Politik | Polit. Bildung

Die politische Bildung braucht mehr Ressourcen

Vom 23.4. bis zum 9.5. dauern die Aktionstage Politische Bildung, die von Landesämtern für Weiterbildung aller Sprachgruppen u. Schulamt koordiniert u. gefördert werden.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Heuer zum Rahmenthema „Technologie und Umwelt“, ein etwas enges Themenfeld, das nur wenige der zahlreichen Initiativen beackern. Diese Aktionstage – sie finden zeitgleich auch in Österreich statt – rufen alljährlich in Erinnerung, dass in unserer Gesellschaft politische Bildung eine öffentliche und dauerhafte Aufgabe ist, nicht nur zwei Wochen im Jahr, nicht nur der privaten Träger.

Allerdings steht es um die politische Bildung nicht zum Besten, weder in Italien noch in Südtirol. Die Abschaffung des Fachs Bürgerkunde und das Fehlen eines eigenen Fachs „Politische Bildung“ hat sich in Verbindung mit anderen Reformen negativ auf die Qualität der politischen Bildung ausgewirkt. Die Europaratsstudie zur politischen Bildung (Kapitel zu Italien auf: www.invalsi.it) zeigt jedenfalls ein kritisches Bild hinsichtlich der sog. „Demokratie- und Menschenrechtserziehung“. In der Oberstufe wird politische Bildung als transversales Unterrichtsprinzip in verschiedenen Fächern behandelt, aber es gibt keine Evaluation, die den Stand der Dinge qualitativ und quantitativ erfasst. Aus dem Programm der großen Weiterbildungsträger in Südtirol sind, mit wenigen Ausnahmen, politische Themen so gut wie verschwunden.

Manche von uns haben die alte „Staatsbürgerkunde“ zwar in nicht so guter Erinnerung, doch hat sich nicht nur der heutige Horizont und Kontext der Politik stark verändert, sondern auch die didaktischen und medialen Möglichkeiten für eine zeitgemäße politische Bildung. Woran es mangelt sind Unterrichtsstunden und Ressourcen, personell und finanziell. Der heutige magere Ersatz dafür heißt als Unterrichtsgegenstand „Cittadinanza e Costituzione“, worin alles Mögliche von der Ersten Hilfe, über die Verkehrs- und Umwelterziehung Platz findet. Im Schnitt widmet eine Durchschnittsklasse in Italien/Südtirol wohl mehr Zeit der Religion als dem kritischen Verständnis der heutigen Politik und Gesellschaft. Das mag auch dazu beitragen, dass Millionen Italiener später ihre Medienkonsum auf die Gazzetta dello Sport und Mediaset-Kanäle konzentrieren.

In Italien allgemein gibt es keine öffentlich-rechtliche Institution, die politische Bildung überparteilich im öffentlichen Interesse für alle  betreibt mit der ganzen Palette von Produkten und Dienstleistungen moderner politischer Bildung. Dafür würde eine öffentliche Infrastruktur mit solider personeller und finanzieller Ausstattung benötigt, die es nicht gibt.  In Deutschland hat diese Aufgabe seit den 1950er eine öffentliche Institution wahrgenommen, die auf Bundesebene und in allen Ländern vertreten ist: die Bundeszentrale und die Landeszentralen für politische Bildung wie z.B. jene in Baden Württemberg. Sie sind als überparteiliche Einrichtungen nach dem Muster des öffentlich-rechtlichen Fernsehens- und Rundfunks bei den Landtagen (oder beim Innenministerium) angesiedelt und werden von einem pluralistisch besetzten Beirat aus Abgeordneten überwacht. Die Internetportale dieser Zentralen geben ein beeindruckendes Bild zeitgemäßer politischer Bildung für alle Altersgruppen. Es ist Zeit, uns auch in Südtirol konkret zu überlegen, wie die politische Bildung als öffentliche Aufgabe in Schule und Erwachsenenbildung besser und wirksamer wahrgenommen werden kann.

Bild
Salto User
Sepp.Bacher Di., 28.04.2015 - 12:24

Ich hatte nicht mitgekriegt, dass es dieses Schulfach offiziell nicht mehr gibt. Ich habe mich aber auch schon vor 20 Jahren, wo die Italiener massenhaft begannen, Berlusconi zu wählen und sowieso an den Zitzen seiner TV-Kanäle zu hängen, was Jahrzehnte lange politische und Medien-Bildung in der Schule überhaupt gebracht haben?
Oft habe ich den Eindruck, je mehr versucht wird, die Kinder und Jugendlichen in diese Richtung zu bilden und zu beeinflussen, um so mehr wenden sie sich vom Thema ab. Als die Lehrer/Professoren noch konservativ und tendenziell rechts waren, wurden die Schüler und Studenten politisch und meist links. Jetzt, wo sich das Blatt grundsätzlich gewendet hat, haben wir Politik müde Jugendliche (müde bevor sie ein Engagement oder eine Beteiligung anfangen!) und die wenigen Ausnahmen sind tendenziell rechts (zumal in Südtirol).
Ich bin auch der Meinung, dass man nicht alles in den Schulunterricht packen kann, ja dass vieles in der Pflichtschule vielleicht auch zu früh ist, sondern dass dieses Anliegen in die Jugendarbeit und Erwachsenenbildung gehört.

Di., 28.04.2015 - 12:24 Permalink