Chronik | Wahlgesetz

Italicum lässt Wogen hoch gehen

Florian Kronbichler applaudiert Michaela Biancofiore. Luisa Gnecchi greift ihren Parteikollegen und Premier Matteo Renzi an. Was ist los in Rom?

Was ist bloß los in Rom? Florian Kronbichler applaudiert Michaela Biancofiore. Luisa Gnecchi stellt sich gegen den Premier ihrer eigenen Partei. Und die SVP? Hält Matteo Renzi treu die Stange.

Es ist das neue Wahlgesetz, dass die Machtverhältnisse in der Abgeordnetenkammer ordentlich durcheinander mischt. Nach den Attacken von außen muss Ministerpräsident Renzi nun auch aus den eigenen Reihen Kritik einstecken. Denn seine Ankündigung, die Abstimmung über das Italicum an die Vertrauensfrage zu knüpfen, hat im PD ein regelrechtes Erdbeben ausgelöst. Vor allem aus dem linken Parteiflügel kommen scharfe Worte: “Die Vertrauensfrage zum Wahlgesetz zu stellen, ist unannehmbar. Damit beraubt man das Parlament seiner Zuständigkeit”, so etwa Stefano Fassina. Er gilt als einer der schärfsten parteiinternen Rivalen Renzis. Doch auch Enrico Letta hat angekündigt, dem Vorhaben Renzis nicht seinen Segen erteilen zu wollen: “Non voterò la fiducia sulla legge elettorale”, so der Ex-Premier.


Gnecchi: “Ohrfeige für das Parlament”

Ein “schwerwiegender Fehler” sei die Entscheidung ihres Ministerpräsidenten gewesen, ein “strappo ingiustificabile”, so die Töne aus dem PD. “Questa fiducia io non la voterò”, mit diesen Worten kündigt Pierluigi Bersani auf Facebook an, dass Renzi wohl nicht auf sein Vertrauen zählen werden kann. Etwas gemäßigter, doch genauso klar, meldet sich Luisa Gnecchi zu Wort: “Wir wollen die Regierung nicht zu Fall bringen, aber ich glaube, Renzi braucht ein Signal”, so die Südtiroler PD-Abgeordnete. “Man kann nicht einfach alle Oppositionen und Kritiken ignorieren. Und die Vertrauensfrage zu stellen, ist eine Ohrfeige für das Parlament und alle Minderheiten.”


Biancofiore: “Italiener nur von Gnaden der SVP”

Aus eben diesem Grund findet der SEL-Abgeordnete Florian Kronbichler – man staune – lobende Worte für Michaela Biancofiore. “Confesso di aver applaudito – peccato capitale per ogni sudtirolese che si ritenga tale – all’intervento in Aula della collega deputata Biancofiore”, so Kronbichler öffentlich. Biancofiore hatte gemeinsam mit ihrer Partei Forza Italia Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des neuen Wahlgesetzes angemeldet.


“Mattarellum für Südtirol privilegiert SVP”

Der Grund: Die nationalen Neuerungen im italienischen Wahlsystem werden für Südtirol (und das Trentino sowie Aosta) nicht greifen. Während im restlichen Italien wieder das Verhältniswahlrecht für die Parlamentswahlen eingeführt wird, kehrt hierzulande das Mattarellum zurück. Sprich, gewählt wird nach dem Mehrheitswahlrecht in neun Einmann-Wahlkreisen (acht für die Region Trentino-Südtirol und einer für Aosta). Dadurch hätten laut Biancofiore die italienischsprachigen Südtirol keinerlei Chancen auf einen Vertreter aus ihren Reihen. Das wäre nur durch die Gnade der SVP möglich, nämlich wenn diese auf einen eigenen Kandidaten im Wahlkreis Bozen verzichte. Die privilegierte Ausgangssituation der Volkspartei sei nicht mehr haltbar, so Biancofiore: “Con lo 0,4 percento l’SVP ha eletto quattro parlamentari mentre tutti gli altri partiti hanno dovuto superare la soglie del 2 percento.”

Der Alleinanspruch der SVP, Parlamentarier ins römische Parlament zu entsenden ist auch das, was Florian Kronbichler kritisiert: “Der Partito Democratico hat der Südtiroler Volkspartei innerhalb des Wahlgesetzes ein Sonderwahlgesetz zugestanden, das ihr de facto alle in Südtirol zu vergebenden Parlamentssitze garantiert.” Das Gesetz sei der SVP so auf den Leib geschneidert, “dass sie sich drei der vier Einmann-Wahlkreise in Südtirol nimmt und den vierten, der den Italienern gehört, mit ihrem Gewicht mitbestimmt.” Seine Kritik hat der SEL-Abgeordnete auch Regionen-Staatssekretär Gianclaudio Bressa mitgeteilt. Doch nichts zu machen.


Und die SVP?

Während die einen auch aus den eigenen Bänken gegen den Ministerpräsidenten schießen, scheint sich in diesen Stunden die SVP als einer seiner treuesten Anhänger zu beweisen. “Wir werden überzeugt der Regierung unser Vertrauen geben”, so Fraktionssprecher der SVP-Abgeordneten Daniel Alfreider. Er hat gemeinsam mit den Abgeordneten der Volkspartei maßgeblich an dem Gesetzesartikel mitgeschrieben, der das Mattarellum wieder nach Südtirol zurück bringt. Er ist überzeugt: “Dieses System garantiert die Vertretung der Minderheiten.” Daher will man auch weiterhin dem Premier die Stange halten.

 

Die Vertrauensfrage wird zum ersten Mal um 15.25 Uhr gestellt, wenn es gilt, den Artikel 1 des Italicum abzusegnen. Auch bei der Abstimmung über Artikel 2 und 4 am Donnerstag wird die Vertrauensfrage gestellt werden. Noch ungewiss ist der Termin der finalen Abstimmung über das Gesetz. Laut Medienberichten könnte diese auch erst im Mai stattfinden.