„Den Fluss nicht verlieren“

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SALTO: Welches Buch hat Sie in Ihrer Kindheit nachhaltiger geprägt, als Sie damals je geglaubt hätten?
Martin Streitberger: Auch wenn es nun über 90 Jahre her sind als das Buch geschrieben wurde und die Zeit damals anders war, ich hoffe sie kommt nicht wieder: "Das fliegende Klassenzimmer" von Erich Kästner, da es doch um Freundschaft und Zivilcourage geht.
Welcher letzte Satz eines Romans ist und bleibt für Sie ganz großes Kopfkino?
Der letzte Satz in "Die Straße der Ölsardinen" von John Steinbeck: „Und es hetzten und huschten die weißen Ratten in ihren Käfigen, und die Klapperschlangen lagen still hinter dem Glas und starrten mit ihren fahlen, drohenden Augen in die Luft. "
"Ulysses" ein Roman von James Joyce, da muss man blättern, um nicht den Fluss zu verlieren...
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Dunstlichiges: Mit „DunstLicht“ legt der seit 2019 dichterisch tätige Poet, Dokumentarfilmer und Bühnenmensch Martin Streitberger seinen lyrischen Erstling für den Buchhandel vor. Foto: SALTO
Reimen ist doof, Schleimen ist noch doofer… Auf welches – anscheinend gute – Buch konnten Sie sich nie wirklich einen Reim machen?
Auf viele Gegenwartsliteratur zum Beispiel, die mehr Wert auf den Stil, als auf die Stimmung oder auf die Aussage legt, die Technokratie unserer Zeit greift auf diese nihilistische Art des Schreibens über, so dass es oft schwierig ist zu wissen, über was nun gelesen wird und sich überlegt alles wegzulegen. Man sollte besser in die Oper gehen.
Ein Fall für Commissario Vernatschio. Wie erklären Sie einem Außerirdischen die geheimnisvolle Banalität von Lokalkrimis?
Es ist der Lauf der Dinge (trotz mancher Dichter, die es schwer haben das Morden als Motiv zu wählen), aber es wird leichte Kost mit örtlicher Färbung bevorzugt, kurze Zeit danach kommt die neue Folge, das verkauft sich gut!
Gewichtig! Welchen Buch-Tipps schenken Sie noch uneingeschränkt Vertrauen?
Den Vorschlägen eigener literarischer Freund*innen, die mich kennen und mir helfen, wohin ich will.
Was für ein Fehlschlag! Welches Buch würden Sie auf einer einsamen Insel zurücklassen?
Robinson Crusoe von Daniel Defoe, haha, leichter Scherz.
Das Rauschen des Blätterns. Welches Buch würden Sie auf keinen Fall am E-Book-Reader lesen?
"Ulysses" ein Roman von James Joyce, da muss man blättern, um nicht den Fluss zu verlieren, ich habe nur Abschnitte davon gelesen, aber erst kürzlich mit Freunden im Pub und als Vorbereitung zum Bloomsday (16. Juni).
Welches Buch zu Südtirol oder eines/einer Autors/Autorin aus Südtirol würden Sie unbedingt weiterempfehlen?
Jörg Zemmler, Neueste Südtiroler Landeskunde, 116 Dorf- und Stadtstiche
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