Drei Landtage - eine Stimme?
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Es war ein informelles Treffen, das am Dienstag Vormittag am Brenner über die Bühne gegangen ist. An den Grenzübergang gereist waren die Fraktionssprecher des Dreierlandtags, um über die aktuelle Flüchtlingsfrage sowie jene der Grenzkontrollen zwischen Österreich und Italien zu beraten. Ergebnis des Treffens sollte eine gemeinsame Erklärung sein, die am 20. und 21. April dem Dreierlandtag auf seiner Sitzung vorgelegt und im besten Fall einstimmig verabschiedet wird.
Am seidenen Faden
Seit 1991 treten die drei Landtage von Südtirol, Tirol und des Trentino – normalerweise im Zwei-Jahres-Rhythmus – zusammen, um sich mit grenzüberschreitenden Themen zu befassen. Dabei wechseln die Austragungsorte unter den drei Ländern, das Bundesland Vorarlberg hat dabei Beobachterstatus. Am 1. März dieses Jahres fällte die Interregionale Kommisison des Dreierlandtags die Entscheidung, dass sich die Abgeordneten von Südtirol, Tirol und des Trentino auf ihrer insgesamt zwölften gemeinsamen Sitzung Ende April in Trient auch mit der Flüchtlingsfrage auseinander setzen wird. Als Vorbereitung auf diese Sitzung haben die Fraktionssprecher des Dreierlandtags heute (29. März) die Vorlage für einen Beschlussantrag ausgearbeitet, der eine gemeinsame Stellungnahme der drei Landtage zum Umgang mit Flüchtlingen und zu den von österreichischer Seite geplanten Grenzkontrollen beinhalten soll.
Der Entwurf des Antrags stammt vom Trentiner Landtagspräsidenten Bruno Dorigatti und spricht von Solidarität und den gemeinsamen Werten der drei Länder. Einerseits solle die Politik nördlich und südlich des Brenners Verständnis für die Befürchtungen der österreichischen Regierung zeigen, die diese angesichts der erwarteten Zunahme des Flüchtlingsstroms an den eigenen Grenzen hat. Aber gleichzeitig solle man sich gegen voreilige Schließung aussprechen und sich auf die gemeinsame, grenzüberschreitende Vision von Grenzen als “seidenen Fäden und nicht Barrieren” besinnen. Soweit die Vorstellung von Dorigatti, der die Südtiroler, Tiroler und Trentiner Landtagsabgeordneten auf weitere künftige Zusammenarbeit einschwört.
Der Originaltext von Bruno Dorigatti:
La Commissione interregionale delle Assemblee legislative delle Province autonome di Bolzano, Trento e del Land Tirol, nel prendere atto delle più recenti decisioni assunte in relazione ai problemi di gestione degli afflussi straordinari di profughi nelle aree di confine; comprendendo le preoccupazioni del Governo federale della Repubblica austriaca su tali delicate questioni e registrando, al contempo, un certo grado di stallo dell’iniziativa politica in sede di Unione europea, ribadisce il valore condiviso della solidarietà sociale, il rifiuto di ogni aprioristica chiusura e l’importanza di una cultura comune capace di vedere i confini come fili di seta anziché barriere di incomunicabilità ed a tale proposito auspica il proseguimento dei proficui rapporti fin qui costruiti a cavallo dei confini ed un ulteriore impegno in questa direzione anche nel quadro della prossima seduta del Dreier Landtag.
Wird es gemeinsam gehen?
Die Erwartungen im Vorfeld des heutigen Treffens waren gedämpft: Angesichts des “Grenzmanagements”, das Österreich (und Tirol) planen und für das Kritik ausgeteilt wurde. Aber auch die Untätigkeit der EU und ihrer Mitgliedsstaaten bei der Bewältigung der Flüchtlingsströme wurde angekreidet. Aus den Reihen der Südtiroler Landtagsabgeordneten, die am Dienstag Vormittag am Brenner dabei waren, war die Hoffnung auf eine gemeinsame Strategie der drei Länder der Europaregion zu vernehmen gewesen – ansonsten habe dieses Treffen keinen Sinn, “wenn wir hier Formen der Integration entwickeln und dann hundert Kilometer weiter eine völlig andere Strategie verfolgt wird”, wird Maria Hochgruber Kuenzer von der Tageszeitung zitiert. Doch auch aus den Reihen der Tiroler und der Trentiner kamen ähnliche Töne. Der Präsident des Landtags von Tirol, Herwig Van Staa plädierte für einen Beschluss, “der von allen getragen wird”, Bruno Dorigatti für die Suche nach Gemeinsamkeiten und nicht nach dem, was die drei Länder trennt.
Eine endgültige Entscheidung hat es auf dem Treffen der Fraktionssprecher am Brenner heute keine gegeben. Der ursprünglich von Dorigatti vorgeschlagene Entwurf wurde abgeändert und einige Appelle Richtung Europäische Union eingefügt. So wird unter anderem zu mehr Solidarität unter den einzelnen Staaten sowie zum Schutz des Schengen-Abkommens aufgerufen, die Errichtung von Hot Spots als notwendig betrachtet, und eine verstärkte interregionale und grenzüberschreitende europäische Zusammenarbeit auch was die Ausarbeitung von sozialen und Integrations-Projekten betrifft. Der Text des Beschlussantrags wurde mehrheitlich genehmigt. Bevor er Ende April schließlich dem Dreierlandtag vorgelegt wird, bleibt er für Änderungen und Korrekturen bis auf weiteres offen. Jeder und jede Landtagsabgeordnete kann bis 20. April Vorschläge einbringen. Diese werden von den Fraktionssprechern am ersten Tag der Sitzung des Dreierlandtags bewertet und gegebenenfalls dem Plenum am darauffolgenden Tag (21. April) zur Abstimmung vorgelegt.
Mit der aktuellen Flüchtlingsproblematik werden sich bereits morgen, 30. März, die Landeshauptleute der Euregio-Länder befassen. Arno Kompatscher, Ugo Rossi und Günther Platter kommen in San Michele Dell'Adige zur elften Vorstandssitzung der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino zusammen. Für kommenden Samstag, 3. April, ist hingegen eine Kundgebung am Brenner vorgesehen: unter dem Motto “Gegen die Grenzen der Festung Europa”, Treffpunkt um 13.30 Uhr am Bahnhof Brenner.