Autonomia
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Politik | Autonomiestreit

Zankapfel Autonomie

Das Autonomiegesetz wird zur schwersten Belastungsprobe für die Regierung.
Es gibt viele Themen, die Lega und M5S entzweien: TAV, Justizreform, decreto sicurezza. Aber in keinem Bereich ist die Kluft zwischen den Regierungspartnern so tief und unüberwindbar wie beim Thema Autonomie. Hier scheiden sich die Geister so gründlich, dass eine Einigung schwer vorstellbar scheint. Es sei denn, man begnügt sich mit einer Teilreform und lässt alle Streitpunkte beiseite.
Seit Monaten ist Süditalien Schauplatz einer massiven Stimmungsmache gegen die secessione dei ricchi, wird die Autonomie als Schreckgespenst dargestellt, die den Mezzogiorno zu weiterer Verarmung verdammt. Während die Präsidenten Venetiens und der Lombardei fast täglich zur Eile mahnen, lanciert der Regionalrat Kalabriens die "rivolta contro la secessione dei ricchi". 
 
Für die Lega ist die Autonomie unverzichtbar, für die Fünf-Sterne-Bewegung, die ihr grosses Wählerpotential im Süden hat, eine risikoreiche Reform. Längst hat das Thema den Rahmen der Politik gesprengt. Die Bischofskonferenz warnt: "I servizi fondamentali siano erogati in maniera uniforme e adeguata in tutte le regioni, altrimenti si potrebbe originare una evidente sperequazione tra nord e sud." Confindustria-Präsident Vincenzo Boccia:" Serve equilibrio tra le regioni nella logica delle coesione nazionale." Der CGIL-Vorsitzende Maurizio Landini: "Non ha senso se vuol dire allargare ancora di più le divisioni del paese."
Ein Blick auf die Zahlen verstärkt die Zweifel: Sizilien, das bereits seit Jahrzehnten über eine weitreichende Autonomie verfügt, liegt beim Pro-Kopf-Einkommen an vorletzter Stelle - knapp vor Kalabrien.
 
Das Pro-Kopf-Einkommen der Lombardei beträgt das Zweieinhalbfache Kalabriens. Sizilien hat einen Schuldenberg von 15 Milliarden Euro angehäuft und verfügt mit Catania über die erste bankrotte Grossstadt Italiens. 25 Gemeinden der Insel haben den dissesto finanziario erklärt. Das beweist, dass die Autonomie alleine die Probleme keineswegs löst.
 
Mafia, Camorra und Ndrangheta sind in Süditalien beheimatet. Illegales Bauen, Korruption, Schwarzarbeit, Schlendrian und Nepotismus sind an der Tagesordnung. Daran wird die Autonomie wenig ändern. Der Verfassungsrechtler Sandro Staiano von der Universität Neapel übt Selbstkritik: "C'é stata anche da parte di noi studiosi una sottovalutazione del regionalismo differenziato. Della sua portata, del suo impianto dirompente."
Jetzt hat die Universität ein osservatorio sul regionalismo differenziato gegründet, das Vorschläge ausarbeiten will. Staiano: "Offrirà proposte ed analisi, spiegando non solo cosa è giusto o meno fare, ma soprattutto come farlo. Indicheremo al legislatore soluzioni ragionevoli ed efficienti." Bis September könne man so weit sein. 
 
Doch Venetiens streitbarer Präsident Luca Zaia ist mit der Geduld am Ende: "Se non passa l'autonomia la Lega si troverà con le ossa rotte. E a quel punto il governo non potrà non saltare." M5S-Chef Luigi Di Maio will sich nicht auf einen Termin festlegen: "Si farà, ma si farà bene." Zweifel daran sind erlaubt.
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Profil für Benutzer Mensch Ärgerdichnicht
Mensch Ärgerdi… Mi., 31.07.2019 - 12:48

Wieder einmal frage ich mich: wem zum Teufel interessiert denn bitte die Meinung der Bischofskonferenz zu Themen die sie nicht im geringsten etwas angeht?
Warum geben in Italien Journalisten diese unqualifizierten Meinungen weiter, werden die dafür bezahlt?

Mi., 31.07.2019 - 12:48 Permalink
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Salto User
Sepp.Bacher Mi., 31.07.2019 - 15:26

Dass das Pro-Kopf-Einkommen im Süden so niedrig ist, hat mE nicht mit den Gehältern zu tun, die wohl laut Kollektivvertrag gleich sein müssten, sondern wohl mit der niederen Beschäftigungsrate und den hohen Anteil an Rentner. Meines Wissens hat die Autonome Region Sizilien im Verhältnis viel Geld zur Verfügung, leistet sich aber u. A. hohe Ausgaben für Regionalpolitiker und öffentliche Bedienstete, und noch viele andere Ungereimtheiten.
Ich glaube, dass die angestrebten Autonomien im Norden kein Problem darstellen, solange sie zum Finanzausgleich beitragen. Der Norden darf aber auch nicht den Süden füttern, denn der muss sich auf die eigenen Füße stellen - ausgenommen das Grundeinkommen, welches das Pro-Kopf-Einkommen sicher erhöhen wird.
Man sollte den Regionen des Südens die Steuerhoheit geben: wenn sie für mehr Steuern und weniger Korruption bzw. Schwarzarbeit sorgen, haben sie auch mehr Geldmittel zur Verfügung!

Mi., 31.07.2019 - 15:26 Permalink