Kultur | Salto Afternoon

"Das Puppentheater ist sehr flexibel..."

Eva Sotriffer ist mit ihren Puppen viel unterwegs. Vergangene Woche war sie in Schweden, ab heute in Slowenien. Salto hat sie dazwischen zum Gespräch getroffen.
zweihandtheater
Foto: Eva Sotriffer

Salto.bz: Sie kommen gerade aus Schweden, haben dort in der Nähe von Malmö an einem Puppentheaterfestival teilgenommen. Wie ist der Auftritt gelaufen?
Eva Sotriffer: Der Ort war auf jeden Fall etwas Besonderes – es war ein ökologischer Theatergarten am Land mit einem wunderschönen Holzhaus, kleinen Hütten und Zelten. Das Publikum kam vorwiegend aus den naheliegenden Städten Malmö und Lund, die einen kreativen Sommertag im Freien verbringen wollten: eben mit Puppentheater, Ateliers, Picknick und Gartenbesichtigung. Pro Vorstellung bildeten sich Zuschauergruppen von circa 50 Personen, dazwischen konnte, wer wollte, unter Anleitung selbst kleine Holzpuppen aus Holz und Naturmaterialien bauen, sich den Garten erklären lassen, mit den Künstlern und Künstlerinnen plaudern oder einfach jede Menge Beeren und Früchte direkt von den Sträuchern und Bäumen essen – Kirschen, Maulbeeren, Johannisbeeren, Himbeeren, Stachelbeeren ohne Ende.

Sie haben mit Ihrem Stück TAKE IT! neapolitanische Handpuppentradition auf die Bühne gebracht. Was zeichnet diese Puppentradition aus? Wie ist der Süden Europas im Norden angekommen?
Diese Handpuppentradition – guarattelle – zeichnet vor allem ihre musikalische Struktur aus. Es gibt ein überschaubares Repertoire von Figurentypen und Szenenelementen, die man ziemlich frei, zu immer neuen Geschichten kombinieren kann. Das lässt viel Platz für Improvisation und auch Interaktion mit dem Publikum. Die Puppen sind relativ klein, kaum größer als eine Hand. Ihre hölzernen Hände und Köpfe lassen sich zum Teil wie rhythmische Musikinstrumente einsetzen. Die Sprache dieser kleinen Handpuppen ist recht elementar und wird wohl deshalb im Norden wie im Süden unmittelbar verstanden. Man findet ganz ähnliche Traditionen in den unterschiedlichsten Kulturen rund um den Erdball. In Schweden ist Puppentheater zwar weniger bekannt und schon deshalb etwas exotisch. Das spielte hier aber keine Rolle, die Rückmeldungen nach den Vorstellungen waren ähnlich wie in anderen Breitengraden, die Menschen wollten die Puppen aus der Nähe sehen. Schauen wie das funktioniert.

Welchen Anspruch haben Ihre Stücke, um auch international bestehen zu können?
Professionalität? Ich denke vor allem eine gewisse technische und ästhetische Qualität, die ich mir auch international erworben habe.

Wie gehen Sie mit Sprache, mit Mehrsprachigkeit um?
Indem ich gerne drauf verzichte. Wörter ersetze ich wo es passt durch Laute, Gesten und Zeichen. Puppentheater haben meistens einen eigenen Umgang mit Sprache, die verbale Sprache kann, muss aber nicht darin vorkommen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man umso präziser spielen muss und sich leichter aufs Wesentliche konzentriert, wenn man Text auf ein Minimum reduziert. Für mich persönlich ist gerade das spannend. Auch dem Zuschauer lässt es mehr Freiheiten.

Sie arbeiten für Ihre Stücke mit Musikern und Literatinnen zusammen. Sind Literatur und Musik die wichtigsten Inputs für Ihre Arbeit?
Zuerst die Musik, dann die Literatur. Die Musik gibt mir Inspirationen für den rhythmischen Aufbau, die Stimmung und Spannung. Von der Literatur bediene ich mich duch Inhalte und Bilder – die können genauso einfach aus dem Alltag kommen, aus Begegnungen und Beobachtungen.

Ein Puppenstück ist aufgrund der verschiedenen Ebenen ein idealer Platz für Sozialkritik.

Puppen sind bewegbare Skulpturen. Skulptur und die Kunst spielte bei Ihnen seit jeher eine Rolle?
Auf jeden Fall, in wechselnden Formen. Viele Jahre waren es auch Kostüme, Masken und Figuren, die ich für andere Spieler gefertigt habe. Heute gehört das Spielen für mich unmittelbar dazu.

Sie arbeiten täglich mit Marionetten, und könnten somit auch im Bereich Politik oder Wirtschaft arbeiten. Wieviel Sozialkritik darf in ein Puppenstück?
Ein Puppenstück hat immer einen Anfang und am Ende ist die Vorstellung vorbei, sind die Puppen wieder Holzköpfe oder Stofffetzen ohne Eigendynamik, die keinen Schaden anrichten können. In Politik oder Wirtschaft ist das schwieriger, the show must go on, man kann nie ausschließen, dass dort eine Marionette plötzlich selbst ihre Fäden in die Hand nimmt oder eine abgelegte Marionette rebelliert.
Ein Puppenstück ist aufgrund der verschiedenen Ebenen ein idealer Platz für Sozialkritik.

Der Bereich Kinder- oder Puppentheater wird wenig gefördert. Warum ist das so?
Beim Puppentheater liegt der Grund wohl auch darin, dass es sich nicht so klar zuordnen lässt. Es steht irgendwie zwischen bildender und darstellender Kunst. Neue Stücke professionell zu produzieren ist hierzulande nicht ganz einfach. Die zwangsläufige Beschränkung auf ein Minimalbudget hat aber glücklicherweise nicht nur Nachteile.

Südtirol hat eine verhältnismäßig lange Theatertradition, das sieht man besonders in der Sommerzeit. Ist der Bereich Kinder- und Puppentheater noch in den Kinderschuhen?
Kindertheater und Puppentheater sind eigentlich zwei verschiedene Bereiche, die sich nur sehr oft überschneiden. Puppentheater ist in Südtirol nicht wirklich präsent. In Südtirol liegt es wohl einerseits daran, dass sich Puppentheater – mit wenigen Ausnahmen – nicht gerne institutionalisieren lassen und man in Südtirol alles sehr gerne in irgendeiner Form institutionalisiert.

Dieses Wochenende geht es zum Festival nach Slowenien. Dort werden Sie ein anderes Ihrer Stücke aufführen? Wer trifft die Auswahl?
In der Regel wählt der Veranstalter aus. Mittlerweile möchten viele Veranstalter auch einen Videomitschnitt, wenn sie das Stück nicht bereits selbst gesehen haben. Beim Festival in Slowenien – das übrigens in erster Linie ein Musikfestival ist – schlagen die Künstler selbst vor.

Verdrängen TV und iPad das Puppentheater?
TV und iPad sind keine Konkurrenz für Puppentheater. Das Puppentheater ist sehr flexibel…