Wanted: Kritischer Journalismus

Claus Gatterer wurde am 27. März 1924 in Sexten geboren und studierte Philosophie und Geschichte in Padua. Zwischen 1945 und 1947 begann er seine publizistische und politische Tätigkeit, ab 1948 arbeitete er als Journalist in Österreich, war Redakteur der Tiroler Nachrichten, der Salzburger Nachrichten, des Forum. Er war auch stellvertretender Chefredakteur des Expreß und Ressortleiter für Außenpolitik der Presse. Ab 1972 arbeitete er beim Rundfunk, ab 1974 war er Leiter der Fernsehreihe teleobjektiv, die 1984 eingestellt wurde.
In einem Gespräch mit der Zeitschrift Falter erklärte Gatterer damals, weshalb die (un)beliebte Sendung vom ORF abgesetzt wurde: „Das Hauptargument war, das teleobjektiv sei die private Spielwiese vom Gatterer. Das ist eigentlich das Hauptargument. Es ist ein Magazin ohne Linie, es weiß nicht, was es will. Es ist die private Spielwiese vom Gatterer, wo der Gatterer selber tut, was er will und die anderen tun läßt, was sie wollen.“
Besonders schmerzhaft war es für Gatterer, dass gerade Gerd Bacher, einst ein guter Freund des Sextner Journalisten und später sein ORF-Vorgesetzter, dieses Machtwort gegen die TV-Sendung aussprach und die Sendung zu Fall brachte.
Ich will nicht, dass durch den Fortschritt die Reichen reicher werden.
(Claus Gatterer: Tagebuchauszug vom 23.5.1974.)
Wie aber steht es um das kritisch-journalistische Arbeiten auf öffentlich-rechtlichen „Spielwiesen“ heute? Was können beispielsweise kritische Journalisten gegen Informations-Konkurrenten wie facebook ausrichten, welche ihrerseits einen viel zu freien Umgang mit sensiblen Daten pflegen? Oder, wie groß ist die Beeinflussung von FakeNews, und jenen Menschen die mit Fake-Profilen Meinungsmache betreiben?
Die Ungerechtigkeiten des Alltags offenlegen, mit Humor und ohne Gehässigkeit, das war einer der journalistischen Leitsätze Claus Gatterers, wie er dies auch den Falter-Journalisten von damals erklärte: „Wir haben uns immer auch bemüht, besondere Gags einzubauen, um die Leute zum Lachen zu bringen. Denn wenn man irgendeinen Gegner lächerlich machen kann, ohne daß man ihn dadurch beleidigt oder schmäht, dann hat man, eigentlich viel mehr erreicht als wenn man mit den trockensten, aber begründetsten Argumenten gegen ihn vorgeht“
Ein weiterer Archiv-Fund belegt, wie Hörer und Zuschauer in Zeiten protestierten, als es noch keine Computer, Smartphones oder Tablets gab, um Ärger über die Kommentarfunktion unmittelbar und unüberlegt zu übermitteln.
Die Protestschreiben von einst gingen als Briefe ein und landeten auf dem Redaktionstisch:
Protest gegen den letzten Wochenkommentar von Klaus Gatterer. Als fleißiger Rundfunkhörer protestiere ich wegen der Tendenz und den vorgebrachten Auslegungen gegen den Wochenkommentar des Herrn Klaus Gatterer vom 5.6.72 und erkläre mich überzeugt, auch im Sinne der überwiegenden Mehrheit der andern Rundfunkhörer zu schreiben «Herr Gatterer verurteilte in diesem Wochenkommentar nicht eindeutig die in letzter Zeit sich häufenden Terrorakte einer gefährlich kriminellen Minderheit, sondern versuchte sie als natürliche Reaktion des Volkes gegen die herrschenden Gesellschaftsschichten zu erklären und damit indirekt zu rechtfertigen […] Wir Rundfunkhörer wollen die Unabhängigkeit und Objektivität unseres ORF erhalten wissen, wir sind natürlich auch für die Erhaltung der bisherigen Ungestörtheit unseres Landes durch Terrorakte. Wir wollen Ruhe und Ordnung.
Die Antwort von Claus Gatterer ließ nicht lange auf sich warten:
[…] In Wochen-Kommentaren wird also nicht "verurteilt" oder "gelobt", sondern analysiert und erklärt. Genau das habe ich in meinem Kommentar auch getan. […] Sie bezeichnen sich als "fleißigen Rundfunkhörer". Da ich seit anderthalb Jahren […] Kommentare verfasse und spreche, müßten Ihnen wohl auch andere Bekundungen von mir bekannt sein und daher müßte Ihnen auch bekannt sein, daß ich weder mit arabischen noch mit anderen Regierungen unter einer Decke stecke und daß ich Gewalt wo immer, in welcher Form immer und von wem immer begangen, verurteile.
Zweimal wurde Claus Gatterer mit dem Theodor-Körner-Preis ausgezeichnet, dreimal mit dem Dr.-Karl- Renner-Preis für Publizistik. 1980 erhielt er den Preis der Südtiroler Presse zur Aussöhnung von Volksgruppen.
Seine wichtigsten Buchveröffentlichungen u.a.: Unter seinem Galgen stand Österreich. Cesare Battisti, Porträt eines „Hochverräters" (Europaverlag) 1967), Im Kampf gegen Rom. Bürger, Minderheiten und Autonomien in Italien (Europaverlag 1968), Erbfeindschaft Italien – Österreich (Europaverlag 1972.).
Sein bekanntestes Buch nennt sich: Schöne Welt, böse Leut (1969).