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Ein Gang vor die Hunde

Der Roman „Fabian oder der Gang vor die Hunde“ von Erich Kästner wird neu aufgerollt: Ein Film über die Liebe und Moral, der damals spielt und doch ganz von heute ist.
Fabian
Foto: Filmclub

Der Regisseur Dominik Graf hat Erich Kästners Geschichte „Fabian oder der Gang vor die Hunde“ neu verfilmt. Das Filmdrama wurde 2021 in Deutschland produziert, war für einen Goldenen Bären nominiert und hat noch Chancen auf den Deutschen Filmpreis 2021. Die Kinoleinwand wird 176 Minuten mit der Kästner-Geschichte beleuchtet, Altersfreigabe ist ab 12 Jahren. 

Erich Kästner schrieb seinen in Berlin spielenden Roman zwischen 1930 und 1931. „Der Gang vor die Hunde“ gilt als Kästners Meisterwerk, erschien damals aber in einer entschärften und zensierten Version und obendrein unter einem Titel, der nicht in Kästners Sinne war, nämlich „Fabian“. Dieses Jahr wurde der Roman verfilmt und startete am 5. August in den Kinos. 

Dominik Graf inszeniert den Anfang der Geschichte mit Bezügen zur heutigen Zeit und eröffnet „Fabian“ mit einer Sequenz, in der er optisch von der heutigen Berliner Hauptstadt in die damalige reist. Die ZuschauerInnen werden in eine gegenwärtige U-Bahnstation hinunter geführt. Kurz bleibt die Kamera in der historischen Bahnstation und gelangt durch das Hinaufsteigen der Treppen in das Berlin der 1930er Jahre. Der Gang vor die Hunde beginnt. 

 

Der Plot 

 

Tagsüber arbeitet Fabian – in der Hauptrolle spielt Tom Schilling – in der Werbeabteilung einer Zigarettenfabrik, nachts streift er durch die Kneipen und Bordelle, gern zusammen mit seinem wohlhabenden Freund Labude, verkörpert von Albrecht Schuch. Fabian ist ein Moralist und Pessimist, doch dann verliebt er sich und stellt Cornelia, dargestellt von Saskia Rosendahl, seinem Freund vor. Labude hat seine Geliebte bereits verloren und driftet immer haltloser durchs Leben, gibt aber Fabian und Cornelia seinen Segen. Weitere Rollen sind besetzt mit: Meret Becker, Michael Wittenborn, Petra Kalkutschke, Eva Medusa Gühne und Elmar Gutmann.

 

Während Labude das Geld seiner Familie verprassen kann, wird Fabian Opfer der großen Entlassungswelle. Der Germanist wird bei seiner Arbeit ent- und im Privaten von Cornelia verlassen. Sie fährt auf der Erfolgsschiene und tritt eine Karriere als Schauspielerin an. Die Zukunft ist ihr so wichtig, dass sie eine Beziehung mit einem sehr viel älteren Regisseuren eingeht. Der mächtige Filmproduzent macht Cornelia zum Star, während Fabian, Labude und der Rest ihrer alten Welt, kurz bevor Hitler an die Macht kommt, Schlimmes zu befürchten haben. Die beiden jungen Männer glauben nämlich an eine gerechte und demokratische Staatsführung, sie schreiben Gedichte und treffen sich mit anderen jungen Gelehrten in Parks, wo sie Ideen austauschen und andere von dem Guten in der Welt zu überzeugen versuchen. Besonders Labude riskiert dabei viel. „Hoppla, wir gehen unter“, lautet der letzte Satz der Literaturverfilmung und zeigt: Unvorhergesehenes passiert oft.

 Der Tanz auf dem Vulkan zeigt eine emotionale Zeitreise, die mit starken Bildern, auch in schwarzweiß, und dichtem Soundtrack prall gefüllt ist.

Dominik Graf mischt Originalzitate aus Erich Kästners Roman in den Film, mit einer Erzählstimme aus dem Off. Auch wird sehr ausschweifend das zügellose Treiben des Berliner Nachtlebens dargestellt. Das Aufkommen der Nazis wird subtil zum Ausdruck gebracht: Was eingangs nur Wahlplakate sind, die vermeintlich harmlos zwischen Produktwerbung hängen und nur dem heutigen, zurückblickenden Publikum unwohl aufstoßen, wird zu einem gelegentlichen Aufblitzen des Grauens – bis letztlich alles Gute in Fabians Welt verschluckt ist. Der Tanz auf dem Vulkan zeigt eine emotionale Zeitreise, die mit starken Bildern, auch in schwarzweiß, und dichtem Soundtrack prall gefüllt ist. Die Kameraführung ist gut an die Szenen angepasst: bei aufwühlenden Inhalten wechselt sie schnell, von Frosch- bis Vogelperspektive ist alles dabei. 

 

Fazit 

 

Der Regisseur führte im Rahmen der Berlinale aus, dass sein „Fabian oder der Gang vor die Hunde“ ungefähr so umfangreich sein sollte, wie die Lesedauer der Kästner-Vorlage. Einen Film auf die Lesezeit der Buchvorlagen dehnen, war fast schon als träge Katastrophe programmiert – doch Graf ist es nicht nur geglückt, einen derartigen Misserfolg zu vermeiden: Er landete einen Volltreffer. Zum Erfolgsgeheimnis zählt, dass Graf erkannt hat, wie er Kästners eher kurzen Roman als einen vergleichsweise langen Film zweckentfremden kann – er breitet den titelgebenden Gang vor die Hunde in ebenso faszinierendem wie (gewollt) quälendem Detail aus, damit sich die ZuschauerInnen immer wieder fragen: Was kommt da noch? Ein sehr sehenswerter und beeindruckender Film.