Politik | Staatsbürgerschaft

"Wir wollen es"

Nicht nur Alt-Mandatare, sondern auch Österreichs Freiheitliche machen zunehmend Druck in Sachen Doppelstaatsbürgerschaft. Doch rechtlich bleiben viele Fragen offen.
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Foto: upi

Für Sven Knoll und KonsortInnen müssen die jüngsten Aussagen zur doppelten Staatsbürgerschaft aus Wien wie Honig hinunterfließen. „Wir wollen es“, erklärt FPÖ-Südtirol-Sprecher Werner Neubauer im Gespräch mit der österreichischen Presseagentur APA. Er sei “sehr zuversichtlich”, dass es dazu kommen werde. Die Doppelstaatsbürgerschaft sei in der Sondierungsgruppe der türkis-blauen Koalitionsverhandler bereits angesprochen worden, sagt der Freiheitliche laut österreichischen  Medienberichten. Zudem hätten Gespräche auf "höchster politischer Ebene" zwischen Vertretern Südtirols und Österreichs stattgefunden“.  

Die endgültige Entscheidung wird laut dem Freiheitlichen Südtirol-Sprecher in den finalen Gesprächen zwischen ÖVP-Parteichef Sebastian Kurz und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache fallen. Die Position der Freiheitlichen sei aber klar und bei der Parteispitze um Strache, Vize Norbert Hofer und Generalsekretär Herbert Kickl "deponiert", so Neubauer. Er erinnerte an frühere Worte von Sebastian Kurz im Südtirol-Unterausschuss des Nationalrates, wonach zuerst der "Ruf" aus Südtirol erfolgen müsse, bevor man sich der doppelten Staatsbürgerschaft annehmen könne. Ein solcher Ruf sei nun mit dem Schreiben erfolgt, in dem 19 von 35 Südtiroler Landtagsabgeordneten den Wunsch an die Koalitionsverhandler nach der doppelten Staatsbürgerschaft formulierten. Dies habe dann auch die Steuerungsgruppe wahrgenommen und es habe sich "bis zu Kurz und Strache durchgesprochen“,  so Neubauer.

Äußerungen, die SVP-Obmann Philipp Achammer nach seinem Wiener Blitz-Besuch vergangene Woche sauer aufstoßen werden. Auch weil sich sein Wunsch, eine solch delikate Frage in einem persönlichen Gespräch zwischen den Parteien zu behandeln als immer undurchführbarer erweist. Schließlich mischen in der Zwischenzeit auch Altmandatare seiner Partei wie der ehemalige Landeshauptmann Luis Durnwalder, Siegfried Brugger, Elmar Pichler-Rolle oder Franz Pahl mit einer weiteren Petition an die Wiener Koalitionsverhandler in Wien in der Sache mit. Die Situation für Südtirol sei in dieser Angelegenheit „so günstig wie noch nie", sagte Durnwalder ebenfalls im Gespräch mit der APA. „Es wäre eine schöne Geste", so der Alt-Landeshauptmann. Allerdings räumte er ein, dass diese für Österreich nicht so einfach sein wird. Schließlich könnten seine Landsleute einige von österreichischen Staatsbürgern zu leistende Pflichten wie die Entrichtung von Steuern oder den Militärdienst logischerweise nicht erfüllen. Man würde Österreich auch „keine Vorwürfe machen", sollte der Doppelpass doch nicht kommen, betonte Durnwalder in dem APA-Gespräch.

Zumindest Chancen auf eine doppelte Staatsbürgerschaft sieht auch ÖVP-Südtirol-Sprecher Hermann Gahr. Er bestätigte, dass das Thema mittlerweile auf "Chefebene" angesiedelt sei und eine „politische Entscheidung werden wird“. Er selbst  sei in die Verhandlungen nicht unmittelbar involviert gewesen, aber seiner Meinung nach müsse in einem Koalitionsabkommen jedenfalls ein "Auftrag" enthalten sein, die "Machbarkeit und Umsetzung in den Verhandlungsstand zu heben", so der ÖVP-Südtirol-Sprecher.

Warnende Stimmen

Doch nicht nur in Südtirol gibt es Stimmen aus dem Chor wie den ehemaligen Bürgermeister von St. Ulrich, die negative Konsequenzen einer solch „schönen Geste“ anführen. Auch ein österreichischer autorevole  wie der ehemalige EU-Kommissar Franz Fischler warnt vor einer „zu eindimensional geführten Debatte“. „Die österreichische Politik muss sich generell damit auseinandersetzen, wie sie mit Doppelstaatsbürgerschaften umgeht“, betont der Präsident des Europäischen Forums Alpbach gegenüber der Tiroler Tageszeitung. Allein für die Nachkommen jener Südtiroler, die Angehörige der Habsburgermonarchie gewesen seien, werde es nicht gehen.

Erklärungen zu dieser Frage lieferte  am Montag der Europarechtsexperte Walter Obwexer im Morgengespräch von RAI Südtirol. Der Professor wird von den Befürwortern einer Doppelten Staatsbürgerschaft immer gerne wegen eines Gutachtens in Feld geführt, wonach die doppelte Staatsbürgerschaft EU- und völkerrechtskonform sei. Im Gespräch mit Benedikt Sauer bestätigte Obwexer auch, dass Österreich mit einer einfachen Gesetzesänderung von seinem bisherigen Grundsatz abweichen könne, mehrfache Staatsangehörigkeiten möglichst zu vermeiden. Allerdings müsste eine solche Doppelstaatsbürgerschaft dann aufgrund des Gleichheitsgrundsatzes nicht nur Südtirolern, sondern auch anderen Drittstaatsangehörigen in der gleichen Situation gewährt werden, zumindest wenn es sich um EU-Bürger handelt.

Aufhängen ließe sich die Doppelstaatsbürgerschaft laut dem Europarechts-Experten an zwei Argumenten: der Nachkommenschaft von Alt-Österreichern, die nach dem ersten Weltkrieg gegen ihren Willen von Österreich abgetrennt wurden oder der Schutzfunktion Österreichs. In jedem Fall gäbe es aber einen Rattenschwanz an damit verbunden offenen Fragen und Komplikationen – vom Wahlrecht, Wehrdienst bis hin zu einer möglichen Schwächung der Schutzfunktion, führte Obwexer ins Feld. Letztere könnte in dem Fall eintreten, dass die doppelte Staatsbürgerschaft auf Basis der Schutzfunktion verliehen wird, aber dann nicht von der Mehrheit der dazu Berechtigten beantragt wird. In dem Fall könne eine italienische Regierung zu Recht in Frage stellen, auf welcher Basis Südtirol weiterhin seinen Sonderstatus beantragt, warnte der Europarechts-Experte.