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Die Wiener Festwochen und ihre Hashtags

Eines der wichtigsten und größten Kulturfestivals Europas geht in die nächste Runde: Fünf Wochen Ausnahmezustand sind vorprogrammiert.
Tianzhuo Chen
Foto: Tianzhuo Chen - Ishvara

Bekannt als Festival für Theater, Schauspiel und Oper schreit das diesjährige Programm der Wiener Festwochen förmlich nach Veränderung. Neben großen zeitgenössischen TheaterkünstlerInnen, wie Romeo Castellucci, der sich in Democracy in America dem Ende der Politik widmet, finden sich auf den Festwochen von 12. Mai bis 18. Juni vor allem PerformerInnen die stark vom traditionellen Theater abweichen. Viele der Produktionen und Uraufführungen können keinem Genre eindeutig zugeordnet werden und schwanken irgendwo zwischen Theater, Musik, Performance und Kunst.
So auch die erste Aufführung der diesjährigen Festwochen: Es ist die Europapremiere von Ishvara, ein Stück des chinesischen Künstlers Thianzuo Chen, das Göttergeschichten mit Popästhetik vermischt, sich irgendwo zwischen Buddha und South Park verorten lässt und wohl am ehesten als HipHop-Oper bezeichnet werden kann.

Vom „Gender Jihad“ muslimischer Feministinnen, bis hin zur Kapitalismus-Feminismus...

Immer wiederkehrend ist auch die Auseinandersetzung mit vergangenem und gegenwärtigen Zeitgeist. So versucht sich etwa der Künstler Jonathan Meese in Zusammenarbeit mit dem Komponisten Bernhard Lang an einer Neuinterpretation von Wagners Oper Parsifal und Elisabeth Bakambamba Tambwe stellt in der Performance Congo Na Chanel die Ausnutzung des Kongos von der Kolonialbesetzung bis hin zu heutigen multinationalen Konzernen mit einem Hauch von Chanel, virtuelle Collagenwelten und Tanz dar.

In mitten eines Potpourris aus zeitgenössischen Klassikern, Provokateuren und Experimentatoren findet sich sogar eine Hollywood Prominenz auf der Bühne: Jude Law spielt in Ivo van Hoves Obsession mit, einer Neuinszenierung von Lucino Viscontis Film Ossessione.
Und ganz nach dem Motto „alles neu und contemporary“ gibt es dieses Jahr sogar offizielle Wiener Festwochen Hashtags!

...bei Sauna-Feeling Geschlechterunterschiede hinterfragen und sich von Kopf bis Fuß mit postkolonialen Diskursen waschen

#artivism beschreibt jene Kunst, die nach Aktion und Engagement schreit, den passiven Observationsblick verbietet und zu aktivem Engagement aufruft. Dabei tritt das Format der Vorstellungen oft auch von der Bühne hinunter und fordert die Besucher zur Interaktion auf.
So kann der Besucher im Rahmen des Projekts Hamamness der Künstlerin Nuray Demir ein Hamam besuchen, bei Sauna-Feeling Geschlechterunterschiede hinterfragen und sich von Kopf bis Fuß mit postkolonialen Diskursen waschen. Angeboten wird auch The Anti-Fascist Ballet School, ein Frühlings-Exorzismus fürs Wohlbefindens, der Macht- und Befehlshierarchien des Militärs in Aktivismus zu verwandeln versucht. In der Performance Haircuts by Children des kanadischen Kollektivs Mammalian Diving Reflex werden Kinder (nach einem kurzen Crashkurs) mit Scheren auf die Köpfe von Erwachsene losgelassen um herkömmliche Macht- und Vertrauensverhältnisse auf den Kopf zu stellen. Eintritt und Haarschnitt sind übrigens frei.

Neu ist auch die Veranstaltungsreihe Akademie des Verlernens, eine Plattform für das Verlernen von kulturellen Kanons, sozialen Festschreibungen und Machtstrukturen. #talkingheads
Vom „Gender Jihad“ muslimischer Feministinnen, bis hin zur Kapitalismus-Feminismus Diskussion rund um Beyoncés Album Lemonade wird Kunst zum Medium von Gesellschaftskritik. Eine der prominentesten Gäste ist Gayatri Chakravorty Spivak, Philosophin und Wegbereiterin der Postcolonial Theory, die mit What Time is it on the Clock of the World? das Programm durch einen theoretischen Vortrag erweitert.

Neben sozialen Zuschreibungen und Machtstrukturen werden auch gesellschaftspolitische Phänomene thematisiert. Kriegsschauplätze, Zusammentreffen verschiedener Kulturen, Ausgrenzung und Integration und die Lebenssituation von Flüchtlingen finden Ausdruck in den Veranstaltungen. #centuryofthemigrant Dabei spielen vor allem persönliche Lebenserfahrungen eine große Rolle. Die Tanz- und Theatergruppe La Fleur, deren Mitglieder teils aus Pariser Banlieues, teils von der Elfenbeinküste kommen, beschreiben in Die selbsternannte Aristokratie die unsichtbare Klassentrennung, der Flüchtende in europäischen Städten begegnen und gründen kurzerhand eine eigene Aristokratie in der sie sich von Zuschreibungen lösen und frei ihre gewünschte Rolle einnehmen können. Mohammad Al Attar und Omar Abusaadas Während ich warte bietet ein direktes Sprachrohr in den syrischen Bürgerkrieg. Die Thematik soll jedoch nicht nur Sichtbarkeit und Einblicke geben, sondern ruft vor allem auch zu zukunftsgerichteten Visionen und Bereitschaft zur Veränderung auf.

In seiner Ansprache lädt der neue Intendant Tomas Zierhofer-Kin das Publikum ein, ein rauschendes Fest zu feiern: Ein FEST, das herrschende Denk- und Handlungsmuster in Frage stellt, aber auch Raum schafft für ekstatische Erfahrung, Potenziale freisetzt und Utopien produziert.“
Aus dem FEST im Manifest entwickelt sich nun auch eine MusikFESTival: Erstmals bieten die Festwochen ein „kleines Subfestival für Clubkultur“ an. #viennapartyweeks
Das viertägige Musikfestival HYPERREALITY soll aufzeigen, dass auch Clubkultur Kultur ist und experimentellem Electro und Future Beats Bühnen bieten. Holly Herndon, Gnucci, Princess Nokai, NON Records, GHE2OGOTH1K oder Nite Jewel sind nur einige wenige der (worth-to-google) MusikerInnen.

Wer also Lust hat in einen künstlerischen und kulturellen Schmelztiegel im Namen der Zukunftsvision einzutauchen sollte sich unbedingt auf den Weg nach Wien machen! 

"eines der wichtigsten und groessten Kulturwestival Europas"
eine kleine und kurze Suche bei Guadian co.uk oder lemonde.fr oder elpais.com zeigt sofort das es nicht sehr bekannt ist.
Provinzialismus?

So., 30.04.2017 - 08:42 Permalink