Politik | Landesregierung

Das große Los von Trient

Landtagspräsident Sepp Noggler will das Gutachten des Rechtsamtes zum italienischen Landesrat von der Staatsadvokatur in Trient überprüfen lassen. Ändern wird das wenig.
Landtag
Foto: Seehauserfoto
  • Mathematische Regeln gelten in der Politik nicht. Nur so wird verständlich, dass für manche ernsthaft feststeht, dass 29 plus 5 die Zahl 35 ergibt. Das ist die Grundlage der „Rechtsgutachten“, die medial verbreitet werden und lautstark einen zweiten Landesrat für die italienische Sprachgruppe fordern.
    Dabei hat das Rechtsamt des Landtages bereits vor Wochen ein Gutachten für den Landtag ausgearbeitet. Dort werden die Grundzüge der Mathematik nicht auf den Kopf gestellt. Dieses Gutachten kommt zu einem glasklaren Schluss: Bei 5 italienischen Landtagsabgeordneten und einem ladinischen Landesrat kann es - völlig unabhängig von der Größe der Landesregierung zwischen 8 und 11 Mitgliedern - nur einen italienischen Landesrat geben.
    Der italienische Mitte-Rechts-Block hat jetzt aber private Fachleute aufgeboten, etwa den ehemaligen Landesrat und Claudiana-Dozenten Roberto Bizzo, den Anwalt Luca Crisafulli oder die Bozner Anwältin Eleonora Maines, Mitglied der Sechser- und Zwölferkommission, die Gutachten vorlegen, die besagen, dass bei einer Landesregierung von 11 Mitgliedern zwei italienische Landesräte ernannt werden müssen.

  • Die absurde Rechnung

    Im Wahlgesetz heißt es: 

    „Der ladinischen Sprachgruppe kann die Vertretung in der Landesregierung auch abweichend von ihrer zahlenmäßigen Stärke im Landtag zuerkannt werden. Im Falle der Vertretung der ladinischen Sprachgruppe in der Landesregierung stehen die restlichen zu vergebenden Regierungsämter den anderen Sprachgruppen im Verhältnis zu deren zahlenmäßigen Stärke im Landtag zu.“

    Die Gretchenfrage ist jetzt aber, wie man diese „zahlenmäßigen Stärke im Landtag“ errechnet.
    Der Hausverstand und die Mathematik geben den Weg eigentlich vor. Man muss den ladinischen Abgeordneten bei dieser Bestimmung weglassen, sonst wird dieser doppelt gezählt. Das hießt man dividiert die Abgeordneten der deutschen und der italienischen Sprachgruppe durch 34. Bei 29 deutschen Abgeordneten kommt man bei 10 zu vergebenden Plätzen in der Landesregierung so auf 8,529. Diese Zahl wird nach dem im selben Gesetz festgeschriebenen Rundungsmodus für den Geschlechterproporz aufgerundet. Bei 5 italienischen Abgeordneten kommt man hingegen auf 1,470, was auf 1 abgerundet wird.
    Die Gegengutachten gehen hingegen davon aus, dass man nicht durch 34 sondern durch 35 teilt. Damit kommt die deutsche Sprachgruppe auf 8,285 und die italienische auf 1,428. Würde man hier den im Gesetz festgelegten Rundungsmodus anwenden, müsste man beide Zahlen abrunden. Dann aber würde ein Landesrat fehlen.
    Die Privatgutachter ziehen jetzt eine anderes Kaninchen aus dem Zylinder. Der Rest 0,428 der italienischen Sprachgruppe ist größer als jener der deutschen Sprachgruppe 0,285. Deshalb stehe den Italienern ein zweiter Landesrat zu.
    Fantasie muss man haben.

  • Landtagspräsident Sepp Noggler: Stellt sich voll hinter sein Rechtsamt. Foto: Hannes Prousch

     

    Vor diesem Hintergrund fordert man jetzt ein neues Gutachten. Dass man damit die Unabhängigkeit des Rechtsamtes des Landtages, dessen Funktionäre aus allen drei Sprachgruppen kommen, offen in Frage stellt, scheint dabei niemand zu kümmern. Auch die Tatsache, dass ausgerechnet der eben gewählte neue Vizepräsident des Landtages, Marco Galateo, einer derjenigen ist, die dem Gutachten aus dem eigenen Rechtsamt nicht trauen, ist ebenso keine Sternstunde der Demokratie.
    Ich glaube nicht, dass man ein amtliches Gutachten einer unabhängigen Stelle mit diesen Stellungnahmen von Privatsachverständigen gleichsetzen kann“, reagiert Landtagspräsident Sepp Noggler gelassen auf die Anwürfe. Der Landtagspräsident stellt sich damit voll hinter seine Rechtsämter. 
    Um dem Streit aber den Wind aus den Segeln zu nehmen, wird Sepp Noggler sich nun an die Staatsadvokatur Trient wenden. Diese öffentliche, staatliche Stelle wird aber kein neues Gutachten verfassen, sondern sie soll das offizielle Gutachten des Rechtsamtes des Landtages auf seine Stichhaltigkeit untersuchen.
    Damit wird das große Los um den Sitz des zweiten italienischen Regierungsmitglied in Trient gezogen oder nicht.