, sich als "tiroler", "österreicher" oder was auch immer zu fühlen. das nennt man dann pluralismus.

Sa., 28.03.2015 - 00:33 Permalink