Kultur | Salto Weekend

Verenas Welt

An die vor zwei Jahren verstorbene Restauratorin Verena Mumelter erinnert ein schön gemachtes Buch. Herausgegeben haben es Wolfgang Piller und Renate Mumelter.
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Foto: Folio

„Ich möchte zunächst ein Gerücht entkräften“, meinte die Journalistin und Buchautorin Renate Mumelter nach den einleitenden Worten des Verlegers Hermann Gummerer bei der Vorstellung des Buches über Cousine Verena Mumelter vor wenigen Tagen im Waaghaus in Bozen: „Wolfgang hat viel mehr am Buch gearbeitet als ich. Vor allem hat er sich um die Bildauswahl gekümmert. Und wer schon einmal ein Buch gemacht hat, der weiß, was das für eine Arbeit ist.“ Genau zwei Jahre vor der Buchvorstellung, am 26. Juli 2021, verstarb Verena Mumelter, Restauratorin, Lokalpolitikerin, Kulturvermittlerin, Ehefrau des Architekten Wolfgang Piller und Mutter der gemeinsamen Tochter Lea. Nach dem Tod sei ihm „beim Durchstöbern des gesammelten Materials der Gedanke gekommen, ein Buch über sie zu machen, ein Buch für die Freunde, mit persönlichen Geschichten, aber auch ein Buch, das ihren Beruf für Laien bekannt und verständlich macht.“ Dies war nämlich stets auch Anliegen von Verena Mumelter gewesen. Wie oft musste sie erklären – den Menschen, der Politik – und den (Un-)Sachverständigen eine Handreichung geben, was denn ihr geliebter Beruf so alles will, kann und muss. 
 

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Gemalte Geschichte: Verena Mumelter am Narrenfresko im Waaghaus in Bozen / Folio


„Restaurieren heißt nicht neu machen“ steht im Buch einleitend vermerkt. Es war das Credo von Verena Mumelter. Im Werkverzeichnis am Ende wartet hingegen ein Überblick über die Arbeiten, wo sie ihre feine Hand präzise anlegte. „Sie hat ihren Beruf geliebt“, betonte Piller und hob auch ihr Engagement für den Restauratoren-Verband hervor. Auch darum geht es im mehrsprachigen Buch, das sich aufbaut wie ein Wandgemälde, Seite um Seite wird eine Schicht nach der anderen freigelegt und ein umfassendes Bild einer kulturaffinen Kunstfreundin entsteht. Viele Autorinnen und Autoren haben sich an Verena Mumelter erinnert. Neben den beiden Herausgeber*innen natürlich auch Tochter Lea. Sie beschreibt unter anderem die wichtigsten Zutaten im Leben ihrer Mutter: Liebe und Geduld. Davon habe Verena Mumelter „übermenschlich“ viel besessen. Das klingt nach Lebensrezept. Ein Rezept zum Nachkochen von Verena Mumelter liefert die Erinnerung der Tochter ebenfalls. Es führt in die nordafrikanische Tradition der Teigtaschen. 
 


Der Journalist (und Schwager der Familie) Gerd Staffler erinnert sich in seinem Text an die gute Kindheit, an die Sommer hoch über Bozen, in dem für Kinder so freien (wie kleinen) Refugium Kohlern. „Sie galt als geselliges Mädchen mit ausgeprägtem Führungsanspruch“, schreibt Staffler und führt unter anderem in Verena Mumelters Faszination zur Märchenfigur Rapunzel ein. „Zu meinem fünften Geburtstag im Februar 1961 hatte mein Vater veranlasst, dass auf dem Gabentisch eine Schallplatte mit meinem Lieblingsmärchen Rapunzel lag“, heißt es im O-TON von Verena Mumelter wenige Seiten später, „an die Plattenhülle war ein illustriertes, schmales Buch geheftet mit dem erzählenden Text. Meine Freude über dieses Geschenk war riesengroß; täglich hörte ich viele Male meine Geschichte an und träumte mich, auch Dank der schönen Bilder, mehr und mehr in den Rapunzelturm hinein. Erst viele Jahre später, als erwachsene Frau wurden mir die symbolträchtigen Zusammenhänge dieser Geschichte allmählich bewusst, auch die heilsame Wirkung von Märchen. Geblieben ist ein Wohlgefühl, wenn ich mich in alten, steinernen Schlössern und Türmen aufhalte, die mich nie an ein Gefängnis erinnern, Schutz und Innenschau bieten. Diese Mauern sind oft Träger von erzählten Geschichten, Wandgemälden, deren Erhaltung und Bewahrung mir vielmehr schicksalshafte Berufung als das Ausüben eines Berufes sind.“ Nach der Lektüre dieser wahrhaftigen Kindheitserinnerung erschließt sich auch das Titelbild um einiges märchenhafter als beim raschen Hinsehen. Das güldene Bild zeigt Verena Mumelter bei einem restauratorischen Eingriff. 
 

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Präsentation im Waaghaus: Die Herausgeber des Buches Wolfgang Piller und Renate Mumelter / Foto: Salto


Schule, Kunstschule, Spezialisierung. In den kurz gehaltenen Kapiteln kommen auch viele Berufskolleg*innen zu Wort. Sie sprechen und schreiben über die engagierte Boznerin, die sich außerdem politisch ins Zeug legte. So sprach Verena Mumelter vor 15 Jahren auch schon mal einen Zukunfts-Wunsch aus, der sich aus heutiger Sicht (leider) aktuell liest. Südtirol solle „frei von Froschängsten,“ werden, „frei von derzeitiger Bevormundung durch Parteipolitik, frei von gleichgeschalteten Medien, frei von fundamentalistischen Eiertretern.“
 

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Gemalte Verena: Ein Verena Mumelter-Porträt der Wiener Künstlerin und Designerin Susanne Korab aus dem Jahr 2019. Es führt farbenfroh in die bunten Lebens- und Berufsskizzen der Hauptprotagonistin. / Bildquelle: Folio


Der zweite Teil des Buches widmet sich der Arbeit der Restauratorinnen und Restauratoren und legt (mitunter gut bebildert) bekannte und unbekannte Geschichten aus dem Arbeitsalltag offen – berichtet darüber Wie ein Fresko entsteht, wie im Bozner Stadtmuseum verschollene Tafeln aufgefunden wurden, oder wie die zwischen zwei Straßen eingequetschte Kirche St. Martin in Kampill zu einem wichtigen Bezugspunkt für Verena Mumelter wurde.
 

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Großes Interesse: Zahlreiche Freunde, Bekannte und Interessierte waren zur Buchvorstellung am 26. Juli 2023 ins Bozner Waaghaus gekommen / Foto: Folio


Kunstgeschichte, Landesgeschichte, Lebensgeschichte: Mit dem Buch Verena Mumelter, ein Leben leisten Wolfgang Piller und Renate Mumelter wohltuende Erinnerungsarbeit an eine Frau, die für Kunst und Kultur regelrecht brannte, und die imstande war, ihre Passion überzeugend, ehrlich und mit viel Herz zu vermitteln. Das Bild, welches Verena Mumelter nun über dieses Buch hinterlässt, ist – man kann es nicht anders sagen – ein prächtiges Wandgemälde mit vielen besonderen Details. Und mit großem historischen Wert.
 

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Arunda Sondernummer: Verena Mumelter, ein Leben. Erschienen bei Folio