Gesellschaft | Ernährung

Das Fleisch der Zukunft?

Anderswo auf der Welt gehört der Verzehr von Insekten zum Alltag. Auch in der EU will man künftig auf Krabbeltiere auf dem Teller setzen.

Um 20 Prozent sind die Verkäufe von rotem Fleisch italienweit eingebrochen, nachdem die Weltgesundheitsorganisation WHO dieses als “wahrscheinlich krebserregend” eingestuft hat. Verarbeitetes Fleisch wie Würste, Schinken und anderes sind nach Einschätzung der Internationalen Krebsforschungsagentur sogar krebserregend. Der regelmäßige Verzehr erhöhe das Risiko an Darmkrebs zu erkranken um 18 Prozent je 50 Gramm täglich. Die italienischen Fleischer sind besorgt. Doch der Präsident des nationalen Verbands der Metzger, Assomacellai, Gian Paolo Angelotti, bleibt zuversichtlich: “Ich geb’ dem ganzen 15 Tage Zeit, dann bin ich überzeugt, dass die Geschichte an Wichtigkeit verliert.” “Kein Grund zur Panik”, sagt man auch beim hiesigen Speckkonsortium.

Und doch kann davon ausgegangen werden, dass sich viele Menschen bereits nach Alternativen umschauen. In Deutschland nimmt man das Ganze mit Humor. Die Welt rät ihren Lesern zum “Fleisch-Pflaster” zu greifen. Etwas weniger satirisch ist das EU-Parlament die Sache angegangen. Am Mittwoch haben die Abgeordneten in Straßburg einen Bericht über Pläne zur Vereinfachung der Zulassungsverfahren für “neuartige Lebensmittel”, im Englischen “Novel Foods” genehmigt. Dazu zählen, neben neuen Farbstoffen und Lebensmittel, die mithilfe neuer Technologien hergestellt werden, auch Pilze, Algen und Insekten. Geht es nach dem EU-Parlament, sollen diese künftig also leichter in der Europäischen Union zu haben sein.

Dass Insekten als “Fleisch der Zukunft” gelten ist schon länger bekannt. Platz- und energiesparend sowie kostengünstiger zu züchten, und das bei einem vergleichbaren Proteingehalt wie “echtes Fleisch”, landen Grillen, Käfer, Schaben und Maden bereits heute auf den Tellern in vielen Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas. “Ein paar Insekten zu essen ist so, als würde man ein Multivitamin einnehmen”, verkündete die UN-Ernährungsorganisation FAO in einer Studie zur kommerziellen Insektenzucht in Thailand. So enthielten 170 Gramm Grillen etwa 60 Prozent weniger gesättigte Fettsäuren und zwei Mal so viel Vitamin B-12 wie die gleiche Menge Faschiertes. Dazu kommt, dass die Bauern keinerlei Antibiotika in der Aufzucht einsetzen müssten. Auch im Ressourcenverbrauch schlagen die Krabbeltiere jene auf vier Beinen um Längen: Um ein halbes Kilo Rindfleisch zu erzeugen, werden 11.000 Liter Wasser, knapp 13 Kilogramm Futter und große Weideflächen benötigt. Ein halbes Kilo Grillen kommt mit knapp vier Litern Wasser, einem Kilogramm Futter sowie einer kleinen Zuchtfläche aus. Ganz zu schweigen vom Methangasausstoß, der bei der Massentierhaltung von Rind, Schwein & Co. entsteht.

Aus ernährungs- und nachhalltigkeitsrelevanter Sicht liegen die Vorteile des Umstiegs auf Insekten also auf der Hand. Bleiben nur noch die kulturellen und geschmacklichen Vorurteile abzubauen. Gelegenheit dazu hatten die Besucher der Weltausstellung EXPO kürzlich in Mailand. Dort fand die italienweit erste Insekten-Verkostung statt. Und wer weiß, vielleicht satteln bald gar einige Metzger von den vierbeinigen auf die sechsbeinigen Nutztiere, wie sie die FAO nennt, um?