Suspekter Stachel
Nomen est omen. Wer bei einer Musikgruppe namens “Istigazione” (dt. “Aufstachelung”, “Aufwiegelung”, “Verhetzung”) stutzig wird, der tut gut daran. Wer diese Band leichtgläubig auf seine Gästeliste setzt, der muss damit rechnen, dass es kracht. Insbesondere, wenn die dubiosen Gäste dazu neben einem prominenten Sponsor platziert werden – einem angeblichen Sponsor.
Feiern in fragwürdiger Gesellschaft
Es war im Sommer vergangenen Jahres. Am 29. Juli lud CasaPound zum Sommerfest. Im Bozner Süden wollten sich die selbsterklärten “Faschisten des 3. Jahrtausends” ordentlich feiern. Mit Musik befreundeter – und der Gesinnung der rechtsextremen Gastgeber genehmen – Künstler. Live-Musik gab es auch von “Istigazione”. Die Bozner Band gibt es seit einem guten halben Jahrzehnt. Selbst bezeichnet man sich als Gruppe, die “nicht konformen Punk Rock” spielt. Promoten lässt man sich in der einschlägigen Szene unter anderem von einer Organisation, die sich “Rock Nazionalista” nennt und sich der Verbreitung der vom “Mainstream” vernachlässigten rechtsgerichteten, faschistisch angehauchten, hetzerischen und identitären Musik in Italien verschrieben hat.
Eine Gelegenheit wie der Auftritt beim Sommerfest von CasaPound lässt sich “Istigazione” nicht entgehen. Man pflegt ein freundschaftliches Verhältnis mit der lokalen Führungsriege. Nicht zuletzt mit dem Gemeinderat und hiesigen CP-Chef Andrea Bonazza. In dessen Sinne dürfte auch ein Lied gewesen sein, das “Istigazione” 2013 komponiert. Kurz zuvor wird bekannt, dass der damalige Bozner Bürgermeister Luigi Spagnolli mit einer Strafanzeige gegen Andrea Bonazza vorgehen wird. Dieser hatte Flyer anfertigen lassen, auf denen Spagnolli mit roter Nase und roten Wangen abgebildet war. “Levategli il vino” stand in hämischen Tonfall auf den Flyern zu lesen – Bonazzas Retourkutsche für den ehemaligen Bürgermeister, der Zustimmung für die Entfernung des Piffrader-Reliefs am Bozner Gerichtsplatz signalisiert hatte.
Schweinische Strophen
“Voglio una vera giustizia sociale e non una provincia gestita da un maiale. Il suo servo in comune fottuto ubriacone sa solo leccare il culo al suo padrone.”
Es braucht nicht viel Fantasie um zu erkennen, worum es im Lied “La mia città” geht, dessen Text “Istigazione” Anfang 2013 veröffentlicht: Ein unterwürfiger, saufender Sklave im Bozner Rathaus – im Dienste eines “Schweines”, das das Land regiert. Die Anspielung auf Luigi Spagnolli und Alt-Landeshauptmann Luis Durnwalder dürfte auf der Hand liegen.
Ausgeladene Aufstachler
Einige Monate nach dem Gastspiel bei CasaPound ist ein weiterer Auftritt von “Istigazione” geplant. Am 7. April findet am Festplatz von Terlan das Festival “Rocking Machine 2018” statt. Erstmals. Als “Rock Festival For Newcomerbands” will man jungen, aufstrebenden Musikgruppen eine Bühne bieten. Dass auch “Istigazione” im Lineup aufscheint, ruft nicht nur Verwunderung hervor. Sondern auch Empörung. Denn eine kurze Recherche auf Facebook hätte genügt, um zu erkennen, wes Geistes Kind die “Punkrocker” aus Bozen sind.
Anfang vergangener Woche weisen die Veranstalter des Festivals “Rock The Lahn”, die sich vor Kurzem zur Ruhe gesetzt haben, die Organisatoren von “Rocking Machine 2018” auf die dubiosen Gäste hin. Es beginnt ein digitaler Schlagabtausch, der schließlich damit endet, dass “Istigazione” ausgeladen wird.
Die Polemik lässt nicht lange auf sich warten. Kurzerhand beschließen “Istigazione” am 7. April anstatt in Terlan ein Konzert in Bozen zu organisieren – nicht ohne zynischen Seitenhieb auf ihre Kritiker. Man sieht sich gerne in der Opferrolle: “Gli ISTIGAZIONE apprendono con grande allegria che l'ennesima battaglia sociale è stata vinta da queste pseudo pagine antifasciste. Facebook, che si sà, è ormai l'unico campo di battaglia nelle quali milita la loro idea, ha reso possibile, attraverso le classiche minacce di boicottaggio e altri metodi malavitosi, che gli contraddistingue, la vittoria di questa importante causa. Non far suonare la nostra band. (…).”
Damit könnte die unerfreuliche Episode abgeschlossen sein. Ist sie aber nicht. Denn inzwischen herrscht auch anderswo Aufruhr. Auf Flyern und Plakaten, die “Rocking Machine 2018” ankündigen, prangt das Logo der Brennercom. Sponsert der inzwischen privatisierte Internetkonzern – die Mehrheit hält seit 2017 der Athesia-Konzern – ein Festival mit fragwürdigen Gästen?
“Ein Missverständnis”
Nach dem Wirbel in den sozialen Medien ist die Nachricht von dem Terlaner Festival bis in die Chefetage der Brennercom vorgedrungen. Am 21. März taucht schließlich eine neuerliche Stellungnahme der Organisatoren von “Rocking Machine 2018” auf Facebook auf: “Nach Rücksprache mit Brennercom wollen wir uns bei Ihnen entschuldigen und bekräftigen, dass es kein Abkommen für das Sponsoring der Veranstaltung gab und gibt.”
Hat Brennercom den Deal mit den Festivalveranstaltern wegen “Istigazione” platzen lassen? Nein, beteuert man auf Nachfrage von salto.bz. Es handle sich um “ein Missverständnis zwischen den Organisatoren und Brennercom”, so die Auskunft aus der Pacinottistraße. Zu keiner Zeit habe es eine Zusage – “weder schriftlicher noch mündlicher Art” – vonseiten der Brennercom gegeben, das Terlaner Festival zu sponsern. Dass das Firmenlogo für die Promotion der Veranstaltung verwendet wird, davon habe man nichts gewusst. “Sobald wir unser Logo gesehen haben, haben wir uns umgehend bei den Organisatoren gemeldet”, heißt es vonseiten der Brennercom. Diese hätten zugegeben, das Logo unabgesprochen genutzt zu haben. Mit der Stellungnahme auf Facebook sei die Sache “geklärt”, bestätigt man bei der Brennercom. Der Wirbel um die Musikgruppe “Istigazione” habe keine Rolle gespielt: “Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.”
Ist die Sache für die Brennercom damit tatsächlich aus der Welt? Scheint das Logo doch auch auf Werbematerial – unter anderem in einem Promovideo – auf, das nach dem 21. März von den Organisatoren von “Rocking Machine 2018” in Umlauf gebracht wird. “Wir wollten den Veranstaltern keinen Schaden zufügen – die Entfernung des Logos wäre mit großen Kosten verbunden gewesen”, so die Erklärung des Internetkonzerns. Dort sieht man “das Missverständnis aus der Welt geräumt”.
Und so ist das Firmenlogo weiter im Umlauf – übrigens nur wenige Zeilen über dem Namen der Band “Istigazione”, die laut Festivalpromo immer noch am 7. April um 17.15 Uhr auf dem Terlaner Festplatz auftreten wird.