Das ideologische Relikt
Matteo Renzis jüngster Kraftakt gilt einem 45 Jahre alten Relikt: dem stattsam bekannten Artikel 18 des Arbeiterstatuts, den der
Premier nach gewohnter Manier verschrotten will - gegen den massiven Widerstand des linken Flügels seiner Partei. Die Gewerkschaft CGIL droht für diesen Fall sogar mit Generalstreik.
Der Artikel 18 ist für Normalbürger unverständlich, für Richter schwer anwendbar und betrifft nur einige tausend Personen. 40 Parlamentarier des PD wollen Renzi auf seinem Weg nicht folgen, ohne jedoch unter einer gemeinsamen Fahne zu marschieren. Die Standpunkte der Gegner sind unterschiedlich und reichen von Kompromissforderungen bis zu rigoroser Ablehnung. Am Montagabend wird sich die 200-köpfige Parteileitung mit dem Problem beschäftigen. Dort kann Renzi auf eine Mehrheit von knapp 70 Prozent bauen. Mit einigen Wenn und Aber und etwas Gezänk kann er mit Zustimmung für seine Arbeitsmarktreform rechnen, die auch die umstrittenen contratti precari umfassen soll.
Die wesentliche Frage aber stellt sich, wenn die umstrittene Reform in den Senat kommt, wo SEL und Fünfsterne-Bewegung bereits 700
Abänderungsanträge zum bisherigen Text angekündigt haben. Dort könnte Renzi mit seiner knappen Mehrheit von sechs Stimmen gezwungen sein, die Vertrauensfrage zu stellen. Kritisch wird die Situation auch, falls die Arbeitsmarktreform nur mit den Stimmen von Berlusconis Forza Italia verabschiedet werden kann, was einem Mehrheitswechsel gleichkommen würde. Doch die wachsenden Probleme, die auf Renzi nach seiner Rückkehr aus den USA zukommen, lassen sich kaum zählen.
Im Parlament stauen sich seit zwei Monaten Gesetze und Dekrete, die vergeblich einer Genehmigung harrren. Seit Wochen sind Kammer und Senat in gemeinsamen Sitzungen außerstande, zwei Richter fürs Verfassungsgericht zu wählen - ein Skandal, der die Verantwortlungslosigkeit eines Parlaments bloßstellt, in dem das übliche Spiel der franchi tiratori und veti incrociati jede Entscheidung vereitelt. Dass ein Parlament, das nur zwei Tage pro Woche arbeitet, die zahlreichen anstehenden Reformen in der nötigen Zeit bewältigen kann, bleibt Illusion. Renzis Versuch, die Parlamentarier mit ihren Monatsgehältern von 13.000 Euro zur Mehrarbeit zu zwingen, wird ebenso scheitern wie die zahlreichen Anläufe seiner Vorgänger.
Die Arbeit im Parlament beginnt am Dienstag meist nach 16 Uhr und am Donnerstag stehen die Trolleys der Schwerarbeiter bereits schön aufgereiht und abfahrtsbereit vor dem Sitzungssaal - ungeachtet der zahlreichen auf Genehmigung wartender Gesetze und Dekrete. Das wird Renzi, der jede Woche eine neue Baustelle eröffnet und weitere Reformen ankündigt, in den kommenden Monaten noch schmerzlich zu spüren bekommen.