Kunst | Malerei

Erlesene Briefe

Die Künstlerin Margareth Dorigatti hat Briefe und ausgewählte Inhalte malerisch festgehalten. Ob das ein oder andere Briefgeheimnis dabei ist? Ein Blick auf ihre Bilder.
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Foto: Galerie Alessandro Casciaro
  • Gemalte Visionen

    Der Dichter, Journalist, und Dozent für Ästhetik an der Universität Rom La Sapienza Duccio Trombadori schreibt im Hochsommer 2022 einen Brief an die Künstlerin Margareth Dorigatti. Er bezeichnet sie darin als „eine scharfe, geistreiche, manchmal unbarmherzige Analytikerin“, ihres eigenen und unseren Gefühls, die in ihren Gemälden versucht „Gedanken und Emotionen verschmelzen“ zu lassen, indem sie „visuelle Augenblicke“ festhalte, die aus „Farbfäden, geschickten Formen des Strichs, der Kontur und der Nuance bestehen“. Er erkenne in ihren „gemalten Visionen“, ihr „öffentliches Leidens-Tagebuch“ wieder, „tief erlebt, und aufrichtig, aus dem Bedürfnis heraus, ein Licht zu sehen und einen klaren Weg zur Erlösung auf dem geheimnisvollen Pfad der Existenz zu erkennen.“ 
    Der liebevoll verfasste Brief hat es in sich. Wie auch die Bilder, die Margareth Dorigatti noch bis 13. Januar in der Galerie Alessandro Casciaro ausstellt. Sie zeigt Erlesenes. 

  • Dauerhaftes

    Weisst du noch…: als in der Zeitung stand, wir hätten wieder Krieg ... lass uns zusammenpacken und eine Gondel nehmen Foto: Galerie Alessandro Casciaro

    Warten nennt sich die Einzelausstellung, in welcher die Künstlerin Briefkorrespondenzen in den Mittelpunkt setzt. 1954 in Bozen geboren, studierte Margareth Dorigatti ab 1973 an der Akademie der Schönen Künste in Venedig bei Emilio Vedova, zog 1975 nach Berlin und belegte an der Universität der Künste Berlin Kurse in Malerei, Grafik und Fotografie. 1977 folgte die Gründung eines Atelierhauses, in welchem führende Künstler und Künstlerinnen und Persönlichkeiten des Showbusiness ein- und ausgingen. Ihre Ausstellungstätigkeit begann Dorigatti drei Jahre später, zunächst in privaten Galerien der Stadt, dann 1983, realisierte sie zusammen mit Joachim Szymzcak ein erstes großes und umfangreiches Projekt für das Berliner U-Bahn-Netz. Nach Abschluss des Studiums der Visuellen Kommunikation zog sie 1983 nach Rom und machte als Malerin weiter. Seitdem stellte sie in Paris, Mailand, Pescara, Bozen, Modena, Bologna, Berlin, Nimes, Lyon, Köln oder Bonn aus. Natürlich in Rom und immer wieder auch in Südtirol. Von 2004 bis 2021 hatte sie den Lehrstuhl für Dekoration an der Akademie der Schönen Künste in Rom inne, lehrte an der Universität der Künste in Berlin, an der Akademie der Schönen Künste in Bologna, an der Akademie der Künste in München und an der Freien Universität Bozen. Ihre Arbeiten sind in zahlreichen Sammlungen vertreten und brachten die Künstlerin 2011 auch zur 54. Biennale von Venedig.

  • Verschriftlichte Zeitreisen

    Mond oben: Kommunikationsform malerisch festgehalten Foto: Galerie Alessandro Casciaro

    Ausgangspunkt der Ausstellung sind Briefe, die die Künstlerin wiedergefunden hat. Sie erweckt über die malerischen Umsetzung eine aussterbende Tradition wieder zum Leben und lässt gleichzeitig an (ihren) autobiografischen, intimen und persönlichen Geschichten teilhaben. Stets bietet sie in ihren Gemälden dem Mysterium und der Neugierde reichlich Platz, da die Inhalte der Briefe – sie werden nur teilweise enthüllt, manchmal nur in den Kontext einer Zeit oder eines Ortes gestellt – zutiefst Existenzielles offenlegen und eine verhüllte Verbindung zu Betrachterinnen und Betrachtern aufbauen.
    Das Ende vom Anfang? Briefe begannen sich zeitgleich mit der Ausbreitung des schriftlichen Gebrauchs der Volkssprache in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts zu verbreiten. Sie änderten sich im Lauf der Zeit, wurden frei von Zwängen, authentischer, expliziter und spontaner. Gehalten haben sich Briefkorrespondenzen bis ins vorige Jahrhundert. Erst mit dem Aufkommen des digitalen Zeitalters, ist die jahrtausendealte Gewohnheit in nur wenigen Jahrzehnten beseitigt worden. 

  • Entlang der Farbverläufe, Mischtechniken, der vielen Schichten und technischen Mittel kann in der Ausstellung dem Wesen von Briefen nachgespürt werden, die bei Margareth Dorigatti auch unterschiedlich auf Leinwand gebracht, dennoch übereinstimmend und kraftvoll in ihrer Gesamtheit, eine große Wirkung entfalten. Wie ein guter Brief eben.

  • Foto: Galerie Alessandro Casciaro