Wirtschaft | Arbeitsmarkt

8 Prozent mehr Jobs im Tourismus

Südtirol gilt für viele Menschen aus dem Ausland oder anderen italienischen Provinzen als attraktiver Arbeitsmarkt. Das gilt nicht immer für die Südtiroler*innen selbst.
Heute (29. Juni) wurde der Arbeitsmarktbericht des Winterhalbjahrs 2022 / 23 von Wirtschaftslandesrat Philipp Achammer und Arbeitsmarktservice-Direktor Stefan Luther vorgestellt. Der Südtiroler Arbeitsmarkt habe sich im Zeitraum von November 2022 bis April 2023 weiterhin in fast allen privaten Sektoren von den wirtschaftlichen Folgen der Coronapandemie erholt, durchschnittlich konnten im Vergleich zum Vorjahr 1,9 Prozent mehr Arbeitsverträge geschlossen werden.
Unser Arbeitsmarkt ist von Arbeitskräften von außen abhängig.
Das Gastgewerbe verzeichnete mit einem Zuwachs von 8 Prozent den stärksten Arbeitskräfteanstieg, gefolgt von anderen privaten Dienstleistungen mit 3,6 Prozent, dem Handel (+ 1,7 %) und dem verarbeitenden Gewerbe (+ 1,1 %). Auch die Beschäftigung im Bereich des Sozialwesens ohne Unterbringung nahm deutlich zu (+ 2,4 %).
Leicht rückläufig ist hingegen die Beschäftigung im Bereich des stationären Sozialwesens (- 1,4 %) und im Bauwesen (- 1,1 %), ohne die Baustelle des Brennerbasistunnels beträgt der Rückgang lediglich 0,2 Prozent. Bei Gesundheitswesen (- 0,4 %), Bildungswesen (- 0,7 %) und der öffentlichen Verwaltung (- 0,3 %) sind keine wesentlichen Änderungen feststellbar. In der Landwirtschaft gab es bezüglich der Beschäftigung keine Veränderung (+ 0,0 %), während der Beschäftigungszuwachs im Finanz- und Versicherungswesen (+ 0,7 %) zwar nicht gleich Null, aber doch schwach war.
 
beschaeftigungszunahme_nov22-april23.png
Neue Arbeitsstellen: Im Gastgewerbe und bei anderen Dienstleistungen war der Zuwachs innerhalb des letzten Winters am größten. (Grafik: Arbeitsmarktservice / salto.bz)
 
Die Arbeitslosigkeit sei wieder auf einem Normalniveau. Der Sockel an Langzeitarbeitslosen ist zwar gesunken, aber mit 3.839 Personen immer noch deutlich höher als vor der Pandemie. Die Entwicklung der eingetragenen Arbeitslosen nach höchstem abgeschlossenem Studientitel zeigt, dass im Vergleich zum selben Vorjahreszeitraum aktuell vor allem Menschen ohne Mittelschulabschluss stärker betroffen sind, nämlich mit einem Plus von 505 Personen (32,5 Prozent). Eine leichte Zunahme von 50 Personen (1,8 Prozent) verzeichnen auch Arbeitslose mit Oberschulabschluss. Bemerkenswert ist zudem die Zunahme von eingetragenen Arbeitslosen aus Nicht-EU-Ländern (188 Personen bzw. 4,9 Prozent), die vor der Arbeitslosigkeit hauptsächlich im Gastgewerbe beschäftigt waren.
 

Mehr unbefristete Verträge

 
Ein positiver Trend betrifft die Art der Arbeitsverträge: Der Beschäftigungszuwachs sei zu drei Vierteln auf unbefristete Verträge zurückzuführen. Von allen Arbeitnehmenden in Südtirol waren im Halbjahr November 2022 – April 2023 durchschnittlich 49.655 Personen mit befristeten Verträgen beschäftigt (760 mehr als im selben Bezugszeitraum des Vorjahres). Die unbefristeten Verträge sind um 2 Prozent (bzw. 3.201 Verträge) auf insgesamt 162.180 Verträge angestiegen. Einzelne größere Unternehmen können sehr stark den territorialen und fachlichen Arbeitsmarkt ihres Umfeldes beeinflussen.
 
stefan_luther.jpg
Stefan Luther: „Es gibt neue Beschäftigungsrekorde, die aber nur durch den Zuzug von außen möglich waren.“ (Foto: LPA / Ingrid Silginer)
 
Beispielsweise sei das Tech-Unternehmen Alpitronic in der Elektrobranche ein wichtiger Arbeitgeber: 14 Prozent der Berufstätigen in diesem Bereich im Großraum Bozen und Umgebung arbeiten bei Alpitronic, auf Südtirol bezogen sind es 6 Prozent. Das Unternehmen hat in den letzten sechs Monaten mehr als hundert neue Arbeitsplätze geschaffen.
Des Weiteren hat das Fünf-Sterne-Hotel Familiamus in Meransen 100 Siasonsarbeitsplätze besetzt. Die privat geführte Salus Clinic stellte weitere 40 Personen ein, auch durch die Abwerbung vom Sanitätsbetrieb und anderen öffentlichen Arbeitgebern. 80 Stellen abgebaut hat hingegen die Firma Hoppe in ihren Werken Laas und Schluderns im Obervinschgau. Auch das Unternehmen AL-KO reduzierte seine Belegschaft in Vintl um 40 Personen.
 

Zuwanderung

 
Außerdem fällt beim Blick auf die Daten auf, dass die Zahl der abhängig beschäftigten Südtiroler*innen - mit der Bereinigung der Einbürgerungen - um 0,1 Prozent gesunken ist. Gleichzeitig bleibt unser Land für italienische Staatsbürger*innen aus anderen Provinzen (+ 7,9 %) sowie für Menschen aus EU- und Nicht-EU-Ländern weiterhin attraktiv.
 
mutter_kind.jpg
Sorgearbeit: Frauen weisen häufiger Lücken in ihrer Erwerbsbiografie vor als Männer. (Foto: Joshua Rodriguez / Unsplash)
 
Bei Personen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz ist ein Anstieg um 4,2 Prozent, bei den übrigen EU-Staaten um 6,2 Prozent erkennbar. Der Zuwachs von Arbeitskräften aus Nicht-EU-Ländern beträgt sogar 10,2 Prozent. Außerdem gibt es aufgrund des Krieges in Europa ein Plus von 50 Prozent an ukrainischen Arbeitskräften, vor allem in Gastronomie und Industrie. „Es gibt neue Beschäftigungsrekorde, die aber nur durch den Zuzug von außen möglich waren. Das lokale Beschäftigungspotential ist allerdings nicht wirklich am Plus beteiligt, das heißt, unser Arbeitsmarkt ist von Arbeitskräften von außen abhängig“, erklärt Luther.
Diese Entwicklung hängt auch damit zusammen, dass sich junge Südtiroler*innen oft nach Arbeitsplätzen im Ausland umsehen. Pro Jahr verlassen rund 1.000 Menschen unter 30 die Provinz, wie Landesrat Achammer bereits im Mai dieses Jahres mitteilte. „Wir können uns ein 'Mismatch' viel weniger leisten. Das heißt, wir müssen gezielt Menschen in den Arbeitsmarkt bringen und das Potential der Langzeitarbeitslosen reaktivieren“, erklärt der Landesrat.  
 

Ältere Frauen am Arbeitsmarkt

 
Eine weitere beachtenswerte Entwicklung betrifft das Geschlechterverhältnis bei Arbeitnehmer*innen über 50: In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Quote der Arbeitnehmerinnen über 50 im Vergleich zu Arbeitnehmern über 50 von 92 zu 100 auf 104 zu 100 erhöht.
Das liege laut Luther nicht nur daran, dass in den letzten Jahrzehnten mehr Frauen auf den Arbeitsmarkt gekommen sind, sondern hänge auch mit einem anderen Grund zusammen: Da meist Frauen für die Sorgearbeit in der Familie zuständig sind, reduziert sich die Einzahlung ihrer Pensionsbeiträge. „Frauen haben häufig Lücken in ihrer Erwerbsbiografie“, so der Abteilungsdirektor für Arbeitsmarktservice. Schließlich zählt Sorgearbeit, wie etwa Kindergroßziehen und das Führen eines Haushaltes, nicht zu Lohnarbeit. Um nicht in die Altersarmut zu rutschen, müssen sie offenbar häufig länger arbeiten als Männer. Insgesamt lag die Erwerbstätigenquote (20 - 64 Jahre) im Jahr 2022 bei 79,2 Prozent.