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„Musiker die zuhören können“

Gespräch zum Beginn der Gustav Mahler Academy mit Philipp von Steinaecker zu Mentoren, neuer und alter Musik, Geschlechterrollen in der Komposition und Internationalität.
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Foto: © Tiberio Sorvillo
Herr von Steinaecker, auf Ihrer Webseite ist zu lesen, Sie seien tief durch die Mentorschaft von Maestro Claudio Abbado beeinflusst. Gibt es eine spezielle Erinnerung, die Ihnen als erstes einfällt, wenn Sie an Ihren Mentor denken?
 
Philipp von Steinaecker: Es sind ganz viele. Ich erinnere mich, als ich ihn das erste Mal mit dem Gustav Mahler Jugendorchester gesehen habe, als ich dort mitspielte. Das ist so lange her, dass man es fast nicht sagen darf, ’91. Ich dachte mir: „Boah, ist der alt!“ Ich hatte mir ihn viel jünger vorgestellt, dabei war er 57. Wie er dann anfing zu dirigieren, ist alles in einen Sog geraten und diese 5. von Mahler begann unglaublich, wie ich das noch nie erlebt hatte. Ich hatte zuvor nur in meinem lokalen Jugendorchester, nördlich von Hamburg, in einem Vorort gespielt. Hier war plötzlich etwas völlig anderes los und das ist unvergesslich.
 
. Es blieb immer noch eine unglaubliche Bewunderung, das sehe ich bei allen, die ihn kannten. Das hat eine gewisse Distanz geschaffen, er liebte aber glaube ich auch sein Geheimnis, seine Mystik.
 
Welchen Eindruck hat er auf Sie mehr als Mensch denn als Künstler gemacht?
 
Einmal, ich habe damals in New York studiert, als er mit den Berliner Philharmonikern in die Stadt kam, habe ich ganz naiv mit einem Freund vor dem Konzert gewartet auf ihn. Ich habe ihn dann gefragt, ob er eine Karte hätte und er meinte, in seiner Magnifizenz: „Ja natürlich“ und hat seinem Agenten gesagt, er müsse uns Karten besorgen. Als der fragte wer wir seien, meinte er: „Das sind meine Freunde, die müssen ins Konzert.“ Es war vollkommen ausverkauft und da war er unglaublich cool und nett.
Wir haben ihn ein paar Mal auch besucht, um Orchesterangelegenheiten zu besprechen und das waren dann immer sehr gute und lange Gespräche und Abende mit ihm. Als ich ihm assistiert habe, konnte ich Nachmittage in seiner Wohnung verbringen, über Musik mit ihm reden, mit ihm essen und Musik hören. Das waren schon unglaublich tolle Momente.
Obwohl ich ihn dann schon so lange kannte, dachte ich mir nach 20 Jahren immer noch, dass es Wahnsinn sei, hier mit dem Abbado zu sitzen. Es blieb immer noch eine unglaubliche Bewunderung, das sehe ich bei allen, die ihn kannten. Das hat eine gewisse Distanz geschaffen, er liebte aber glaube ich auch sein Geheimnis, seine Mystik.
 
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Gustav Mahler Academy: Als künstlerischer Leiter hat Philipp von Steinaecker das 1999 von Claudio Abbado ins Leben gerufene Projekt übernommen. Er führt es im Geiste des Dirigenten fort. | Foto: Luca Guadagnini
 
Sie haben die 5. Symphonie Mahlers angesprochen. Sie ist im Originalklang-Projekt als Abschluss des beginnenden Bieniums geplant, welchen Sie dirigieren werden. War diese deshalb Ihr Wunsch?
 
Da schließen sich für mich ganz viele Kreise, das ist schon klar. Trotzdem war das nicht geplant und das ist mir auch erst nachher aufgefallen, dass das so sein wird. Originalklang ist ja auch eine Initiative der Mahler Akademie und von mir, wo wir Mahlers Symphonien erstmals wieder auf Instrumenten spielen, die Mahler kannte und für die er geschrieben hat. Wir haben zusammen mit dem Kulturzentrum Grandhotel Toblach das Projekt umgesetzt - sie haben die Instrumente gekauft - und gemeinsam organisiert. Da haben wir letztes Jahr die 9. Symphonie gemacht und dabei ist eine Aufnahme entstanden, die jetzt noch nicht erschienen ist, aber bei einem großen Label, Alpha Classics nächstes Jahr erscheinen wird. Das hat dann doch relativ hohe Wellen geschlagen, so dass das Projekt eingeladen wurde im Wiener Konzerthaus zu gastieren, in der Philharmonie in Paris, in der Philharmonie in Köln, im Bozar in Brüssel… Das Projekt hat dadurch bereits eine große, schöne Dimension bekommen und da war die Überlegung, was wir machen sollen, wenn wir es wiederholen.
Es muss übrigens nicht immer Mahler sein, es können auch andere Komponisten aus der Zeit sein, ich könnte mir vorstellen, auch Richard Strauss wäre wahnsinnig spannend auf diese Weise zu interpretieren…
Gut, jedenfalls war die Frage, welches Stück profitieren würde, von diesem Klang. Da es ein neues Ensemble ist, wäre es auch gut, wenn es ein nicht ganz so abgewandtes Werk wäre und die 5. ist da sehr beliebt. Gerade bei den beliebten Stücken ist es spannend, wenn man da aufwartet mit „neuen“ Klängen. So ist das entstanden, mit der 5. Symphonie.
 
Worin sehen Sie den Gewinn für ein Stück wie der 5. durch das Projekt? Was macht das Projekt Originalklang beispielsweise mit ihr?
 
Es hilft wahnsinnig mit der Transparenz. Die 5. ist das erste Stück Mahlers, das ganz klar kontrapunktisch gedacht ist, wo es keinen Moment mit einer von Akkorden unterlegten Melodie gibt, sondern immer unabhängige Stimmen nebeneinander laufen. Da musste er einen neuen Instrumentations-Stil erst finden und als er das zum ersten Mal gehört hat, fand er er müsse das alles uminstrumentieren, weil man den Kontrapunkt nicht klar genug hörte. Gegen Ende seines Lebens - die 5. war das letzte, woran er noch gefeilt hat - meinte er, dass er jetzt das Gefühl habe, sie sei perfekt. Ändert man dann aber die Instrumente mit denen man die Symphonie spielt, dann ändert sich wieder alles. Wenn Gustav Mahler unsere Instrumente gekannt hätte, dann hätte er höchsthöchstwahrscheinlich wieder andere Dynamiken entwickelt. Gerade bei diesem Stück - von dem er meinte, dass es perfekt sei - zu hören wie es denn ist mit den Instrumenten, wird glaub ich sehr sehr lohnend werden. Natürlich kommt darin auch das tolle Adagietto vor, das ich persönlich endlich mal auf Darmsaiten mit wenig Vibrato und mit einer alten Harfe, vielen Rutschern zwischen den Tönen und einem freien Tempo hören möchte… All diese Dinge könnten in diesem Stück denke ich attraktiv werden. Oder auch das Scherzo mit seinem großen Hornsolo auf dem alten Wiener Horn stelle ich mir toll vor. Der Anfang wird auf der F-Trompete statt auf der B-Trompete gemacht. Das ist für mich faszinierend und wenn am Ende der große Choral kommt ist das mit dem Blech, das wir haben heller, attackierend irgendwie. Es schmettert immer gleich aber ist nicht so laut und deckt nicht alles zu. Wenn das Blätterrauschen der Streicher den Kontrapunkt dazu eine große Fuge hinunter spielt, dann ist dieser feierliche Choral nicht zu glatt. Ich stelle mir das toll vor.
 
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Gustav Mahler Academy: 40 der Academy Studenten bereiten sich derzeit auf die Aufführung von Georg Friedrich Haas' „11.000 Saiten“ vor. | Foto: Tiberio Sorvillo
 
Seit heuer ist es erstmals so, dass sich die Teilnehmer an der Gustav Mahler Academy für zwei Jahre verpflichten, statt wie bislang für ein Jahr. Hat sich dadurch etwas an den Bewerbungen geändert?
 
Wir hatten tatsächlich mehr Anmeldungen denn je, knapp 1000 Anmeldungen für 45 Plätze, aber das liegt vielleicht auch daran, dass wir es erstmals weltweit angeboten haben. Es waren tatsächlich auch ganz schön viele aus Asien, Amerika, aber auch Südamerika dabei, die sich beworben haben.
 
Man muss sich klar sein, dass man sich als Musiker nicht einfach so in ein Orchester setzen kann und dann vor sich hin spielt, sondern muss Projekte haben und immer weiter lernen.
 
Was soll diesen Schülern geboten werden?
 
Die Idee dahinter ist die: Abbado stellte sich vor, den idealen Orchestermusiker der Zukunft auszubilden, Musiker die im Orchester agieren wie in einer Kammermusikgruppe. Die aufeinander hören, so dass der Dirigent nicht als Metronom fungieren muss, sondern frei Musik zeigen kann. Das wollte Abbado, Musiker die zuhören können.
Es braucht also Musiker, die gut spielen können, individuell, was heißt, sie müssen Einzelunterricht erhalten bei tollen Lehrern. Das wollen wir bieten. Sie müssen viel Kammermusik machen, was wir natürlich auch bieten wollen. Dann müssen sie im Orchester spielen, in der Größe des Mahler Chamber, da kann man wirklich aufeinander hören und das lernen. Dann wollte Abbado aber auch Musiker, die intellektuell agil und neugierig sind. Man muss sich klar sein, dass man sich als Musiker nicht einfach so in ein Orchester setzen kann und dann vor sich hin spielt, sondern muss Projekte haben und immer weiter lernen. Es ist natürlich schwierig, das den Musikern beizubringen, das muss irgendwie auch aus einem selber kommen, aber da war die Idee der Aufführungspraxis wichtig. Mahlers 5. kennt jeder und weiß wie sie geht. Sich dann aber einzugestehen: „Halt, man kann sich das Stück auch aus einem anderen Blickwinkel ansehen.“, da hoffen wir, dass das zu einer solchen Flexibilität führt. Man kann immer eine gute Idee neu umsetzen und die Pfade können gar nicht so ausgetreten sein, dass man aus dem Graben nicht mehr herausspringen kann.
 
War das zu viel für ein Jahr?
 
Wir haben uns gesagt, das kann man gar nicht alles in einem Jahr machen, sodass wir es trennen: Ein Jahr moderne Instrumente, ein Jahr alte Instrumente. Ich glaube, das ist auf jeden Fall einmalig und ich denke, das spiegelt sich schon im Zuspruch der Studenten wider.
 

 
Neu ist auch, dass in einem Jahr die Aufführungspraxis von 1895 bis 1920 in Paris und im Jahr darauf jene im Wien der selben Zeit behandelt werden sollen. Wodurch unterschieden sich diese im Wesentlichen in einer vorglobalisierten Zeit?
 
Damals hat man in Frankreich tatsächlich ganz ganz anders gespielt als in Wien oder in Deutschland. Das war bei den Streichern aber auch bei den Bläsern eine ganz andere Schule, man sprach etwa von der deutschen Schule. Es gibt noch Aufnahmen von Musikern, die gerade noch das Aufnahmezeitalter erlebt haben und die so spielten. Joseph Joachim, ein Freund von Mahler, der das Violinkonzert uraufgeführt hat, war einer der berühmtesten, aber es gab auch andere, wie Arnold Rosé, den Konzertmeister der Wiener Philharmoniker und Schwager von Mahler oder Marie Soldat-Röger. Es gibt noch Aufnahmen dieser Musiker, die belegen wie das wohl geklungen haben mag, sie spielten sehr stark vom Bogen her, in der Saite und mit wenig Vibrato. Das war ein nicht so sinnlicher, aber ehrlicher und klarer Ton. Es war eine Technik, die sehr ehrlich war: Man hörte immer, wenn die Lage gewechselt wurde.
In Frankreich wurde zur selben Zeit ein neuer Stil entwickelt in dem viel mehr vibriert wurde - immer noch weniger als heute - was auch mit der Erfindung der Stütze zu tun hatte. Man konnte die Geige mit dem Kinn halten, so dass eine Hand frei wurde zum Vibrieren und sich leichter bewegen konnte. Es hat dieser französische Stil den deutschen verdrängt. Wir versuchen das, nachdem der Stil quasi „ausgestorben“ ist, versuchen wir zu rekonstruieren, wie das wohl geklungen haben mag.
Dem französischen Klang, der sich durchgesetzt hat, behandeln wir aber auf modernen Instrumenten. Wir hoffen, die Unterschiede dadurch in den Köpfen der Studierenden zu markieren, denn ein anderes Instrument kann dabei psychologisch helfen.
Die Wiener Philharmoniker sind um 1900 auf ihrer ersten Auslandreise nach Paris zur Weltausstellung gefahren, mit Gustav Mahler als Dirigenten. Die hatten das auch noch nie so gehört und waren stark verwundert. Es war einfach noch nicht alles so verknüpft, damals.
 
Es gibt Musik von Frauen und die kann man auch spielen, aber wenn es darum geht in einer Akademie jungen Musikern essentielles Repertoire beizubringen, dann kommen bis 1920 Frauen einfach nicht vor.
 
Mein Kollege Mauro Franceschi hat kürzlich einen Kritikpunkt zum kommenden Programm des Bolzano Festival Bozen ausgemacht und zwar, dass die weiblichen Komponistinnen fast gänzlich fehlen. Barbara Strozzi stellt die einzige Ausnahme. Das ist nicht nur in Bozen, sondern international ein Trend. Wo kann das anfangen, dass Komponistinnen mehr Wertschätzung finden, bereits im didaktischen Bereich oder in der Programmation?
 
Das ist ein großes Problem und hier muss sich unbedingt etwas tun. Ich glaube - wenn ich das mal umdrehen darf - dann ist der Fakt, dass das bemerkt wird, von Mauro Franceschi und anderen, ein Anzeichen dafür, dass darüber gesprochen wird und sich da etwas ändert.
Vor zehn Jahren hätte das niemand bemerkt, wenn in einem Programm wenige Komponistinnen oder Dirigentinnen vorkommen. Komponistinnen konnten aber auch bis in die 1920 nicht in ein Konservatorium eintreten und ihnen wurde vom Elternhaus dringendst abgeraten zu komponieren oder im Fall von Alma Mahler von ihrem Mann. Es war unziemlich und gesellschaftlich nicht anerkannt. Das bedeutet, dass ganz viel Talent an weiblichen Komponistinnen niemals entdeckt wurde und es deshalb bis ins 20 Jahrhundert auch einfach nicht so viel attraktive Musik von Frauen gibt. Es gibt Musik von Frauen und die kann man auch spielen, aber wenn es darum geht in einer Akademie jungen Musikern essentielles Repertoire beizubringen, dann kommen bis 1920 Frauen einfach nicht vor.
Das klingt jetzt hart von mir gesagt, es ist aber eine totale Realität. Würde man jetzt sagen, ihre Stücke seien genauso toll, dann wäre das vielleicht politisch korrekt, aber so ist es nicht. Bei der Vergangenheit ist nicht viel zu machen. Dieses Talent ist verloren gegangen, sie sind gestorben, ohne dass sie ihr Talent ausbilden konnten; vielleicht mit Ausnahme von Fanny Mendelssohn, die wirklich eine sehr gute Komponistin war, die ich sehr schätze. Aber es gibt nicht viele.
Es muss einfach heute passieren und das passiert ja auch: Frauen können heute genauso Komponistinnen werden wie Männer und heute können Frauen genauso, oder noch leichter Dirigentinnen werden wie Männer. Da wird sich ganz viel tun und Talent entdeckt werden. Zukünftige Generationen haben dann das Glück, dass sie aus einem viel reicheren Schatz schöpfen können.
 
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Gustav Mahler Academy: Von der Kammermusik, zum Kammerorchester ins Gustav Mahler Jugend Orchester lernen die Studenten einander zuzuhören. Ein menschlicher Grundwert. | Foto: Tiberio Sorvillo
 
Welchen Mehrwert hat das Lernen um das Konzept des Originalklangs für jene Musiker, die sich vielleicht mit dem Austritt aus dem Jugendorchester auch von historischer Aufführungspraxis fort entwickeln?
 
Ich habe immer beides gemacht in meiner eigenen Karriere: Ich habe modernes Cello und Barock Cello gespielt und habe gesehen, dass das etwas gettoisiert wurde, dass es da Berührungsängste gab. Ich persönlich finde es wichtig, dass es alle mal ausprobieren und Darmsaiten auf ein Instrument ziehen oder sich an alten Blasinstrumenten erproben. Das gibt einem Musiker Flexibilität und eine andere Klangvorstellung. Wenn man das dann nicht mag, kann einen niemand dazu zwingen, aber man wurde dem mal exponiert. Für mich gibt es darin überhaupt keine Dogmatik, aber es sind nicht nur die Instrumente, es ist auch die Spielweise, es erweitert einfach mein persönliches Repertoire an Ausdrucksmöglichkeiten. Das bereichert auch mein Spiel auf modernen Instrumenten, denn wenn man weiß, wie Musik  auf alten Instrumenten klang, dann kann man vieles auch auf moderne Instrumente mitnehmen. Dann weiß man vielleicht auch eher, was für eine Art von Klang, welches Piano oder welche Aggressivität man auf modernen Instrumenten suchen sollte. Das Gefühl von Instrumenten, die interessant aber nicht perfekt sind, das mag ich schon auch. Eine gewisse Gefahr, die Komponisten zum Teil auch suchen, wenn sie an die Grenzen der Instrumente gehen. Ein gewisses Präkariat, das geht in modernen Interpretationen verloren. Die Instrumente wurden sicher gemacht weil die Musiker nicht in Unsicherheit spielen wollen. Man kann es ja auch verstehen. Es wird alles glatt und sicher und rund und schön und vielleicht war da mal mehr drin. Diese Risikofreude finde ich schon auch etwas Tolles.
 
Ein gewisses Präkariat, das geht in modernen Interpretationen verloren. Die Instrumente wurden sicher gemacht weil die Musiker nicht in Unsicherheit spielen wollen.
 
Es ist auch nicht mehr lange hin bis zur Uraufführung von Georg Friedrich Haas’ „11.000 Saiten“, an welcher Gustav Mahler Schützlinge teilhaben werden. Was bedeutet es in einem doch noch Ausbildungskontext wenn man an einer Uraufführung teilhaben kann?
 
Genau, das hätte ich bereits vorhin erwähnen sollen, als ich von intellektueller Neugierde gesprochen habe, das gilt nicht nur gegenüber dem Originalklang sondern auch gegenüber neuer Musik. Wir haben das jetzt lange nicht gemacht und heuer haben wir uns gesagt, da machen wir gleich eine Uraufführung, damit sie miterleben, was es bedeutet sich ein neues Stück zu erarbeiten. Dann ist es auch noch von einem der ganz großen Komponisten unserer Zeit.
Es ist ja auch etwas ganz außergewöhnliches, nicht nur mit den 50 mikrotonal gestimmten Klavieren. Die ganze Partitur ist außergewöhnlich, da sie nicht mit einem Dirigenten, sondern einem Zeitcode und einer Stoppuhr arbeitet und man Zeitabschnitte spielt. Da muss man umdenken, als Musiker, das tonale System ist vollkommen aufgefächert. Man spielt nicht in Vierteltönen, sondern in Achtel- und Sechzehnteltönen. Das wird für die Studierenden eine wahnsinnige Erfahrung sein in so etwas einige Tage lang einzutauchen. Es kommen auch Dozenten vom Klangforum Wien, die ihnen helfen das zu meistern. Ich hoffe, dass ihnen dasSpaß macht und bin mir sicher, das werden sie nicht vergessen. Es ist wichtig, dass man sich weiterentwickelt und nicht nur das 19. und den Anfang des 20. Jahrhunderts spielt. Das ist auch okay aber lass es uns auf anderen Instrumenten spielen und neue Musik machen. Diese dann aber auf hohem Niveau, ein einziges Stück, das eine Stunde geht und alles von ihnen fordert. Es spielen fast alle unsere Studenten mit, weil es nicht alle Instrumente braucht. Es werden 50 Pianisten und 40 Musiker zusammenspielen, ohne Dirigenten. Die Pianisten haben iPads, die automatisch und synchronisiert umblättern, dafür mussten wir erst die Software entwickeln lassen und einen Weg finden, damit man in der Probe nicht immer von vorne anfangen muss. Das ist ein Wahnsinnsaufwand, aber eine tolle Sache. Ich hoffe, dass viele Südtiroler da hinpilgern. Sie können sich ja auch vorstellen, so oft wird das Stück nicht aufgeführt werden, weil es prohibitiv kompliziert ist.