Community Highlight Community Highlight
Gesellschaft | Eiertreter*in

Pinakídaphobie

Schaff mir einer die deutschen Touristen von der Straße! Bitte! Irgendwann bringt mich dieses Gesindel noch ins Grab. Das hat ganz bestimmte Gründe.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Kühlergrill mit Kennzeichen
Foto: Bereczki Domokos auf Unsplash
  • Heute geht’s mir nicht so gut. Hatte gestern einen Anfall. Nein, nein, die #wirvergessennicht-Schwurbler können beruhigt weiter verschwörungstheoretisieren. Hat nichts mit der Impfung zu tun. Ich leide an Pinakídaphobie, einem Mittelding zwischen Pittakiono- und Amaxophobie, also Angst vor Aufklebern und Angst vor dem Autofahren. Um genau zu sein bekomme ich Panikattacken, wenn ich Autokennzeichen sehe. Ausländische. Ganz schlimm ist es bei solchen aus D oder NL. Wenn die  außerdem an Camper oder Wohnwagen montiert sind, bin ich einem Herzkasper nahe. Auf der sichern Seite bin ich nur, wenn am rechten Rand der rot-weiße Südtiroler Gummigigger über dem BZ klebt.
    Auf jeden Fall wollte ich gestern mit meiner besseren Hälfte in den Süden des Landes: Rastenbachklamm/Kaltern. Soll hübsch sein, wurde mir gesagt. Ich biege also auf den Parkplatz vor Altenburg ei… Ja, genau da, wo die Kalterer Stangenobstindustriellen im Landschaftsschutzgebiet ihr 6,1 ha großes Speicherbecken bauen wollen und hundertpro mit unserem Geld. Ich biege also auf den Parkplatz ein und was sehe ich: Nur Piefkegrotten! Darunter zwei Arschloch-Autos von Elon. Meine Uralt-Knutschkugel wäre sozusagen der einzig Doige Wagen unter lauter Urlaubsmigranten gewesen. Die Eva hat schnell das Papiersackl aus dem Handschuhfach gekramt. Meine Hyperventilation war kurz vor der Ohnmacht, als sie es mir vor Mund und Nase gepresst hat.

  • Anamnese

    Kann doch nicht sein, dass ich - schlimmer als ein Heuschnupfler - zwei mal im Jahr Gefahr laufe von einer Phobie dahingerafft zu werden, weil 8,6 Millionen Touristen sommers und winters nichts besseres einfällt, als über uns herzufallen! Dabei gibt es so zauberhafte Flecken in der großen weiten Welt, wo man auch hinreisen könnte: Venedig, Cenote Suytun in Mexiko oder Trolltunga in Norwegen. Was? „...das allerschönste Stück davon ist doch die Heimat mein“, heißt es im Bozner Bergsteigerleid? Sie laufen Gefahr, dass ich Ihnen mein Hyperventilationssackl in den Rachen stopfe, wenn Sie das jetzt anstimmen.
    Das schlimme ist, dass mir die IDM jetzt sogar im April und November deitsche Targas in den überlaufendsten Lebensraum Europas schaufeln will. Apropos IDM. Jetzt wird nach 2018 schon zum zweiten Mal das Profil „nachgeschärft“. Will heißen, weitere Aufgaben werden ausgegliedert, womit die IDM jetzt fast da ist, wo die SMG vor der Fusion mit TIS, EOS und BLS war: Ein Tourismuswerber; ein überfinanzierter Moloch mit überbezahlten Führungskräften. Zur Erinnerung: Der Generaldirektor der Werbeklitsche bekommt gleich viel Tschosch wie der Kofler in der Sanität; nur dass letzterer 10.000 Lohnknechte und ein Budget von 1,5 Milliarden verwaltet.
    Ich hatte ja einmal das Privileg den Mann von Tchibo in der Öffentlichkeit sprechen zu hören: Was soll ich sagen; die deutsche Sprache ist seine Sache nicht. Mein erster Gedanke war: Die Headhunter haben ihn an einem Montagmorgen entdeckt, als sie noch 1,83 Promille Restalkohol in den Adern hatten - oder Koks bis unter die Haarspitzen, was in der Branche wohl gängiger ist. 
    Kurz ertappte ich mich dabei, dass ich mir den „Let’s rock Corona“ in sein altes Wirkungs- und Werkungsfeld zurückwünschte. Sie wissen schon, der mit dem Helfersyndrom und der „Protection Collection“. „Wenn der is Zeitlich segnet, muas men die Gosch extra oschlogn“, bemerkte mein Stammtisch dazu. Ich schweife ab.

    Also wenn es eine Phobie vor Marketingfuzzies gibt, bin ich dabei eine zu entwickeln, denn wenn ich an den geschniegelten IDM-Abteilungsdirektor für Marketing aus dem schönen Pustertal denke, bekomme ich Schüttelfrost. Ich frage mich, ob der im TV auch Lobhudeleien über unseren Overtourism vom Stapel lassen würde, wenn seine Bruttobezüge nicht 125.691,17 Euro plus 15.000 Euro Ergebniszulage wären, sondern das Gehalt des ukrainischen Zimmermädchens in „Personale“, der Doku von Carmen Trocker? In der Zusammenfassung des Programmheftes des Bozner Filmfestivals 2025 heißt es zum Film: „Doch der Druck ist groß, die Zeit ist knapp und die Arbeitsbedingungen sind prekär.“ Tolle Doku, kann ich nur empfehlen, vor allem wenn man bedenkt, was alles nicht gezeigt werden durfte, damit der Ralph vom Cavallino sein Placet dazu gibt.

  • Therapie

    Um die Zimmermädchen in Gröden und mich von den ausländischen Kennzeichen zu befreien, hilft nur eine Radikalkur in mehreren Stufen:

    • Als Erstes streichen wir die Geldgeschenke an den HGV. Das waren laut den Gewährungsakten des Landes auch 2024 wieder 283.778,44 Euro. Ich versteh das nicht. So ein stolzer Verband, der für sich in Anspruch nimmt Südtirol mit Wohlstand überschüttet zu haben, wird doch genug Kohle für seine Messeauftritte haben, anstatt sich dafür 38.625 Euro aus dem Steuersäckl zu holen?
    • Die öffentlichen Zuschüsse für die IDM werden auf Null gesetzt. Wissen Sie warum der Anteil des Tourismus an der allgemeinen Wertschöpfung im Land nur bei rund 11 Prozent liegt? Weil sich die Hoteliere ihre Bilanzen von Wirtschafts- und Steuerberatern schön rechnen lassen. Auf dem Papier alles arme Schlucker. Sehr lehrreich fand ich dahingehend die Abrechnung in einem Cafe an einem Südtiroler Badesee. Hätte ich in bar bezahlt, hätte man es (wie am Nebentisch) beim Fresszettel mit einem „Preconto“ belassen. Erst als ich sagte, ich wolle mit Karte bezahlen, wurde er durch einen „fiskalen“ Kassenzettel ausgetauscht.
      Die unverschuldet Verschuldeten sollen mal ordentlich Geld in die Hand nehmen und für ihre bescheuerte Werbung auf Pro7 selber löhnen.
    • 36 Prozent der 34.000 Beschäftigten im Gastgewerbe sind Ausländer, heißt es im Jahreszwischenbericht 2024 der Beobachtungsstelle für nachhaltigen Tourismus Südtirol an der Eurac. Werden alle remigriert! Für einmal bin ich mit dem Innschpruckkker mit Migrationshintergrund (Sven ist kein Südtiroler Name) und dem bärtigen Skilehrer d’accord: Statt Billiglohnsklaven soll Platz gemacht werden für insra Leit!
      Und wer kein hiesiges Personal findet muss zusperren. Da bleiben dann nicht mehr viele Betriebe übrig. Verknappung des Angebots nennt man das in der vielgepriesenen Marktwirtschaft. Ich rechne mal vor: Vor kurzem haben in der Landesberufsschule für das Gastgewerbe Savoy „80 Absolventinnen und Absolventen der Abschlussklassen der Bereiche Kochen und Service“ ihr Diplom erhalten. Dazu kommt noch einmal eine Handvoll von der Emma Hellenstainer in Brixen. Das ist gerade mal der Personalschlüssel einer 5-Sterne-Bude. (Die Hotelierssöhne und -töchter im Kaiserhof habe ich außen vor gelassen; wären in der Rechnung eh die zukünftigen Chefs).
      Laut dem Landesinstitut für Statistik ASTAT haben wir Stand Mai 3.954 gastgewerbliche Betriebe. Innerhalb eines Jahres ist die Zahl der Vier- oder Fünf-Sterne-Hotels um 25 Stück auf 654 angewachsen. Der Südtiroler Köcheverband - SKV schreibt auf seiner Homepage, er hätte „nahezu 2000 Mitglieder“. Sehen Sie die Diskrepanz? Der Norbert sucht für seinen 3-Sterneschuppen aktuell: Restaurant Manager, Chef de rang, Commis de rang, Chef de partie und einen Commis de partie - und der demografische Wandel, wenn die Boomer in Rente gehen, hat noch nicht voll durchgeschlagen. Egal an welcher Ecke sie ziehen, die Personaldecke inklusive Polen, Tschechen oder Serbo-Krovotn ist immer zu kurz. Umso mehr verwundert es, dass das Gastgewerbe die niedrigsten Löhne zahlt. Sie sagen es, die Ausländer drücken die Löhne. Die Ausländer sind an allem schuld! Abschieben! Alle abschieben!
      Die Lücke die sie hinterlassen, hört dann auf den klingenden Namen „Convenience Food“. Wer sich einmal durch die Kataloge von Koch oder First Class gescrollt hat, weiß, dass du heutzutage einen Knödel aus der Maschine, nicht von einem handgerollten unterscheiden kannst - nicht mal die der Pakistani, die sich den Ruf der besten Knödelmacher und Pizzabäcker erarbeitet haben. Das „Genussland“ hat es so nie gegeben.
    • Das obige wären natürlich nur flankierende Maßnahme. Die Stoßrichtung muss Richtung deutscher Presse gehen. Besser: Reisewarnung des Auswärtigen Amts. Wer erinnert sich an die Aufregung vor Ostern um die Unwetterwarnung für Aosta, in der fälschlicherweise auch Südtirol erwähnt wurde? Oder der Kampf der Meraner gegen die Tigermücke, die im Blätterwald nördlich des Brenners breiten Niederschlag gefunden hat? Die Jahrhundertstaus an der Lueg-Brücke muss ich als Urlauberschreck gar nicht erwähnen. Mir schwebt das Credo des Kalten Krieges vor: Friede durch Abschreckung. Hier ein Auszug an Meldungen, die wir im deutschen Boulevard platzieren sollten - die Systemmedien liest eh keiner:

         • Wildcamper von Einheimischen unter „Tourist-go-home“-Rufen gelyncht.
         • Die Dolomiten zerbröseln: Felssturz unter Einserkofel in Sexten begräbt zwanzigköpfige Wandergruppe aus Paderborn
         • Downhiller rasen ungebremst in Feuersbrunst eines Waldbrandes oberhalb des Pyromanendorfs Prad. Tot!
         • Vandalismus-Wahnsinn! Autolack von Wagen mit deutschem Kennzeichen südtirolweit zerkratzt. Teslas abgefackelt!
         • Leck im Südtiroler Zogglerstausee ertänkt Raftingboote. Nur der Hund konnte gerettet werden
         • Familie mit zwei Kleinkindern verdurstet bei 37° C im Stau auf italienischem Teil der  Brennerautobahn
         • Pilzsucher aus Köln in Südtiroler Wald von Bär zerfetzt
         • Auf Passstraße gelasert. Italienische Polizei beschlagnahmt 243 Motorräder bei Blitzer-Marathon. Werden nach italienischem Recht höchstbietend versteigert
         • AirBnB-Mieter geteert und gefedert durch Bozner Innenstadt getrieben
         • Violetter BMW kickt beim Driften auf Gödner-Joch-Straße drei E-Bikes in den Abgrund. Tot!
         • Südtiroler Lobbyisten aus der Tourismusbranche mit 1-Euro-Münzen öffentlich zu Tode gesteinigt
         • Abzocke! Lebenshaltungskosten in Südtirol die höchsten in ganz Italien

    Wird nie publiziert werden. Unser Land ist nicht einmal im Stande Cyberangriffe abzuwehren; wie sollen wir da eine Trollarmee aufbauen, die uns das Netz mit Fake-News flutet? Die einzige traurige Schlagzeile, die bald dieses Portal unter der Wahrnehmungsgrenze zieren wird lautet dann: Goggel Totsch von Pinakídaphobie-Anfall auf Parkplatz des Spatzenfests dahingerafft.