Wirtschaft | Streitgespräch
„Verlieren Rückhalt in Bevölkerung“
Foto: Othmar Seehauser
Das Tourismusentwicklungskonzept des Landes sorgt seit Monaten für Diskussionen. salto.bz hat die HGV-Obfrau der Ortsgruppe Meran, Ingrid Hofer vom Hotel Pienzenau am Schlosspark in Meran, und Kurt Resch vom Bio und Bike Hotel Steineggerhof in Steinegg zum Streitgespräch getroffen.
Ich denke, die Bettenobergrenze wird von alleine erfüllt werden - Kurt Resch
salto.bz: Frau Hofer, Herr Resch, Teil des neuen Tourismuskonzeptes von Landesrat Arnold Schuler ist eine Bettenobergrenze. Braucht es aus Ihrer Sicht eine Bettenobergrenze und wenn ja, welche?
Kurt Resch: Aus meiner Sicht braucht es eine Obergrenze. Wie man sie händelt, ist schwieriger zu beurteilen. Es gibt immer wieder Betriebe, die zumachen oder etwas neu dazu bauen wollen. Eines ist aber sicher: Wir haben jetzt genug Touristen und wir verlieren den Rückhalt in der Bevölkerung. Wir haben maßlos übertrieben und Bettenburgen gebaut, die es eigentlich nicht bräuchte. Außerdem hilft es wenig, neue Betten zu bauen, wenn wir keine Mitarbeiter haben. Dabei finde ich es wichtig wegen dem Klimaschutz, möglichst einheimische Mitarbeiter mit wenig Wegstrecke zur Arbeit zu haben. In unserem Betrieb arbeiten nur Einheimische und ein Flüchtling aus Nigeria, der auch bei uns wohnt.
Ingrid Hofer: Ich bin der Meinung, dass kleine Betriebe in strukturschwachen Gebieten aus wirtschaftlichen Gründen Betten ausbauen dürfen sollten. Die touristisch weniger entwickelten Gemeinden sollten hier die Chance haben, ein wenig zu wachsen, um nicht ganz wegzufallen. Die schönen, alten Gasthäuser müssen weiter erhalten werden. Das macht Südtirol einzigartig und authentisch. Gleichzeitig ist eine Bettenobergrenze sinnvoll, da Südtirol mit 33 Millionen Übernachtungen (im Jahr 2019, Anmerkung d. R.) schon vieles erreicht hat. Es braucht ein Gleichgewicht und es macht keinen Sinn mehr, große Betriebe in der grünen Wiese zu bauen. Allerdings denke ich, dass sich hier durch den Mitarbeitermangel viel von alleine regeln wird. Für mich aber steht auch die Frage im Raum, wie wir die aktuellen Sterne-Kriterien einhalten sollen, wenn wir nicht genügend Mitarbeiter haben.
Vielleicht passiert es eines Tages, dass eine Alm am Samstag und Sonntag Ruhetage hat - Kurt Resch
salto.bz: Welche Schwierigkeiten gibt es dabei, einheimische Mitarbeitende zu finden?
Ingrid Hofer: Leider bringt der einheimische Mitarbeiter oftmals nicht so viel Flexibilität und zeitliche Verfügbarkeit mit wie ein ausländischer. Es ist sehr schwierig einheimische Mitarbeiter zu finden, die am Wochenende arbeiten möchten. Außerdem gehen heute viele Absolventen der Hotelfachschulen studieren und es ist nicht sicher, ob sie nach dem Studium dann im Südtiroler Tourismus arbeiten wollen.
Kurt Resch: Wir haben dasselbe Problem. Vielleicht passiert es eines Tages, dass eine Alm am Samstag und Sonntag Ruhetage hat.
Ingrid Hofer: Deshalb fehlen mir bei diesem Tourismusentwicklungskonzept die Maßnahmen für das Mitarbeiterproblem. Es braucht mehr Mitarbeiter und auch mehr Wohnungen für sie. Dieses Thema ist für uns sehr wichtig. Durch die Corona-Pandemie bleiben beispielsweise viele Mitarbeiter aus Kroatien in ihrem Land und arbeiten dort im Tourismus. Ich begrüße einheimische Mitarbeiter und wäre froh, wenn wir sie für uns gewinnen. Allerdings ist die Vereinbarkeit mit Beruf und Familie an den Wochenenden schwierig. In einer Stadt wie Meran mit 40.000 Einwohnern sind wir auf ausländische Mitarbeiter angewiesen.
salto.bz: Wie konnten Sie Einheimische für Ihren Betrieb gewinnen, Herr Resch?
Kurt Resch: Unser Betrieb folgt schon sehr lange einer nachhaltigen Philosophie. Heuer fingen drei Mitarbeiter bei uns an, denen unsere Art zu wirtschaften gefällt. Damit tanzen wir aus der Reihe, beispielsweise kochen wir vieles vegan.
Wir werden heute in Meran von vielen touristisch stark entwickelten Gebieten umkreist - Ingrid Hofer
salto.bz: Werden aus Ihrer Sicht mit der Bettenobergrenze alle Betriebe über einen Kamm geschoren?
Kurt Resch: Ich teile hier die Sicht von Frau Hofer, kleine Betriebe müssen ausbauen dürfen. Dabei ist aber zu beachten, dass jedes Bett einen Wert hat. Herr Schuler könnte einen Preis für ein Bett festlegen, zu dem die Betriebe die Anzahl ihrer aufgelassenen Betten anderen Betrieben verkaufen könnten.
Das Bettenkontingent muss in der Gemeinde bleiben - Ingrid Hofer
Ingrid Hofer: Mit dem Mangel an Mitarbeitern, den Generationenwechseln innerhalb der Familienbetriebe und der großen Ausbreitung von Airbnb in den Städten, wie beispielsweise Meran, werden wahrscheinlich einige Betriebe schließen. Deshalb wäre es wünschenswert, wenn die Anzahl der aufgelassenen Betten innerhalb der Gemeinde neu verteilt werden können. Schließlich hatte Meran früher noch 12.000 und jetzt nur noch 6.000 Betten. Wir werden heute von vielen touristisch stark entwickelten Gebieten umkreist.
salto.bz: Kann eine Bettenbörse aus Ihrer Sicht funktionieren?
Ingrid Hofer: Ja, aber das Bettenkontingent muss in der Gemeinde bleiben.
salto.bz: Wie sollen sich dann strukturschwache Gebiete entwickeln können, wenn ihnen von keinen anderen Gemeinden aufgelassene Betten zugewiesen werden?
Kurt Resch: Stark entwickelte Gebiete wie etwa Dorf Tirol könnten aus meiner Sicht schon Betten abgeben. So könnten dann Hoteliers bei uns in Karneid auch neue Betten dazu bauen. Allerdings braucht ein Betrieb nicht unbedingt mehr Betten, um rentabel arbeiten zu können. Wenn er sich dafür verschuldet, muss dieses Geld erst abbezahlt werden. Eine Alternative wäre daher, mit weniger Geld ein neues Konzept für den Betrieb zu entwickeln und das Hotel aufzuhübschen.
Hier sehe ich es als unsere Aufgabe an, nicht nur Saisonen zu bedienen, sondern einen Ganzjahrestourismus anzupeilen - Ingrid Hofer
salto.bz: Welche Entwicklung prognostizieren Sie für den Südtiroler Tourismus?
Kurt Resch: Ich denke, die Bettenobergrenze wird von alleine erfüllt werden und es werden die Nächtigungen durch den Mitarbeitermangel vielleicht noch weiter sinken.
Ingrid Hofer: Das denke ich auch so, solange das Mitarbeiterproblem nicht gelöst wird.
Kurt Resch: Optimal wäre es, wenn wir vielleicht nicht 33 Millionen, sondern 25 Millionen Nächtigungen pro Jahr haben und diese besser verteilen.
Ingrid Hofer: Hier sehe ich es als unsere Aufgabe an, nicht nur Saisonen zu bedienen, sondern einen Ganzjahrestourismus anzupeilen. Wer das ganze Jahr geöffnet hat, kann den Mitarbeitern auch eine Ganzjahresstelle anbieten.
Die Bürokratie ist komplett ausgeartet - Kurt Resch
salto.bz: Welche „vernünftigen“ Übergangslösungen braucht es für die Bettenobergrenze?
Kurt Resch: Wenn ich jetzt ausbauen wollen würde, wäre ich sehr besorgt, weil ich nicht weiß, was in den nächsten Jahren passieren wird.
Ingrid Hofer: Es wäre sinnvoll, den Hoteliers mehr Gestaltungsmöglichkeiten zu geben, um sich qualitativ zu verbessern. Die Gemeinde sollte dies beachten, denn hier geht es nicht um mehr Betten, sondern um die Steigerung der Qualität.
Kurt Resch: Aber auch die qualitative Erweiterung muss in einem bestimmten Rahmen sein. Es stimmt, dass selbst bei kleinen Veränderungen viel Zettelwerk zu erledigen ist. Wenn ich heute beispielsweise nur ein Fenster vergrößern will, bin ich mit sehr vielen Bestimmungen konfrontiert und muss schon alleine dafür Geld ausgeben, einen Architekten zu beauftragen. Die Bürokratie ist komplett ausgeartet.
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Ich glaube auch, dass das
Ich glaube auch, dass das Gastgewerbe in den nächsten 5-15 Jahren sich ändern wird, weil soviel Personal, für so wenigen Monaten, für im Grunde nicht sehr viel Geld, demnächst nicht mehr leicht zu finden sein wird.
Nicht wegen Faulheit der Jugend und Mitarbeiter im Allgemeinen, sondern weil sie, zum Glück, bessere Alternativen haben werden.
Antwort auf Ich glaube auch, dass das von Antonio Gulino
Bettenhandel im Hotelgewerbe?
Bettenhandel im Hotelgewerbe?, wird das Problem nicht lösen, verursacht aber weitere Probleme. die nicht zu Ende gedacht sind. Bei Betrieben mit finanziellen Schwierigkeiten, ungelöster Nachfolgerfrage, Überdrüssigkeit wegen überzogener Bürokratie und das für die Zukunft sich abzeichnende Problem mit den Saisonsmitarbeitern gewisser Betriebe, wird sich als Brandbeschleuniger für das Sterben der wertvollen alten Gasthäuser auswirken und sie den grausigen Bauspekulanten in den Rachen treiben.
In Deutschland gibt es Ähnliches in der Milchwirtschaft. "Die nicht besonders angesehenen sogenannten Sofamelker" haben für den Jahresumsatz aus der Milcherzeugung, die Milchquoten einem anderen Bauern überlassen und auf Ackerbau oder Mastwirtschaft umgestellt.