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Vom Finden zum Fühlen

In dieser Folge präsentieren wir das Kunstwerk von Abdul Sharif Oluwafemi Baruwa. Eine Brücke zwischen Gegenstand und innerliches Fühlen.
I’m gone. Do you remember me?
Foto: Ar/Ge Kunst, Foto Tiberio Sorvillo
  • Abdul Sharif Oluwafemi Baruwa ist ein in Wien lebender Künstler, der seine Kindheit und Jugend in Südtirol verbracht hat. Seine Arbeiten habe ich in der Ausstellung „I’m gone. Do you remember me?“ in der Ar/Ge Kunst kennengelernt, kuratiert von Francesca Verga und Sasha Colah. Der Künstler arbeitet in seinen Installationen mit Malerei, Skulptur, Zeichnung, Objekten, Performances und Video. In seinen Werken reflektiert er seine eigene Identität als Spiegelbild konfliktreicher sozial-politischer Strukturen und zeigt uns, wie unsere privaten Räume von diesen geprägt sind. Erst später habe ich erfahren, dass er 2004 den Paul-Flora-Preis gewonnen hat und dieses Jahr bei der Artissima in Turin mit einer Solo-Präsentation vertreten ist. Bis 6. Oktober gibt es die Möglichkeit, seine Ausstellung „Haus-Geist“ in der Neue Galerie Graz zu sehen. 

     

    „Da hab ich gemerkt, dass ich diesen Link, beziehungsweise das Fühlen und den Gegenstand, als Brücke brauche, um die Verbindung zu mir selbst wieder herzustellen.“ 

     

    SALTO ARTSTORE: Abdul, deine Biographie und fluktuierende Identität machen neugierig. Du bist in London geboren und mit zwei Jahren mit deiner Mutter in ihre Heimat Südtirol gezogen. Mit einem Vater aus Nigeria und dunkler Hautfarbe bist du in Südtirol in den späten 70iger Jahren bestimmt aufgefallen. Aufgewachsen bist du in Lüsen. In einer Gemeinde mit weniger als 1000 Einwohnern ist man schnell bekannt. Heute lebst du in Wien, hast letztes Jahr den Vienna Contemporary Art Prize gewonnen und bist in der renommierten Galerie Exile vertreten. Wie blickst du heute auf Südtirol zurück und wie haben deine Erfahrungen in Südtirol aufzuwachsen deine Arbeit geprägt? 

    Sharif Oluwafemi Baruwa: Ich heiße übrigens Abdul Sharif Oluwafemi Baruwa. Also „Abdul“ ohne „A“. Ich bevorzuge Sharif/Sherif, irgendwann wurde ich umgetauft, mit 7 und ganz ehrlich; So sehr ich den Walter, damals Priester in Lüsen mochte, das war eine dumme Aktion oder ein Geschenk Gottes, Ansichts-Sache, auf jeden Fall bereichert‘s die Biographie, auch gut. 

    Nachdem ich mittlerweile schon länger in Wien lebe sehe ich Südtirol als Station. Ich bin ja mit nur zwei Jahren nach Südtirol gekommen, mit meiner Mutter und meinem Bruder, eben ins Dorf meiner Mutter. Ich kann mich erinnern, nichts verstanden zu haben, wir hatten ja bis dahin nur englisch gesprochen.

    Sicher bin ich aufgefallen und das Bild des Schwarzen, damals noch Neger, stark von Amerika und Hollywood geprägt, war nicht immer einfach. Das fällt aber unter „kollektive Ignoranz“ , aus der sich Einzelne nur schwer befreien können. Grundsätzlich hab ich mich in Lüsen sehr wohl gefühlt. In Summe, auch wenn es mir anders oft lieber gewesen wär, eine gute Erfahrung. Wenn ich nach Lüsen fahr und alte Bekannte treffe ist es nach wie vor so, dass ich mich dort am direktesten angesprochen fühle.

    Ich besteh grundsätzlich auf politische Korrektheit, lass mich auch gerne korrigieren. Es gibt aber auch Leute die einem als Mensch begegnen, deren Sprachgebrauch aber nicht immer dem heutigen Standard politischer Correctness entspricht. Rassismus ist ja mehr als eine spontane Bosartigkeit. Ein System der Unterdrückung, das im Zuge der Kolonialisierung und des transatlantischen Sklavenhandels der Gesellschaft antrainiert wurde und dann zum Selbstläufer wurde. 

    Es geht um „Unlearning“ wie es so schön heißt. 

    Über den Vienna Contemporary Preis hab ich mich natürlich gefreut. Für mich. aber auch für den Galeristen, als Belohnung dafür das er sich ohne viele Vorgaben und viel Vertrauen mit einer ziemlich eigenwilligen Position aufs Parkett gewagt hat. Die Jury war auch gut besetzt insofern, ja. 

     

     

  • Abdul Sharif Oluwafemi Baruwa, "In the same Boat", Viennacontemporary 2023, Booth D19 Foto: EXILE
  • Anfang dieses Jahres hast du in der Ar/Ge Kunst deine Arbeit ausgestellt. Sie bestand aus einer an der Wand hängenden Zeichnung auf Stoff sowie zwei Booklets auf einem, von denen eines den Namen "Daniel" und das andere " Sharif " trägt. Daniel beinhaltet Erzählungen und Gedichte, Sharif zeigt Bilder von dir als kleinem Jungen auf der Alm und Zeichnungen. Zwischen den Booklets befinden sich kleine Objekte, die erst einmal an Knochenteile erinnern. Der Name dieser Objekte ist "Missing Link" und scheint darauf zu verweisen, dass etwas benötigt wird, um diese beiden Identitäten zusammenzuführen. Kannst du mir mehr über diese Arbeit erzählen? Und was hat es mit dem Baum auf sich, der auf dem Stoff gezeichnet ist? In der Arge Kunst hat man mir verraten, dass der Baum ein wiederkehrendes Motiv in deiner Arbeit ist. Warum gerade dieser Ausschnitt des Baumes, warum Stoff als Träger der Zeichnung? 

    Die Booklets sind mit Daniel und Sharif betitelt. Daniel mit Texten und Gedichten ist 2023 erschienen, Verlag Sonderzahl. Sharif ist 2022 erschienen, herausgegeben von Black Pages. Die machen das so, dass das Heft immer den Vornamen des Künstlers trägt. Ich hatte kurz zuvor mit meinem Sohn meine Mutter besucht, durch Fotos gestöbert, einige davon abfotografiert und sie dann für das Black Pages-Heft adaptiert. Dazwischen gestreut, zwischen die Bilder von der Alm gibt’s Baumzeichnungen, vom Auerwelsbachpark in Wien. Ich zeichne gerne Bäume. Äste sind wie Menschen die es nie ganz ins Eigenleben schaffen. Bevor sie sich lösen können, wächst schon wieder der Nächste aus dem Einen raus. Auch die Kräfteverteilung innerhalb des Baumes finde ich interessant, hat was von Tanz. 

    Das Textil war einfach grad zur Hand, ungefähr drei gleich große Teile Theaterstoff. Hat mir wer geschenkt nach dem Abbau einer Ausstellung bei der Ich auch dabei war. Den Stoff mag ich weil Spiel, Bühne, Performance, wichtige Elemente meiner Arbeit sind.

    Die „Missing Links“ haben ihren Ursprung in einer Auftragsarbeit für das Festival der Regionen. Antoine Turillon und Seth Weiner haben für das Projekt „Give aways/ Hide aways“ weitere Künstler dazu eingeladen, eine Arbeit für das Bahnhofsgebäude Lungitz beim ehemaligen Konzentrationslager Gusen 3 zu entwickeln. Wo das Arbeitslager stand ist heute nur mehr ein Feld zu sehen. Antoine hat gemeint, falls ich dort grabe, würde ich schnell das eine und andere Relikt entdecken.

    Ich hab dann das Prinzip der Ausgrabung auf meine künstlerische Praxis übertragen und bin über allerlei Umwege zum „Missing Link“ gekommen. Ich habe gemerkt, dass ich diesen Link, beziehungsweise das Fühlen und den Gegenstand, als Brücke brauche, um die Verbindung zu mir selbst wieder herzustellen. Zumindest hat es sich so angefühlt wo ich‘s zum ersten mal in der Hand hielt.

    Achille Mbeme spricht in seinem Buch „Kritik der schwarzen Vernunft“ von der Selbstentfremdung einer Gesellschaft, die mit dem Etablieren rassistischer Sytseme einhergeht und die es überhaupt erst möglich macht, dass bestimmte Verbrechen passieren können. Zum Beispiel, Holocaust, Kolonialisierung, transatlantischer Sklavenhandel, die Auslöschung der Native Americans, das Apartheitregime in Südafrika, Palästina, u.v.m.

     

    Es gibt immer wieder Zitate an andere Künstler, zum Beispiel Franz West oder Egon Schiele. Gibt es einen Künstler oder eine Künstlerin, die dich in deiner Denkweise besonders geprägt hat und wenn ja, in welchem Sinne?

    Franz West spielt eine Rolle, Schiele weniger. Loiuse Bourgois, da gibt’s so viele Einflüsse aus Tanz, Theater, Film, Literatur, Philosophie. Verschiedenste Künstlerinnen, weiß ich gar nicht wo ich damit anfangen soll. Das ändert sich stetig. Das letzthin schwer beeindruckt von den Ausstellungen von Firelei Baez im Lousiana, Kopenhagen, 2024, Kapwani Kiwanga, Copenhagen Contemporary, Kopenhagen 2024 Renate Bertelmann’s großartige Retrospektive im 21er Haus, Wien 2024 Bertlmann#s frühe Malerei hat mich überrascht vor allem auch in der Ausführung Wie eine sorgfältige Restaurierung da scheint eine Qualität durch irgendwie etwas die man auch in ihren Installationen wiederfindet.

    Stranger belongs to me, Taxispalais, Innsbruck 2024, war sehr schön. Shimabuku Me/We und später Hope, beides im Museion.

  • Abdul Sharif Oluwafemi Baruwa, Jugendzimmer 2023 Foto: EXILE
  • Deine Installationen setzen sich aus mehreren kleineren und größeren Teilen zusammen und umfassen Malerei, Video, Skulpturen und Texte. Kannst du mir erzählen, wie du im Moment des Ausstellens vorgehst? Werden in neuen Installationen auch wieder Teile früherer Installationen mitaufgenommen? Viele deiner Arbeiten wirken skizzenhaft und fragil. Die verwendeten Materialien wirken gefunden und wertlos. Kannst du mir zu dieser Entscheidung was sagen.

    Den Großteil bereite ich schon vor dem Aufbau vor. Meistens bühnenartige Settings, die mehr auf eine Gesamtwirkung zielen und weniger das Einzelne meinen. Das Interesse am Gefundenen, ergibt sich aus einem grundsätzlichen Interesse an Historizität, dem begreifen der Dinge innerhalb ihres historischen Kontexts. Im bewusst sein dessen, dass dieses Begreifen wiederum unter den Bedingungen des gewärtigen historischen Kontexts stattfindet. Für mich eine Art Grundvoraussetzung um ein einigermaßen erträgliches Leben zu führen zu können.

    Einiges bleibt als gefundenes Objekt der Gesamtheit dazugestellt als Methode zur Dekonstruktion. Anderes wird verändert, manipuliert, und ist sich stets der Geschichtlichkeit der Geste bewusst.

    Ich glaub das starke Bedürfnis nach derartigen Methoden hat tatsächlich mit meiner komplexen Biografie zu tun. Südtirol wirkt hier aufgrund seiner Geschichte nochmal verstärkend. 

    In der Regel versuche ich alle Installationen in ihrer Gesamtheit zu lagern. Das heißt ich stelle meistens nicht gezeigtes beziehungsweise Neues aus. Es sei denn Kuratorinnen wünschen sich ein bestimmtes Werk. Zum Skizzenhaften, ich fand schon während dem Studium die Skizzen der alten Meister interessanter als ihre „fertigen“ Werke. 

  • Detail von „Missing Link” Foto: Abdul Sharif Oluwafemi Baruwa
  • Werkangaben

    Künstler: Abdul Sharif Oluwafemi Baruwa 

    Titel des Werks: Missing Link

    Jahr: 2023/ 2024 

    Material: Keramik

    Dimension: 5 x 5 x 3 cm

    Auflage: Open Edition/ 6 Stück

    Preis: 150 € + Mwst

  • SALTO hat mit dieser digitalen Galerie einen speziellen Raum für Künstler aus dem Euregio-Tirolo-Gebiet geschaffen.
    Die Kunstwerke werden exklusiv im Artstore von SALTO präsentiert.

    Artstore ist ein Projekt, das von der Kulturvereinigung BAU entwickelt wurde. Heuer liegt die Kuratorenschaft in den Händen von Eau&Gaz, ein Residenzprogramm für KünstlerInnen, KuratorInnenund andere im Kulturbereich tätige Personen. Seit 2022 organisiert es auch das Kultur- und Bildungsprogramm auf Schloss Gandegg in Eppan. Für den Artstore hat sich das Team von Eau&Gaz entschieden, künstlerische Positionen vorzustellen, die sie dieses Jahr in Südtiroler Ausstellungen anzutreffen sind. Eau&Gaz wird von Kathrin und Sarah Oberrauch sowie Johannes Nowak kuratiert.

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    Foto: SALTO