Wirtschaft | Zölle

„Ein großes Abwarten“

Andreas Kofler, Präsident des Konsortiums Südtirol Wein über die anstehenden US-Zölle auf EU-Produkte, mögliche Auswirkungen auf Südtiroler Wein und Marktalternativen.
Weinkiste Weintrauben
Foto: Seehauserfoto
  • SALTO: Herr Kofler, ist es Gewissheit, dass Wein unter die Produkte fällt, auf denen 15 Prozent Zoll erhoben werden oder herrscht noch Unsicherheit? 

    Andreas Kofler: Es ist Gewissheit, aber nur so gewiss, wie Dinge bei Trump und der US-Regierung sein können. Anscheinend ist noch nicht alles klar. Es gab ein Treffen, aber kein verbindliches Papier. Viele Punkte sind weiterhin ungeklärt. Es wird diskutiert, die Einführung um 90 Tage zu verschieben. Wenn es konkret wird, gehen die Meinungen offenbar weit auseinander.

  • Die Zölle

    Am 27. Juli 2025 haben US-Präsident Donald Trump und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine Grundsatzvereinbarung getroffen, die vorsieht, dass die USA einen 15 Prozent Pauschalzoll auf nahezu alle EU-Exporte erheben, etwa die Hälfte des zuvor angedrohten Satzes von 30 Prozent oder mehr. Dies soll am 1. August in Kraft treten. 

    Kritik wurde mehrfach laut, etwa dass die Zölle zu (wirtschaftlichen) Belastungen auf Seiten der EU führen und dass die EU zu nachgiebig verhandelt habe.

  • Gehen wir davon aus, dass die Zölle wie geplant eingeführt werden. Welche Folgen darf man für den Südtiroler Wein erwarten? 

    In einer leicht angespannten Weinverkaufssituation lösen 15 Prozent-Zölle keine Freude aus, im Gegenteil. Allerdings: Wenn endlich Ruhe in den Markt einkehrt, ist das für den Markt noch wichtiger als die Zölle. Mit Ruhe auf dem Markt kann man sich eher anpassen. In den letzten Monaten wurde vieles aufgeschoben und es herrschte Unsicherheit. Es gibt für die Wirtschaft nichts Schlimmeres als Unsicherheit. Trotzdem sind Zölle von 15 Prozent ein Problem für den Südtiroler Wein. Die USA sind der zweitgrößte Exportmarkt, Amerikaner schätzen italienische Produkte und Südtiroler Wein. Durch die Zölle würde der Wein teurer und dementsprechend möglicherweise weniger konsumiert werden. Wir haben das Glück, über ein gutes Renommee zu verfügen, daher könnten Amerikaner weiterhin kaufen, aber es würde für sie schwieriger und teurer.

     

    Wie werden diese 15 Prozent verteilt? Zahlen US-amerikanische Kunden einfach 15 Prozent mehr?

    Jeder Betrieb wird das je nach Marktverhältnissen und Notwendigkeit mit seinem Importeur individuell regeln. Es wird möglicherweise Empfehlungen großer Verbände geben. Vielleicht teilen sich einige Betriebe die Zölle. Es kann aber auch sein, dass Betriebe sie „nicht zahlen“. Dann kostet der Wein 15 Prozent mehr. Man darf nicht außer Acht lassen, dass all die Unsicherheit, all das Chaos schon Geld gekostet haben, weil sie den Wechselkurs des Dollars, möglicherweise bewusst, geschwächt haben. Das verteuert europäische Produkte unabhängig von Zöllen.

     

    Es gibt für die Wirtschaft nichts Schlimmeres als Unsicherheit.“

  • Andreas Kofler, Präsident des Konsortiums Südtirol Wein: „Ich bin der Überzeugung, dass sich der Südtiroler Wein trotz der 15 Prozent behaupten kann.“ Foto: Kellerei Kurtatsch
  • Gibt es Strategien zur Umgehung des Zolls, etwa Lager in den USA?

    Das ist schwierig. Eine Strategie, die wir schon seit Jahren verfolgen und unterstützen, ist Marktdiversifikation. Veranstaltungen und Auftritte in anderen Ländern, um den Druck zu nehmen, zu abhängig vom amerikanischen Markt zu sein. Wenn man von großen Konzernen spricht, dann ist es sicherlich so, dass große Weinbetriebe ihre Strategien haben, etwa mit eigenen Zolllagern.

    Bei kleinen Südtiroler Betrieben ist das unrealistisch. Solch ein Aufwand ist derzeit sowieso nicht gerechtfertigt, weil man nicht weiß, was klar ist. Manöver anzustreben, ohne eine klare Regel zu haben, an der man sich anpassen kann, ist extrem schwierig. Deswegen ist letztlich nicht viel geladen worden. Kommt die Ware an? Wird die Ware besteuert, wenn sie bereits auf dem Ozean ist? Es handelt sich um ein großes Abwarten und das ist nicht gut.

     

    Man versucht sich demnach in anderen Märkten zu diversifizieren. Was sind die Zielmärkte, die man mehr zu bespielen versucht? 

    Wir versuchen den asiatischen Raum zunehmend zu bespielen. Auch die nordischen Länder zeigen immer mehr Interesse am Südtiroler Wein, ebenso klassische Märkte, wie Belgien und Holland. Potenzial steckt auch in den arabischen Ländern, sofern Alkohol für Touristen verfügbar ist oder wird. Auch Südamerika ist für viele europäische Weinproduzenten ein interessanter Markt.

     

    Habt ihr Kontakt zu italienischen, europäischen oder amerikanischen Weinvereinigungen, wo man versucht gemeinsam das Problem anzugehen?

    Ja. Die Unione Italiana Vini ist etwa stark involviert. Man versucht, zu intervenieren und seine Bedenken zu äußern. Die Zölle sind auch für die US-amerikanischen Weinproduzenten problematisch. Kanada als größter US-Weinexportmarkt hat als Reaktion auf die Zölle den Weinimport von USA gestoppt. US-Erzeuger kämpfen zudem mit Arbeitsproblemen durch Abschiebungen. Dazu kommt: Wenn der Importeur oder Distributor in Amerika weniger europäische Produkte verkauft, dann hat er weniger Budget für die US-amerikanischen, tut sich finanziell schwerer. Das ist ein zusammenhängendes Rad. Ein Euro Wein bedeutet in den USA vier Euro in der Wertschöpfungskette.

     

    Glauben Sie, dass Südtiroler Wein sich in den USA halten kann, auch wenn der Zoll langfristig bleiben würde?

    Ich bin der Überzeugung, dass sich der Südtiroler Wein trotz der 15 Prozent behaupten kann. Wir haben in den USA ein sehr gutes Image. Qualitätsweine mit Herkunftsnachweis lassen sich nicht einfach ersetzen. Der Zoll wird den Konsum dennoch leicht drosseln. Sollte der Zoll jemals auf die Extremzahlen steigen, die schon einmal im Raum standen, dann käme das einem Importstopp gleich. 15 Prozent lösen keine Freudensprünge aus, sind aber handhabbar. Sie werden ihre Schäden verursachen, aber keine Katastrophe auslösen.

  • Südtiroler Wein: Bald teures, begehrtes Gut auf der anderen Seite des Atlantiks? Foto: Seehauserfoto
  • 15 Prozent lösen keine Freudensprünge aus, sind aber handhabbar. Sie werden ihre Schäden verursachen, aber keine Katastrophe auslösen.“

     

    Hieße das, man hat im Sinn im US-amerikanischen Markt so weiterzumachen wie bisher? Bezüglich Investitionen etc.

    Das ist zu beobachten. Ob Investitionen den Markt stabil halten, wird sich zeigen. Nicht leicht zu sagen, auch ob man möglicherweise das Marketing ändern muss, ob umgeschichtet werden muss… Wichtig ist, dass zunächst Ruhe einkehrt und Handelsabkommen abgeschlossen werden.

     

    Glauben Sie, dass die Zölle zur Folge haben könnten, dass Südtiroler Weinbetriebe mehr Unterstützung des Landes kriegen? 

    Der Wein ist ein kulturelles Aushängeschild, für das Land Südtirol wie für Italien generell. Die Politik schaut hin, wenn es Probleme gibt, wie es auch während Covid schon passiert ist und wird von Fall zu Fall abwägen. Gelder stehen nicht unendlich zur Verfügung. Es gibt andere Sektoren, die leiden werden und schwierige Zeiten erleben. Unterstützung vonseiten der Politik ist dort, wo sie notwendig ist, auch richtig und hilft denen, die sie brauchen.

  • US-Präsident Donald Trump: Vor kurzem einigten sich er und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf den „Zolldeal“ Foto: Gage Skidmore from Surprise, AZ, United States of America. CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=152174522
  • Der Wein ist ein kulturelles Aushängeschild, für das Land Südtirol wie für Italien generell.“

     

    Gibt es Berechnungen, was die Zölle für Einbüßen bedeuten könnten? 

    Es gibt unterschiedliche Berechnungen, aber keine, auf die man sich stützen könnte, weil so viel Unsicherheit dahinter ist. Das hängt mit so vielen Faktoren zusammen, dass es kaum auf Zahlen herunterzubrechen ist. Es gibt sicherlich Produkte, die leichter austauschbar sind als andere. Je nach Marke, je nach Produkt wirken Preissteigerungen unterschiedlich. Es gibt Marktprodukte, bei denen Preissteigerungen generell leichter hingenommen werden, weil Konsumenten trotzdem bereit sind zu kaufen, aber es kann auch in die andere Richtung gehen. Italienweit gibt es einige Berechnungen, für Südtirol noch gar nicht, aber klare Zahlen findet man sowieso nicht.

     

    Im ersten Trimester, nach Trumps Wiederwahl, ist der Export stark erhöht worden, wohl da man mit solchen Möglichkeiten rechnete. Gibt es Zahlen dazu, ob sich dieser Trend im zweiten Trimester hielt? 

    Zahlen liegen noch keine vor. Nach meinem Kenntnisstand gingen die Zahlen im zweiten Trimester wieder eher nach unten. Der Schwung mit dem sie hinaufgingen, war etwas wie eine Blase durch Lagerfüllungen aus Angst vor den Zöllen. Die Waren müssen nun verkauft werden. Daher wird das Volumen wieder sinken.