Kultur | Salto Weekend

Schnittige Landschaften

Vergangenen Samstag lud der Kunstsammler Antonio Dalle Nogare in sein Haus, um seine Stiftung und ein groß angelegtes Kunstwerk zu präsentieren: Malerei auf Marmor.
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Foto: Foto: Salto.bz

Nach Jahren der Vorbereitung hat sich Antonio Dalle Nogare 2011 unmittelbar neben der Seilbahn nach Jenesien einen Traum erfüllt: einen Kunsttempel - geplant von den Architekten Walter Angonese und Andrea Marastoni - für seine Sammlung. 

Dalle Nogare hat in den 1990er Jahren mit dem Sammeln von Kunst begonnen, zunächst mit Arbeiten von Malern der Tiroler Moderne, mit der Zeit kamen vermehrt zeitgenössische Arbeiten dazu. Seine persönliche Vorliebe gilt „der konzeptuellen und minimalistischen Kunst der 1960er und 1970er Jahre.“ Diese nimmt in seiner Sammlung den wichtigsten Stellenwert ein uund so steht heute beispielsweise eine große Arbeit von Dan Graham in Dalle Nogares Gartenwiese. Genau ein Stockwerk tiefer ist seit kurzem die neue, zeitgenössische Installation FOULT LINE zu sehen, inklusive einem Bild aus der Sammlung des Unternehmers.

Mit der Gründung der Fondazione Antonio Dalle Nogare wurden Gebäude und Ausstellung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Gemeinsam mit dem Kurator Vincenzo de Bellis hat Dalle Nogare den 1983 im Libanon geborenen Künstler Rayyane Tabet zur aktuellen Künstlerresidenz geladen.

Es ist eine Arbeit, die in Bozen entstanden ist, aber mit dem reinen Blickwinkel eines Außenstehenden, der aus einer Gegend stammt, in welchem teilweise dieselben Fragestellungen den Alltag beherrschen

Rayyane Tabet hat ein komplexes Kunstwerk komponiert: aus Laaser Marmorsand, legendären „Bolzano“-Rasierklingen und einem Landschaftsbild des Künstlers Hans Josef Weber Tyrol: „Meine Idee ist es diese drei Objekte zusammenzuführen“, erzählt Tabet „um damit eine neue Landschaft entstehen zu lassen. Der Marmor bildet die Grundfläche, die an der Wand angebrachten Rasierklingen stellen den Horizont dar. Der Fokus der Installation liegt hingegen auf dem gemalten Bild.“

Ziel der Stiftung ist es, Künstlern die Möglichkeit zu geben, sich mit der Sammlung des Unternehmers auseinanderzusetzen. „Daraus können sich neue Zugänge zu Kunst ergeben“ erzählt Haus- und Hofkurator Vincenzo de Bellis: „Wir laden Künstler ein, die sich für einen gewissen Zeitraum in Südtirol aufhalten, um die vorherrschenden politischen, historischen und sozialen Aspekte hierzulande zu verstehen. Daraus entwickeln sie ein Projekt, welches dann im Erdgeschoss des Hauses realisiert wird. Und eben Bezug nimmt, auf das Territorium, in welchem es geschaffen wurde.“

Mit der Installation kommt der Maler Hans Joseph Weber Tirol, über sechs Jahrzehnte nach seinem Ableben, zu unerwarteten Ehren. Sein Landschaftsbild aus der Sammlung des Auftraggebers hat Tabet für den weißen Raum inszeniert: Man betrachtet es und blickt am Bild vorbei durch ein großes Fenster in die Gegenwartslandschaft. Damit bringt der junge Künstler aus dem Vorderen Orient den österreichischen Maler in eine Gegend, die der Tiroler Künstler zeit seines Lebens herbeisehnte. Belegt ist etwa ein Tagebucheintrag zu einer Kindheitserinnerung, als der kleine Hans Weber, in der Gegend um seinen Geburtsort Schwaz, mit einem Landschaftsmaler ins Gespräch gekommen war.

»Was möchtest du werden?«
»Auch ein Maler!«
»Und was wirst du malen, auch da herum?«
»Nein«
»Ja was sonst?«
»Ich gehe in den Orient.«

Ein historisch nicht unrelevanter Schönheitsfehler ist den Ausstellungsmachern allerdings unterlaufen, indem sie nämlich Weber Tyrols Biografie umschreiben und behaupten, Weber Tyrol sei zunächst österreichischer Staatsbürger und nach den Kriegswirren Italiener geworden. Dem ist nicht so. Weber Tyrol hatte - obwohl er ab den 1930er Jahren bis zu seinem Tod in Südtirol wohnte - die Österreichische Staatbürgerschaft behalten. Es ist eine amüsante Anekdote in Doppelpass-Zeiten.
Trotz des kleinen Fehlers, Rayyane Tabet hat eine beachtliche Landschaftsarbeit hinterlassen, in welcher er sich sogar selbst findet: „Mich hat die Idee fasziniert in dieser Arbeit auch mich selbst zu finden. Und dies an einem anderen Ort der Welt. Für mich ist die Frage des Zusammenlebens in einer mehrsprachigen Region mit einer komplizierten Geschichte auch eine Art die Geschichte des Libanon in Bozen spürbar zu machen. Es ist eine Arbeit, die in Bozen entstanden ist, aber mit dem reinen Blickwinkel eines Außenstehenden, der aus einer Gegend stammt, in welchem teilweise dieselben Fragestellungen den Alltag beherrschen.“