Gesellschaft | Nicht erwünscht!

Die Kunst des sozialen Aussortierens

Man fliegt aus WhatsApp-Gruppen, verliert Netflix-Zugänge – und manche verschwinden still von Hochzeitslisten. Effizient, unaufgeregt, „aus Platzgründen“. Ob Location zu klein oder Gästeliste fix. Doch am Ende bleibt die Botschaft: dich wollen wir hier nicht.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
  • Vier Hochzeiten und kein Todesfall.

    Es gibt Menschen, die fliegen aus WhatsApp-Gruppen. Andere aus Netflix-Abos, weil der Passwort-Sharing-Riegel vorgeschoben wurde. Und dann gibt es jene, die es aus Hochzeitslisten schaffen – effizient, unaufgeregt und angeblich aus „platztechnischen Gründen“. Ich gehöre zur letzten Gruppe.

    Viermal. Vier Hochzeiten, viermal der gleiche Klassiker: 
    Wir würden ihn ja so gerne einladen, aber…“

    Das „Aber“ ist dabei so variabel wie die Wettervorhersage: Mal ist die Location klein, mal das Budget knapp, mal die Gästeliste leider schon fix. Immer jedoch gibt es eine mathematische Unmöglichkeit, mich in die große Gleichung der Liebe einzubauen. Dass meine Freundin trotzdem eingeladen wird? Tja, sie passt eben in die Formel.
     

    „Es tut uns (nicht) leid, 
    aber du wurdest eingespart.“


    Die Frage, die sich mir nach dem vierten Mal stellt: Bin ich einfach nur zu sensibel, oder ist das die neue soziale Effizienz? Natürlich ist es vollkommen verständlich, dass das Brautpaar den wichtigsten Tag seines Lebens nur mit Menschen verbringen möchte, die sie wirklich mögen und kennen – also mit all jenen, mit denen sie bereits mehrfach Sushi geteilt, Escape Rooms überlebt oder sich in den letzten zwei Jahren mindestens fünfmal in einer Insta-Story verlinkt haben. Niemand will ja mit Fremden feiern, so viel steht fest! 

    Aaaber: In dieser optimierten Gästelogik geht eben nicht nur der ungeladene Partner verloren, sondern auch der eingeladene Part. Denn der steht plötzlich vor einer echten Herausforderung:

    A) Loyalität zum Partner zeigen, sich höflich bedanken und absagen – und damit auf ewig als „der Empfindliche“ abgestempelt sein. 

    B) Einfach alleine hingehen und sich dabei so gelassen wie möglich geben – während man am Tisch ein bisschen wie das falsche Puzzle-Teil aussieht. 

    C) Alleine hingehen und einfach das Beste aus dem Abend machen – schließlich ist eine Hochzeit ja ein Ort der Freude und des Kennenlernens. Vielleicht entstehen ja spannende neue Bekanntschaften, und das Brautpaar kann sich später rühmen, nicht nur den Bund der Ehe besiegelt, sondern auch noch für gute Gesellschaft gesorgt zu haben.

    D) Sich für den ausgeschlossenen Partner starkmachen – und die leise, aber berechtigte Gefahr eingehen, im Freundeskreis als "die mit dem asozial anstrengenden Freund, der einfach nicht akzeptiert, dass er unerwünscht ist" abgespeichert zu werden.

    Wie schön, dass sich wahre Liebe heute so effizient berechnen lässt! Ein Algorithmus, der festlegt, wer relevant ist und wer sich mit einer Erzählung über die schöne Hochzeit aus zweiter Hand begnügen darf. Ein Hoch auf den Fortschritt!  


    WeddingCut – Nur die Relevanten feiern mit!

    1. Level 1: Familie. Wer mit dem Brautpaar verwandt ist, hat einen gewissen Grundanspruch. Aber nicht vergessen: Tante Irmgard könnte mit ihrer Weltansicht doch ein bisschen „zu uncool“ sein.
    2. Level 2: Engste Freunde – inklusive derer, die wichtig genug sind, aber bloß nicht zu viele Ansprüche stellen.
    3. Level 3: Partner dieser Freunde? Nur, wenn sie sich auch wirklich cool sind!


    “Plus Eins” – Ein Relikt vergangener Zeiten?
    Vielleicht haben wir die alte Regel „Wer eingeladen wird, bringt seine Begleitung mit“ einfach überschätzt. Vielleicht leben wir längst in einer Welt, in der nur noch der individuell relevante Mensch zählt – die Person, nicht das Paar.

    Aber was passiert, wenn man selbst dieses „unpassende Element“ ist? Wenn man merkt, dass man in den Mikrokosmos einer Freundesgruppe einfach nicht integriert wird? Es geht ja nicht nur um eine Hochzeit. Sondern darum, dass man jedes Mal aufs Neue die Botschaft erhält:
     

    „(Leider) nicht erwünscht.“


    Wen man plötzlich auf keiner Gästeliste mehr steht – tja, dann hat man den Dreh wohl noch nicht raus. Am besten schnell die Relevanz prüfen lassen, ein wenig an der Außenwirkung feilen, zum snowboarden anfangen und sich notfalls einen Workshop buchen: „Shred your Social Game: Vom Randphänomen zur Einladung“.

    Wer weiß, vielleicht klappt es dann ja beim nächsten Mal. Und falls nicht – naja, immerhin hat man den Abend frei für einen schönen Film. Mit sich selbst als einzigem sicheren Plus Eins.

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Salto User
nobody Do., 30.01.2025 - 21:23

Sortier mich gerne selbst aus. Wie sagt ein Bekannter von mir immer: Im Unterland ists auf einem Begräbnis hetziger als bei einer Hochzeit im Oberland (im Inntal; werden sicher die Unterinntaler behaupten).

Do., 30.01.2025 - 21:23 Permalink