Johanniskraut – Sonnenpower auf Vorrat

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Wenn eine Pflanze das Licht nicht nur liebt, sondern es auch gleich in sich aufsaugt und in kleinen Blütenbatterien speichert, dann ist es Johanniskraut. Botanisch korrekt Hypericum perforatum, volkstümlich auch „Herrgottsblut“, „Teufelsflucht“ oder „Bruchkraut“. Ja, diese Pflanze hat mehr Namen als ein gesuchter Kleinkrimineller mit schlechtem Ruf – und das völlig zu Unrecht.
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Namensherkunft: Heilige Männer, blutige Finger Der Name „Johanniskraut“ leitet sich vom Johannistag ab – dem 24. Juni, dem Geburtstag von Johannes dem Täufer. Und weil das Kraut genau zu dieser Zeit in voller Blüte steht, wurde es eben nach dem Heiligen benannt. Früher dachte man übrigens, dass das Pflänzchen genau an diesem Tag die größte Heilkraft hat – als ob es sich vorher noch nicht richtig Mühe gegeben hätte.
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Mythen & Magie: Mehr als nur Pflanzenzauber
Im Mittelalter glaubte man, Johanniskraut könne Dämonen vertreiben. Also stopfte man es unters Kopfkissen, um sich gegen Albträume und nächtliche Besuche des Teufels zu schützen – quasi ein pflanzliches WLAN-freies Schutzschild gegen die dunkle Seite der Macht.
Auch Blitz, Hexen und Liebeskummer sollten sich damit vertreiben lassen. Besonders Letzteres funktioniert heute noch recht gut, wenn auch eher pharmakologisch als metaphysisch.
Natürlich gibt es auch Sagen und Mythen, wo der Teufel höchstpersönlich seine Finger im Spiel hat. Und das meine ich nicht sprichwörtlich. Der alte Schwerenöter liebte es anscheinend, jungen Mädchen ungefragter Weise, unter den Rock zu fassen. Als Schutz davor, nähte man Johanniskraut in den Rocksaum der unschuldigen Mädchen.
Wie wir uns denken können, war seine Reaktion darauf alles andere als positiv. Aus purem Hass auf diese Pflanze, versuchte er sie aus der Hölle heraus mit seinen spitzen, ekligen Fingernägeln zu erstechen.
Doch zu unserem Glück hat das nicht so gut geklappt. Den einzigen Schaden, den sie davongetragen hat, kann man heute nich sehen: Es sind die kleinen Löcher in ihren Blättern, die man sieht, wenn man diese gegen das Licht hält.
Botaniker behaupten, diese Löcher wären die Öldrüsen der Pflanze, wir jedoch kennen nun die teuflische Wahrheit, die dahinter steckt.
Im Brauchtum wurde das Johanniskraut als „Sonnenpflanze“ verehrt – immerhin trägt es die Sommersonne in sich, blüht zur Sonnenwende und sieht aus wie ein kleiner Strahlenwerfer. Es wurde daher gerne in Sonnwendfeuern verbrannt oder als Kranz über der Tür aufgehängt. Heute nennt man das dann „Boho-Deko“.
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Inhaltsstoffe: Kleine Blume, große Wirkung
Unter der botanischen Haube hat das Johanniskraut einiges zu bieten. Da wäre zum Beispiel:
Hypericin: verantwortlich für das berühmte rote Öl und die stimmungsaufhellende Wirkung. Hypericin klingt wie ein Marvel-Superheld – und verhält sich manchmal auch so.
Hyperforin: ein weiterer Star-Wirkstoff mit antidepressiver Wirkung.
Flavonoide: sorgen für antioxidative Superkräfte.
Gerbstoffe & ätherische Öle: bringen Beruhigung auf die Haut und Ordnung ins Bauchgefühl.
Die Kombination dieser Stoffe macht das Johanniskraut zu einem pflanzlichen Multitalent – gegen schlechte Laune, nervöse Zuckungen, Pickel mit Persönlichkeit und Wunden aller Art.
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Anwendung: Von Kopf bis zum Hintern
Ob als Tee, Tinktur, Kapsel oder Öl – Johanniskraut ist das Chamäleon der Pflanzenheilkunde. Die bekannteste Wirkung ist sicher die antidepressive: Bei leichten bis mittelschweren Verstimmungen bringt es wieder Sonne ins Gemüt, ohne dass man gleich in eine Hippie-Kommune ziehen muss.
Innerlich hilft es bei nervöser Unruhe, Winterblues, PMS und dem Gefühl, dass alles doof ist – ohne gleich zur Chemiekeule zu greifen.
Äußerlich wirkt es wundheilend, entzündungshemmend und regenerierend – als Rotöl bei Sonnenbrand, kleinen Verletzungen oder verspannter Muskulatur.
Achtung: Johanniskraut ist kein Wundermittel für alles – auch wenn es manchmal so wirkt. Bei schwerer Depression bitte nicht auf Selbsttherapie mit Tee setzen, sondern professionelle Hilfe holen. Nur weil’s pflanzlich ist, heißt das nicht, dass man’s bedenkenlos in sich reinschütten sollte, wie Gratis-Prosecco am Urlaubsbuffet.
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Nebenwirkungen: Sonne mit Schattenseiten
Apropos reinschütten: Johanniskraut kann tatsächlich Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten haben – und zwar nicht zu knapp. Die Wirkstoffe beeinflussen Enzyme in der Leber, die dann Arzneimittel schneller abbauen als ein Teenager eine Tüte Chips. Betroffen sind z.B. die Pille (ja, ernsthaft!), Blutverdünner, Immunsuppressiva oder HIVMedikamente.
Also: Bei Dauermedikation oder Verhütungswunsch erst zum Arzt, dann zum Kräutertee.
Außerdem: Lichtempfindlichkeit! Wer viel Johanniskraut nimmt, sollte direkte Sonne meiden – sonst gibt’s Sonnenbrand deluxe. Es ist halt eine Sonnenpflanze – und die will nicht, dass du sie übertrumpfst.
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Rezept
Rezept: Rotöl selber machen
Hier kommt das Rezept für dein ganz eigenes Stimmungs- und Hautpflege-Elixier:
Du brauchst:
- Frisch gesammelte Johanniskrautblüten (ca. ein Marmeladenglas voll)
- Hochwertiges Pflanzenöl z.B. Raps- oder Sonnenblumenöl (Olivenöl geht auch, hat aber einen recht starken Geruch)
- Ein sauberes Schraubglas -Sonne und Geduld
So geht’s:
- Blüten grob zerkleinern, ins Glas geben.
- Mit Öl auffüllen, sodass alles bedeckt ist.
- Auf das Glas bitte nur ein Tuch legen, damit nichts rein, die Feuchtigkeit der Pflanze aber noch entweichen kann. Dann geht es ab in die Sonne, wobei es jeden Tag umgerührt bzw. geschüttelt werden sollte.
- Nach 3–6 Wochen ( ich persönlich gehe da immer nach einer Mondfase, was in etwa 28 Tagen entspricht.) Das Öl wird in dieser Zeit tiefrot, weswegen dieser Ölauszug auch Rotöl genannt wird.
- Abseihen, in dunkle Flasche füllen – kühl und dunkel lagern.
Anwendung: Bei Sonnenbrand, Muskelkater, Narben, kleinen Wunden oder einfach als sanftes Pflegeöl für sonnengestresste Haut. Man kann es dann auch zu einer Salbe weiterverarbeiten.
Aber Achtung: Nicht direkt vor dem Sonnenbaden anwenden! Sonst wirst du zum Grillhähnchen mit Kräuternote.
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Wie erkennt man Johanniskraut? Pflanzen-Dating für Anfänger
Bevor man sich versehentlich mit einem falschen Kraut einlässt, hier ein paar eindeutige Merkmale, an denen du das echte Johanniskraut erkennst:
Blütezeit: Juni bis August – Hochzeit ist um den Johannistag herum.
Blüten: leuchtend gelb, fünfzählig, mit „Schwarzen Punkten“ am Rand – das sind Öldrüsen.
Blätter: oval, gegenständig, durchscheinend punktiert – hält man sie gegen das Licht, sieht es aus, als wären kleine Löcher drin (daher der Beiname perforatum = durchlöchert).
Stängel: zweikantig – nicht rund! Wenn’s rund ist, weg damit!
Vorsicht bei Verwechslung mit dem giftigen Jakobskreuzkraut – das sieht ähnlich aus, hat aber keine durchscheinenden Blätter und andere Blütenanordnung.
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Fazit: Pflanze mit Personality
Johanniskraut ist kein schüchternes Waldgewächs, das sich nur nachts raustraut. Es liebt die Sonne, macht gute Laune, heilt Haut und Herz – und das mit einer Portion historischer Dramatik und pflanzlicher Coolness. Wer also beim nächsten Spaziergang ein leuchtend gelbes Pflänzchen mit durchlöcherten Blättern sieht: ruhig mal stehen bleiben, schnuppern, sammeln und Danke sagen.
Denn ganz ehrlich – was kann man sich Besseres wünschen, als ein bisschen Licht in Flaschenform?