Wahlen Lymphe der Demokratie

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Bei einem Referendum zählt jede Stimme. Nach der Auszählung steht das Ergebnis fest, und die Entscheidung tritt unmittelbar in Kraft – ein Paradebeispiel direkter Demokratie, bei der die Bürgerinnen und Bürger unmittelbar in den Entscheidungsprozess eingebunden sind. Umso wichtiger ist es, beim Referendum am 8. und 9. Juni über Arbeit und Staatsbürgerschaft das notwendige Quorum zu erreichen.
Gerade in Zeiten weitverbreiteter Politikverdrossenheit ist dies jedoch eine große Herausforderung. Die Hürde von fünfzig Prozent plus einer Stimme der Wahlberechtigten ist hoch und wird durch die rund sechs Millionen im Ausland lebenden Italienerinnen und Italiener, von denen viele keinen Bezug mehr zu Italien haben, weiter erhöht. Viele von ihnen beherrschen die Sprache nicht mehr oder sind über das Referendum und seine fünf Themen kaum informiert.
Hinzu kommt die unzureichende Berichterstattung in den Medien, eine allgemeine Wahlmüdigkeit und der Aufruf prominenter Politiker und Parteien, sich nicht an der Abstimmung zu beteiligen. All dies erschwert es zusätzlich, das Quorum zu erreichen. Dennoch hoffen wir, dass gerade diese Umstände die Bürgerinnen und Bürger motivieren, ihr Wahlrecht wahrzunehmen. Es bedarf allerdings großer gemeinsamer Anstrengungen, um dieses Ziel zu erreichen.
Langfristig muss jedoch auch eine grundlegende Reform der Regeln für die Referenden diskutiert werden. Die repräsentative Demokratie steckt in der Krise und oft gehen weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten zur Urne. Vor diesem Hintergrund ist der Versuch, die direkte Demokratie durch hohe Hürden auszuhöhlen, besonders problematisch.
Das Referendumsrecht sollte angepasst werden. Beispielsweise könnte die Zahl der für die Einleitung eines Referendums notwendigen Unterschriften erhöht, das Quorum jedoch abgeschafft werden so ähnlich wie beim Verfassungsreferendum. Auch bei regulären Wahlen ist das Ergebnis gültig, selbst wenn weniger als 50 Prozent der Wahlberechtigten teilnehmen. Warum sollte dies nicht auch für Referenden gelten? Bei den letzten Europawahlen lag die Beteiligung unter 50 Prozent und waren dennoch gültig.
Die anstehenden Volksbefragungen betreffen zentrale Fragen: den Schutz vor ungerechtfertigten Kündigungen, die Eindämmung prekärer Beschäftigungsverhältnisse, die dringend notwendige Regulierung des Vergabesystems sowie die Verkürzung der Aufenthaltsdauer für den Erwerb der Staatsbürgerschaft von zehn auf fünf Jahre. Mit fünf Ja-Stimmen können wir die Rechte und den Schutz der Arbeitnehmer wieder ins Zentrum der politischen Debatte rücken was gerade angesichts der alarmierenden Zahl tödlicher Arbeitsunfälle unumgänglich ist. Ebenso ist es nur gerecht, dass Menschen, die in unserem Land leben und arbeiten, bereits nach fünf statt zehn Jahren einen Antrag auf Staatsbürgerschaft stellen können.
Das vorrangige Ziel ist es daher, das Quorum zu erreichen. Anders als bei Parlamentswahlen, bei denen wir Vertreter wählen, deren künftiges Handeln oft ungewiss bleibt, entscheiden wir bei diesen Referenden direkt über die Zukunft konkreter Gesetze. Das ist das Wesen der direkten Demokratie.
Der Aufruf von Regierungsvertretern, sich nicht an der Abstimmung zu beteiligen, mag rechtlich zulässig sein, politisch ist er jedoch nicht zu verantworten. Letztlich liegt die Entscheidung aber bei jedem Einzelnen. Doch wäre es Aufgabe der politisch Verantwortlichen, auf die Bedeutung des Wahlrechts hinzuweisen und die Bürger zur Teilnahme zu ermutigen anstatt sie abzuwimmeln. Freie und allgemeine Wahlen sind das Fundament der Demokratie. Deshalb sollten alle Wahlberechtigten am 8. und 9. Juni zu den fünf Referenden zur Wahl hingehen und frei mit einem Ja oder einem Nein ihre Meinung zum Ausdruck bringen.
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