„Manchmal ist es besser zu schmunzeln“
salto.bz: Herr Baumgartner, wie sieht es in diesen Tagen in Ihren Anlagen aus?
Hannes Baumgartner: Nicht besonders gut. Wir bearbeiten rund sechs Hektar Weinbaufläche in Neustift und der ganze Brixner Talkessel bis nördlich von Klausen ist wirklich sehr stark betroffen vom Frost der vergangenen Woche. Das geht von den Tallagen bis in hohe Lage, so etwas gab es seit 1981 nicht mehr. Ich persönlich habe so etwas überhaupt noch nie gesehen.
Was ist da zu sehen?
Alles, was bis vergangene Woche grün war, sieht jetzt aus wie verbrannt. Das Problem war ja, dass wir vergangene Woche tagelang einen kalten Nordwind hatten, was noch kein Problem war. Doch in der Nacht auf Freitag setzte der Wind dann plötzlich aus und die Temperaturen sanken auf drei bis vier Grad minus. Und nachdem die Zellen ja viel Wasser enthalten, ist alles Grüne an den Rebstöcken gefroren. Den richtigen Schaden hat man dann erst gesehen, nachdem die Sonne eine halbe Stunde darauf geschienen hat. Dann sind die Triebe ganz matschig geworden und genickt. Die werden dann fast schwammig, und danach trocknen sie aus und werden so braun-grau.
Und da wächst nun in diesem Jahr nichts mehr?
Die verbrannten Triebe sind ohnehin kaputt. Doch nachdem jedes Auge meist noch ein, zwei schlafende Augen hat, die dann noch austreiben, wird die Rebe selber in einem Monat gleich aussehen wie immer. Doch das große Problem ist, dass die Triebe, auch wenn sie wieder austreiben, wenige bis keine Trauben haben werden. Das ist dann auch ein wenig sortenabhängig, einige Sorten setzen auch an Nebenknospen Früchte an. Doch wenn, sind es nur sehr wenige und qualitativ meist auch sehr fraglich.
Das heißt, es wird ein mengenmäßig sehr beschränkter Jahrgang 2017 werden?
Ja, das kann man sicher jetzt schon sagen. Ich persönlich gehe im Moment davon aus, heuer nicht mehr als 30 bis 40 Prozent der üblichen Menge zu ernten. Es ist aber schwierig, da jetzt schon genau hinzukommen. Auch weil uns noch die Erfahrung mit solchen klimatischen Ereignissen fehlt.
Das heißt, solche Frostereignisse sind eine neue Erfahrung oder kannten die schon Ihre Großväter und Urgroßväter?
Von 1981 sind, wie gesagt, ähnliche Schäden bekannt und wie man hört, auch von 25 oder 30 Jahre vorher. Aber jetzt ist das auch ein Nebeneffekt der Klimaerwärmung, selbst wenn es in dem Fall mit Kälte zu tun hat. Doch da die Reben durch die wärmeren Winter früher austreiben, wird die Zeitperiode, in der noch Kälteeinbrüche stattfinden können, viel länger. Wenn wir diesmal vom Vegetationsstand zwei Wochen oder auch nur zehn Tage weiterhin hinten gewesen wären, wäre der Schaden jetzt sicher um 50 Prozent geringer.
Das Bauernsein wird mit dem Klimawandel also nicht einfacher?
Nein, sicher nicht. Das erlebt jeder selbst mit, dass die Wetterkapriolen im vergangenen Jahrzehnt extrem zugenommen haben. Einmal gibt es zu viel Trockenheit, dann wieder zu viel Wasser, einmal ist es zu warm, dann wieder zu kalt. Es ist alles zusammen ein bissl unberechenbarer geworden.
Und so muss man heute selbst mit Hubschraubern versuchen, seine Existenz zu sichern?
Ja, auch bei uns in Neustift wurde bei einem Betrieb ein Hubschrauber eingesetzt.
Ein Rettungshubschrauber für Trauben... Aber nicht von Aiut Alpin?
Nein, ganz sicher nicht. Der kam von einem privaten Unternehmen in Gröden. Das Prinzip wäre ja, so die wärmeren oberen Luftschichten mit den kalten am Boden zu mischen. Doch diesmal war die Luft vom Boden bis in die höheren Lagen durchgehend kalt.
Auch der Hubschrauber hat also nichts retten können?
Nein, so gut wie nichts.
Außer Spesen nichts gewesen also. Wie viel kostet so ein Rettungseinsatz denn?
Normalerweise zahlt man um die 30 Euro pro Minute. Und diesmal ist der Hubschrauber rund zwei Stunden geflogen.
Wie kommen Sie damit zurecht, wenn gut 70 Prozent ihrer Ernte in einer Nacht zerstört werden. Ist das existenzbedrohend?
Ich persönlich bin gegen Frost versichert. Aber bei Versicherungen wird einem bekanntlich gar nichts geschenkt. Wie viel ersetzt wird, wird dann ohnehin erst vor der Ernte erhoben, wo dann genaue Schätzungen erhoben werden, wie viel Prozent tatsächlich gegenüber einer durchschnittlichen Ernte fehlen.
Bekommt man den Ausfall dann wirklich ersetzt?
Das kann ich nicht sagen, ich bin erst seit fünf Jahren frostversichert und war bisher noch in nie in dieser Situation. Ich denke aber, dass ein solches Jahr auch vom finanziellen sicher nicht mit einem normalen Jahrgang zu vergleichen sein wird. Da wird es vor allem darum gehen, zumindest die laufenden Spesen zu decken. Das ist eigentlich der Hauptgrund, sich zu versichern. Für uns Selbstvermarkter ist ein solcher Ausfall aber noch einmal etwas anderes als für Bauern, die ihre Trauben an eine Kellerei abliefern. Das muss man schon gut kommunizieren, wenn man mit einem Jahrgang mit sehr wenig Wein auf dem Markt ist. Ich kann nur drauf hoffen, dass die Kunden Verständnis dafür haben.
Doch Sie haben diese Freiheit ja selbst gewählt. Warum eigentlich?
Vor allem, weil mir die abwechslungsreiche Arbeit gefällt. Ich bin sehr gerne in Kontakt mit Leuten und es ist einfach eine Genugtuung, von der Pflanzung der neuen Rebstöcke bis zum abgefüllten Wein dabei zu sein. Und natürlich ist es dann noch eine besondere Genugtuung, wenn das Endprodukt passt und die Kunden zufrieden sind. Mein Vater war ja noch Traubenlieferant an die Stiftskellerei, aber ich habe dann 2003 beschlossen, einen Großteil der Weine selber abzufüllen. Die traditionelle Arbeit als Landwirt ändert sich aber schon stark, weil man sehr viel mehr in der Vermarktung unterwegs ist, viel Bürokratie zu bewältigen hat. Doch mir persönlich gibt das alles einfach eine viele größere Genugtuung und mehr Freude und Motivation bei der Arbeit.
Die Landwirtschaft hat vor allem letzthin immer stärker mit Imageproblemen zu kämpfen. Kann ein Grund dafür auch sein, dass nur mehr wenige Bauern einen direkten Bezug zu ihrem Produkt haben?
Nein, das hat damit nicht viel zu tun von mir aus. Ich denke, das hängt eher damit zusammen, dass heute gesellschaftlich viele Dinge kritischer gesehen werden als noch vor einigen Jahren. Speziell die gesamte Pflanzenschutzthematik stellt Weinbauern und noch viel stärker die Obstbauern sicherlich vor sehr große Herausforderungen. Aber daraus kann auch das eine oder andere Positive entstehen, denn Herausforderungen bringen auch Neuerungen und Verbesserungen mit sich.
Welche zum Beispiel?
Je mehr einem auf die Finger geschaut wird, desto eher überlegt man sich einfach, was man macht und desto eher sucht man nach Alternativen und anderen Möglichkeiten.
Erleben Sie das persönlich auch, werden auch Sie durch Markttrends zum Umdenken gezwungen?
Ich bin jetzt nicht unbedingt jemand, der Markttrends hinterherläuft. Ich habe eine stark ausgeprägte eigene Philosophie, wie ich meine Weine mache, da ziehe ich meine Ideen recht stur durch. Doch was Pflanzenschutzmittel betrifft, haben wir die letzten Jahre schon einiges umgestellt. Jetzt nicht auf biologisch, doch auch konventionelle Bauern sind ein wenig offener geworden in diese Richtung.
Und machen dann was?
Für Weinbauern ist es beim Pflanzenschutz generell ein wenig einfacher als für Obstbauern. Von den Schädlingen her haben wir nicht die großen Probleme, wir arbeiten sehr viel mit Kupfer und Schwefel, die auch im Bio-Anbau eingesetzt werden. Seit zwei, drei Jahren arbeiten wir zum Beispiel nicht mehr mit Unkrautbekämpfung, sondern mit Totalbegrünung. Dann muss man sich natürlich auch umschauen, dem Boden mehr Leben zu geben. Da arbeiten wir auch mit ein paar biologischen Betrieben zusammen, um uns Inputs für alternative Bodenbearbeitungsmaßnahmen zu holen. Und wie gesagt: Wenn die Probleme nicht aufgekommen wären, hätten wir uns vielleicht auch nicht so schnell nach neuen Verfahren umgesehen.
Sie haben 1992 Ihre schulische Ausbildung abgeschlossen. Wenn Sie zurückschauen, wie hat sich der Weinmarkt seither verändert?
Qualitätsmäßig hat man seitdem sehr stark angezogen. In Südtirol haben wir heute eine sehr hohe Durchschnittsqualität , von den kleinen bis hin zu den großen Betrieben. Bei diesem Niveau muss sich heute wirklich jeder sehr anstrengen, der sich auf diesem Markt etablieren will.
Auch die Preise sind aber mittlerweile auf einem anspruchsvollen Niveau...
Ja, nachdem wir auf geringe Mengen und weniger Ertrag setzten, steigen die Preise ein bisschen. Auch die Produktionskosten sind in den vergangenen Jahren aber hochgegangen muss man sagen. Da wir sehr kleine Betriebsstrukturen haben, sind sie verhältnismäßig höher.
Doch bislang ist die Schmerzgrenze für Südtiroler Weinliebhaber nicht erreicht?
Bisher haben wir keine Probleme, da durch die Ertrags- und Mengenregulierung nur beschränkte Mengen an Südtiroler Weinen auf dem Markt sind. Aber man darf es natürlich auch nicht übertreiben, sonst kann es nach hinten losgehen. Doch in Südtirol wird auch wirklich viel Zeit und Geld in die Vermarktung investiert, von der IDM angefangen bis hin zum kleinsten Betrieb. Und langfristig spürt man eben, dass dies Früchte trägt.
Insgesamt klingt es aber danach, als hätten Sie sich auf einen recht bequemen Stuhl gesetzt, als Sie nun den Vorsitz der Freien Weinbauern übernommen haben?
Ja, die freien Weinbauern haben sich sicher gut etabliert, sei es auf dem Weinmarkt, sei es in den Gremien ...
Vor zwei Jahrzehnten galten sie dagegen noch als Spinner...
Ja. Bei der Gründung der Freien Weinbauern gab es damals glaube ich zwölf Betriebe, heute sind wir schon fast 100. Personenmäßig gesehen sind wir also die größte Vereinigung. Von der Fläche her sind wir mit fünf bis sechs Prozent der Anbaufläche dagegen weitaus die Kleinsten.
Glauben Sie, dass in der Selbstvermarktung noch mehr Potential für die Zukunft der Südtiroler Landwirtschaf liegt, also wird es immer mehr Freie Wein- oder auch Apfelbauern geben?
Momentan haben die Freien Weinbauern den großen Vorteil, dass die Kunden immer stärker den direkten Kontakt zu Produzenten suchen, der Trend geht also derzeit schon in diese Richtung. Ich habe aber großen Respekt vor jedem, der neu auf den Markt kommt, denn wie gesagt: Das Qualitätsniveau ist sehr hoch und der Markt läuft zwar nicht schlecht, aber gibt keine großen Löcher zu stopfen.
Man bewegt sich also auf einem gesättigten Markt?
Ja, teilweise auch schon auf einem Verdrängungsmarkt. Wenn heute jemand neu in eine Weinliste kommt, fällt ein anderer raus. Da muss man sich schon sehr stark durchbeißen.
Sollte eine Region wie Südtirol also nicht noch stärker auf diese erfolgreiche Kombination aus hochpreisigem Qualitätsprodukt und Selbstvermarktung setzen, auch bei anderen Produkten?
Bei Äpfeln zum Beispiel wäre eine Direktvermarktung heute fast nicht mehr möglich. Ich würde auch niemals nur für kleine oder nur große Betriebe plädieren. Ich glaube vielmehr, dass gerade die Mischung aus beiden einen der Reize von Südtirol ausmacht. Das macht gerade das Weinland Südtirol sehr interessant.
Und wie sieht es mit dem Mix aus konventionell und Bio aus? Haben wir hier auch schon die richtige Mischung?
Die Nachfrage nach Bio ist relativ groß, auch der Trend zur Umstellung – im Obst- wie im Weinbau. Wir im Eisacktal zum Beispiel haben 22 Kellereibetriebe und davon arbeiten bereits sieben biologisch. Es geht also sehr stark in die naturnahe Richtung.
Empfinden Sie das für sich persönlich als Gewinn oder stresst dieser Trend eher?
Wenn man so einen Schritt wagt, muss man schon selber zu 100 Prozent dahinter stehen. Wenn man nur einem Trend nachläuft, kann das ganz schnell schief gehen.
Eine Umstellung auf Bio steht bei Ihnen als noch nicht an?
Nein, in den nächsten Jahren sicher nicht. Ich bin eben von gewissen Sachen noch nicht ganz überzeugt. Da geht es schließlich nicht nur um eine Arbeitsweise, sondern auch um die ganze Lebenseinstellung. Doch wie gesagt: Schrittweise wagen wir uns schon noch ein wenig in die Richtung.
Insgesamt gibt Ihnen das Bauersein aber immer noch das, wofür Sie es ursprünglich gewählt haben?
Ja. Wir sind als Freie Weinbauern vielleicht nicht mehr die ganze Woche auf dem Feld bzw. in den Reben, doch vom Grundprinzip sind wir immer noch Landwirte und machen den Beruf, den wir uns ausgesucht haben.
Und den können auch Wetterkapriolen oder Diskussionen über Privilegien nicht madig machen?
Über gewisse Vorurteile muss man manchmal eben ein bissl schmunzeln. Teilweise fehlt bei manchen Leuten schon die Aufklärung....
Wo zum Beispiel?
Vor allem bei den Beiträgen. Da meinen viele Leute noch immer, dass wir für jeden Schaden, jede Arbeit und jede Investition Geld von Land, Staat oder der EU bekommen. Dabei sind die Gelder für den Obst- und Weinbau verschwindend gering bis teilweise gar nicht mehr vorhanden. In Südtirol geht der größte Teil der Förderungen in die Berglandwirtschaft, was ich auch gut finde. Ich bin da sicher nicht dagegen.
Aber in jedem Fall schmeißt Ihnen niemand Beiträge nach, um sich dann die Villa auf der grünen Wiese oder das fette Auto zu leisten?
Wenn jemand sich etwas gönnt, dann durch Fleiß und Arbeit und nicht wegen der Beiträge, die man bekommt. Aber wie gesagt: Es ist wohl besser, manchmal ein bisschen zu schmunzeln und die Kommentare für sich zu behalten. Doch das gilt ja nicht nur für die Landwirtschaft. Man hat ja vielleicht auch selber Vorurteile bei Themen, bei denen man sich nicht so gut auskennt.
Die Aussagen von Hannes
Die Aussagen von Hannes Baumgartner klingen recht vernünftig. Ich kenne den Strasserhof als gastfreundliches Haus und die Weine haben echt ein hohes Niveau erreicht. Vielleicht gelingt in den nächsten Jahren noch der letzte Schritt in Richtung bio...