Politik | Grenzfrage

Unbefugte Wappenführung

Auf einem Wahlkampfbanner der SVP-Ortsgruppe Kastelruth taucht das offizielle Gemeindewappen auf. Was hat es dort verloren?
Wappen der Gemeinde Kastelruth
Foto: Südtirolfoto/Helmuth Rier

Weniger als zwei Monate fehlen noch bis zum 21. Oktober. Die Wahlkampfmaschinen laufen auf Hochtouren, Parteien und Kandidaten wappnen sich für den Wahlkampf.
In Kastelruth scheint man die Redensart für bare Münze zu nehmen: Die dortige SVP-Ortsgruppe greift im Wahlkampf auf das offizielle Gemeindewappen zurück. “Eine Unachtsamkeit”, so der Erklärungsversuch. Aber kann man sich damit zufrieden geben?

 

Im Wahlkampf alles erlaubt?

In Kastelruth regiert die SVP seit 2015 mit einer komfortablen Mehrheit, stellt 16 der 18 Gemeinderäte und mit Bürgermeister Andreas Colli einen Landtagskandidaten, der mit dem Motto “Machen statt meckern!!” im Herbst um Stimmen buhlt.
Bei einer Wahlveranstaltung vor knapp zehn Tagen posiert Colli mit weiteren Edelweiß-Kandidaten für Gruppenfotos. Demonstrativ stellt man sich vor einem Banner auf, auf dem das SVP-Logo und der Slogan “Im Interesse unserer Bürger” prangt – über dem Wappen der Gemeinde Kastelruth.

Doch ist es zulässig, dass eine politische Partei oder Gruppierung ein ofizielles Gemeindewappen verwendet, noch dazu für Wahlkampfzwecke?

Es dauert nicht lange, bis die Frage im Raum steht – zumal am 21. August ein Gruppenfoto auch über die offiziellen Facebook-Seite der SVP verbreitet wird. “Gehört der SVP jetzt schon die Gemeinde?”, fragt sich Werner Thaler in einem Kommentar unter dem Foto spitz. Thaler ist Leitungsmitglied der Süd-Tiroler Freiheit (STF). Seine Partei hat schon vor einiger Zeit den für die Gemeinden zuständigen Landesrat Arnold Schuler mit dem Sachverhalt befasst – weil die Ortsgruppen der SVP Stilfs und Kaltern das jeweilige Gemeindewappen im Wahlkampf für die Gemeinderatswahlen 2015 verwendeten.

 

Jeder Gemeinde ihre Regelung

Die Frage, ob politische Parteien oder Gruppierungen das Wappen einer Gemeinde benutzen dürfen, kann nicht pauschal mit Ja oder Nein beantwortet werden. Ein Blick in die regionale Gemeindenordnung verrät: Laut Art. 6 regeln die Gemeinden “das Führen des eigenen Banners und des eigenen Wappens sowie die Fälle der Genehmigung zur Führung des Wappens von Seiten von Körperschaften oder Vereinigungen, die im Gemeindegebiet tätig sind, und die entsprechenden Einzelheiten” selbst.

Es liegt also an den Gemeinden bzw. den Gemeinderäten festzulegen, wer ihr Wappen verwenden darf – ebenso wie die Strafen bei missbräuchlicher Verwendung. Aus einer Liste, die Landesrat Schuler im Juli 2015 der STF zukommen lässt, geht hervor: Mehr als zwei Drittel der 116 Südtiroler Gemeinden haben keine Verordnung, die die Verwendung des eigenen Wappens regelt. Einige haben inzwischen nachgezogen, etwa die Gemeinde Sarntal.
Die Gemeinde Kastelruth hingegen besitzt seit dem Jahr 1998 eine entsprechende Regelung. Darin heißt es: “Die Wiedergabe und die Verbreitung des Gemeindewappens (…) auf Druckschriften, Plakaten, Veröffentlichungen und anderen Gegenständen, die von Körperschaften und Vereinigungen, die im Gemeindegebiet tätig sind, geschaffen wurden und in kultureller, touristischer, oder sozial-ökonomischer Hinsicht ein Bild von der Gemeinde vermitteln, bedarf der Genehmigung des Gemeindeausschusses.”

 

Gibt der Gemeindeausschuss grünes Licht, kann das Wappen von Gruppierungen, die die erwähnten Kriterien erfüllen, also verwendet werden. Weiter heißt es in der Verordnung: “Im Genehmigungsakt sind das Ausmaß und die Art der Verwendung sowie die Dauer der Genehmigung festgelegt”.

 

Nicht gewappnet

“Der Gemeindeausschuss gewährt die Verwendung meist gemeinnützigen Vereinen”, heißt es auf Nachfrage aus dem Kastelruther Rathaus. Eine Liste jener Körperschaften und Institutionen, denen die Verwendung des Gemeindewappens erlaubt wurde, gebe es “leider nicht”.

Die SVP-Ortsgruppe Kastelruth würde jedenfalls wohl nicht draufstehen. Denn wie Landesrat Schuler mitteilt, hat die Gemeinde Kastelruth eigenen Angaben nach – anders als die Gemeinden Barbian, Gsies, Laurein, Proveis, Salurn, Sarntal, St. Martin in Passeier, Ulten und Vahrn – keiner örtlichen politischen Gruppierung eine Genehmigung ausgestellt. Zumindest nicht bis Juli 2015.

Ob sich das inzwischen geändert hat, die Verwendung des Kastelruther Gemeindewappens am SVP-Banner im August 2018 also rechtmäßig war – um das herauszufinden, hat salto.bz beim Leiter der SVP-Ortsgruppe Kastelruth, Martin Fill nachgefragt. “Von mir aus gesehen nicht”, gesteht dieser unerwartet ehrlich. Es sei wohl einer “Unachtsamkeit” geschuldet, dass das Wappen auf dem SVP-Banner gelandet sei, meint Fill, seines Zeichens Rechtsanwalt, etwas zerknirscht. Das Banner jedenfalls werde nicht mehr verwendet werden.
Gerne hätte salto.bz auch Bürgermeister Andreas Colli zur Sache befragt. Doch war er für eine Stellungnahme bislang nicht zu erreichen.

 

Institution SVP?

Bleibt abzusehen, ob die Kastelruther Gemeindeverwaltung nun tätig wird. Die Verordnung zur Verwendung sieht jedenfalls Sanktionen für die unbefugte Führung des Gemeindewappens vor. “Sofern nach einer Aufforderung innerhalb des gesetzten Termins die Übertretung nicht eingestellt und rückgängig gemacht wird”, droht laut Verordnung von 1998 eine Geldstrafe von “2.000.000 Lire”. (Neuere Gemeindeverordnungen sehen eine Geldbuße von 1.755 Euro vor.)

Ausrutscher passieren. Und auch andere Parteien sind im Wahlkampf nicht davor gefeit. Doch die jüngste Episode, gepaart mit der unbekümmerten Verbreitung der Fotos, muss die Frage erlauben, wie klar man unterm Edelweiß die Grenzen zwischen institutioneller und parteipolitischer Arbeit im Blick hat?
Ist der Vorfall in Kastelruth nach Wahlwerbung, die von Landtagsservern verschickt wird, einem parteiinternen Wahlkampfpapier, das im Landtagsdrucker zurückbleibt und nicht zuletzt einem Bürgermeister, der auf der Homepage seiner Gemeinde für sich wirbt, schließlich nur eine auf der Liste von Episoden, die zeigen, dass diese Grenzen im SVP-Wahlkampf immer wieder verschwimmen.