Bauern auf dem Prüfstand
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Der landwirtschaftliche Sektor in den Alpen steckt in einer tiefgreifenden, strukturellen Veränderungsphase – eine Realität, die Thomas Streifeneder, der Leiter des Instituts für Regionalentwicklung bei Eurac Research, mit einer beeindruckenden Zahl belegt: „In den Alpen haben in den letzten vier Dekaden über 350.000 Betriebe aufgegeben.“ Angesichts dieses Wandels sind Romane und Erzählungen von Bauernschriftstellern wie Jean Pierre Rochat oder Reinhard Kaiser-Mühlecker für den öffentlichen Diskurs unverzichtbar, denn „Kundig geben sie dem Unsagbaren über das facettenreiche Land eine überzeugende Stimme.“
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Bauernromane im Fokus der Wissenschaft
Thomas Streifeneder, Leiter des Instituts für Regionalentwicklung von Eurac Research: „In den Alpen haben in den letzten vier Dekaden über 350.000 Betriebe aufgegeben.“ Foto: Tiberio SorvilloEurac Research widmet sich dieser Schnittstelle zwischen Literatur und Wissenschaft. Der diesjährige Workshop, der vom 3. bis 5. Dezember 2025 stattfindet, legt den Schwerpunkt auf den intermedialen Vergleich historischer und zeitgenössischer Bauernromane und Bauerngeschichten mit anderen Medien wie Film und Sachbüchern.
Zu Gast ist unter anderem die Autorin Jarka Kubsova. Das zentrale Ziel ist es, die Rolle der Literatur bei der realitätsnahen Darstellung des Bauernstandes zu diskutieren. Es soll herausgefunden werden, inwiefern literarische Werke helfen können, die reale Situation besser zu verstehen, indem sie das „Ausgeschlossene, Nicht-Gewusste“ und „Wissen an den Rändern des öffentlichen Diskurses“ schildern und neue Blickwinkel eröffnen.
Literatur als ganzheitliches MediumLiteratur scheint für die Eröffnung solcher neuer Blickwinkel ein besonders geeignetes Medium, da die literarische Sprache Komplexes, wie zum Beispiel die familiäre Situation auf einem Hof, komprimiert und ganzheitlich darstellen kann. Streifeneder fasst zusammen „Große Literatur schafft es, so plausibel zu erzählen, dass wir als LeserInnen empathisch in die bäuerliche Welt eintauchen, um sie besser zu verstehen.“
„Ich sehe Literatur dabei als Türöffner für eine Forschungswelt, die von vielen wohl als eher schwer zugänglich empfunden wird."
Neben der literarischen Gattung des Romans spielen auch andere Medien eine wichtige Rolle: Erfolgreiche autobiographische Schilderungen wie die von Uta Ruge oder Ewald Frie sowie die Sachbücher der Südtirolerin Astrid Kofler ermöglichen eine sehr persönliche, ja authentische Auseinandersetzung mit dem Thema. Die regionale, alpine Perspektive ist Streifeneder besonders wichtig, da die Landwirtschaft die Kulturlandschaft Südtirols stark prägt und damit die territoriale Wahrnehmung beeinflusst. „Ich sehe Literatur dabei als Türöffner für eine Forschungswelt, die von vielen wohl als eher schwer zugänglich empfunden wird."
„Mehr Einsichten und Erkenntnisse“
Als Wissenschaftler erhofft er sich von dem Austausch eine gegenseitige gewinnbringende Befruchtung. Er wünscht sich vor allem „mehr Einsichten und Erkenntnisse“, wie die Wissenschaft von literarischen Werken profitieren kann. „Ich jedenfalls lese nicht nur mit Genuss, sondern auch mit viel Erkenntnisgewinn gelungene Bauernromane, -erzählungen und -biographien.“
Informationen im ÜberblickDer internationale Workshop „Bauern und bäuerliche Lebenswelten in aktuellen Erzählungen und Diskursen“ findet vom 3. bis 5. Dezember 2025 an der Eurac Research in Bozen statt. Die Veranstaltung, die den interdisziplinären Dialog zwischen Literatur und Wissenschaft fördert, wird als Internationaler Workshop: Literatur & Wissen(schaft) geführt. Die Vorträge und Diskussionen finden in deutscher und italienischer Sprache statt; es gibt keine Simultanübersetzung. Die Teilnahme an allen Tagen ist kostenlos. Hier geht es zur Anmeldung.
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